|  |  | Wolfgang Sterneck:
 
 DAS PRODUKT MICHAEL JACKSON
 - MUSIK UND VERMARKTUNG -
 (1998)
 
 - Musik, Rüstung und Profit -
 - Die gesteuerten Hits -
 - MTV und die Video-Realität -
 - Die künstlichen Produkte der Musikindustrie -
 
 Der Musikmarkt wird zu einem wesentlichen Teil von sechs multinationalen 
Konzernen beherrscht. Ein riesiger Vermarktungsapparat ermöglicht 
es ihnen, unbekannte InterpretInnen als international erfolgreiche 
Stars zu etablieren. Einen zunehmenden Einfluß erlangen dabei 
Musikvideos, die inzwischen zu den wichtigsten Werbeträgern 
für Musikprodukte geworden sind.
 
 MUSIK, RÜSTUNG UND PROFIT
 
 Die Entwicklungen auf dem Musikmarkt sind ein zwangsläufiges 
Abbild der grundlegenden Entwicklungen eines kapitalistischen Wirtschaftssystems. 
Sie sind bestimmt von einem rücksichtslosen Konkurrenzkampf 
zwischen den einzelnen Unternehmen. Dabei entscheidet nicht wer 
das bessere Produkt auf den Markt bringt, sondern wer dieses am 
kostengünstigsten produziert und am geschicktesten vermarktet. 
Der Konkurrenzkampf führt dazu, daß ständig einzelne 
Unternehmen vom Markt gedrängt oder von größeren 
Konzernen geschluckt werden. Zwangsläufig kommt es zu einer 
Konzentration der wirtschaftlichen Macht auf einige wenige Konzerne, 
die in Folge den Markt kontrollieren können, oder im äußersten 
Falle zur Monopolstellung eines einzigen Konzerns.
 
 Diese Entwicklung ist auch für den Musikmarkt charakteristisch, 
der seit rund vierzig Jahren zu den umsatzreichsten Wirtschaftsbranchen 
gehört. Als Ergebnis jahrzehntelanger Konkurrenzkämpfe 
beherrschten zu Beginn der neunziger Jahre fünf multinational 
operierende Konzerne, denen eine Reihe von Labels und Vertrieben 
angeschlossen sind, den Weltmarkt. Verschiedenen Schätzungen 
zufolge konzentrieren die Bertelsmann Music Group, EMI Music, Polygram, 
Sony Music und Warner etwa fünfundsiebzig Prozent des weltweiten 
Umsatzes an Kassetten, Schallplatten und Compact Discs auf sich, 
der in den Neunzigern durchschnittlich jährlich bei 40 Milliarden 
Dollar lag. Kleine und mittelgroße Labels haben im Vergleich 
zu den riesigen Verwertungssapparaten der großen Konzerne 
nur geringe Möglichkeiten. Sie werden zunehmend aufgekauft 
oder an den Rand des Musikmarktes gedrängt. Es ist bezeichnend, 
daß in den Jahren um 1990 umsatzträchtige Musikkonzerne 
wie Geffen-Records, Virgin, RCA und Teldec von anderen Musikmultis 
übernommen wurden. Der japanische Konzern Sony kaufte bereits 
1988 die bis dainh weltweit führenden CBS-Records auf und wurde 
dadurch selbst zum umsatzstärksten Unternehmen der Musikbranche.
 
 Wie groß die wirtschaftliche Macht der Konzerne ist, zeigte 
die Umstrukturierung des Musikmarktes im Zuge der Durchsetzung der 
von Sony und Philips entwickelten Compact Disc als wichtigstes Musikmedium 
und der damit verbundenen Verdrängung der Schallplatte in den 
späten achtziger Jahren. In Folge konnten bereits als Schallplatte 
veröffentlichte Aufnahmen ein zweites Mal als CD verkauft werden. 
Damit verbunden war trotz der nahezu identischen Herstellungskosten 
ein Preisanstieg der CD von etwa einem Drittel gegenüber dem 
alten Schallplattenpreis.
 
 Die sechs Musikmultis sind jeweils eng mit anderen Unternehmen 
verflochten bzw. gehören übergeordneten Konzernen an, 
die in verschiedenen Branchen tätig sind. So gehört beispielsweise 
die Bertelsmann Music Group zum bundesdeutschen Bertelsmann-Konzern, 
der verschiedene Fernsehsender und Zeitschriften besitzt bzw. über 
entsprechende Aktienanteile mehrheitlich kontrolliert und dadurch 
eine riesige wirtschaftliche wie auch politische Macht in seinen 
Händen konzentriert. Charakteristisch sind zudem für einige 
Musikmultis die Verflechtungen mit dem militärisch-industriellen 
Komplex. Genauso wie Sony, Philips oder EMI in Musikzeitschriften 
für neue CDs werben, so inserieren andere Abteilungen der Konzerne 
in Fachzeitschriften für ihre Produkte aus dem Bereich der 
Rüstungselektronik.
 
 Vielfach lassen die Multis in Staaten produzieren, in denen ein 
niedriges Lohnniveau herrscht und Gewerkschaften weitgehend ausgeschaltet 
sind. Ein Beispiel hierfür ist der Thorn-EMI-Konzern, der in 
der Mitte der achtziger Jahre trotz verschiedener internationaler 
Boykottaufrufe im Besitz von rund dreißig Betrieben in Südafrika 
war. Faktisch bedeutete dies eine offene Unterstützung des 
rassistischen Apartheid-Regimes. Zynischer Weise veröffentlichte 
das Musiklabel EMI gleichzeitig Aufnahmen, die sich kritisch mit 
dem Apartheid-System und mit der westlichen Rüstungspolitik 
auseinandersetzten. So erschienen zum Beispiel bei EMI auch Schallplatten 
der Bots, die zu den einflußreichsten Bands innerhalb der 
bundesdeutschen Friedensbewegung der achtziger Jahre gehörten. 
Um die Popularität der Bots zu steigern, finanzierte der Konzern 
sogar alternative Festivals auf denen die Gruppe als Hauptband auftrat.
 
 Immer wieder führen einzelne MusikerInnen als Gründe 
für ihre Zusammenarbeit mit den Musikmultis neben materiellen 
Gründen auch die Möglichkeit an, ein breites Publikum 
mit gesellschaftskritischen Inhalten zu konfrontieren. Die meisten 
Bands, die diesen Weg einschlugen, mußten allerdings bald 
ihre inhaltlichen Positionen und zumeist auch den musikalischen 
Stil den Vorgaben der Vermarktungsabteilungen anpassen. In vielen 
Fällen lösten sich die MusikerInnen aber auch selbst von 
ihren einstigen Idealen, nachdem sie durch die veränderte Lebenssituation 
und die zunehmende Orientierung am kommerziellen Erfolg den Bezug 
zu ihren Ursprüngen verloren hatten. Nur einigen wenigen MusikerInnen 
gelang es langfristig innerhalb der Multis eine inhaltliche und 
musikalische Eigenständigkeit zu bewahren, wobei allerdings 
in jedem Fall die Frage gestellt werden muß, ob die persönlichen 
Vorteile und die politischen Möglichkeiten die objektive Rolle 
der einzelnen MusikerInnen als Bestandteil eines weltweiten Verwertungs- 
und Manipulationsapparates aufwiegen.
 
 DIE REALITÄT DER VIDEOS
 
 Aus der Sicht der Konzerne ist nur ein Musikstück, das kommerziellen 
Erfolg hat, ein gutes Stück. Gemäß diesem Grundsatz 
wird bestimmt, was veröffentlicht wird. Ein Erfolgsrezept wird 
dabei so lange wiederholt und kopiert, bis es finanziell völlig 
ausgeschlachtet ist. Eine entscheidende Rolle nehmen dabei die Hitlisten 
ein, die angeblich über die Plazierung der einzelnen Veröffentlichungen 
den Geschmack der KonsumentInnen widerspiegeln. Tatsächlich 
dokumentieren sie aber in den meisten Fällen vorrangig die 
Fähigkeit einzelner Promotionabteilungen ein Produkt erfolgreich 
zu vermarkten. Die genauen Bewertungssysteme der Hitparaden sind 
nur schwer durchschaubar und keineswegs einheitlich. Berechnet werden 
zum Teil die Verkaufszahlen einiger großer Schallplattenläden 
und die Einsätze im Radio, wobei es teilweise sogar möglich 
ist nur über das Radio ohne eine einzige Platte verkauft zu 
haben, einen Song in die Hitlisten zu bringen.
 
 Wenn einmal ein Titel in der Hitparade aufgeführt ist, setzt 
ein fast zwangsläufiger Aufstieg ein. Beeinflußt durch 
die Plazierung bestellen verstärkt Großhändler, 
erhalten dann günstigere Konditionen und können die Platten 
billiger verkaufen. Gleichzeitig spielen die Radio- und Fernsehsender 
vermehrt den Song, was wiederum zu einer größeren Popularität 
und Nachfrage führt. Je höher die Plazierung ist, umso 
verstärkter wirkt dieser Mechanismus. Fast zwangsläufig 
kommt es dabei zu Manipulationen. Jedes größere Label 
beschäftigt Promotion-MitarbeiterInnen, die im engen Kontakt 
zu den entscheidenden Medien stehen und gegebenenfalls ein Wohlwollen 
gegenüber bestimmten Veröffentlichungen erkaufen. Generell 
besteht ein enges Verhältnis zwischen den Konzernen und den 
Medien, da beide an einem größtmöglichen finanziellen 
Gewinn interessiert sind.
 
 Eine zunehmende Bedeutung erhalten vielfältig verwertbare 
Produktionen, wie zum Beispiel die TV-Serie Miami Vice 
oder der Kinofilm Batman, von denen die Film-, Musik-, 
Buch- und Bekleidungsbranche, sowie einzelne Unternehmen, die mit 
Motiven aus den Filmen für ihre Produkte werben, profitieren. 
Im gleichen Zusammenhang steht die Zusammenarbeit der Musikindustrie 
mit der Werbebranche. Vielfach werden alte Hits oder neu komponierte, 
eingängige Stücke als Hintergrundmelodie für Werbespots 
im Fernsehen genutzt. Die ständige Wiederholung des Spots bzw. 
des Musikstücks führt zu einer enormen Popularisierung 
des Stücks. Dieses wird dann von den HörerInnen zumeist 
unbewußt mit dem Werbespot und dem angebotenen Produkt in 
Verbindung gebracht, während gleichzeitig das Produkt indirekt 
für das Musikstück wirbt.
 
 Zum wichtigsten Werbeträger der populären Musik wurde 
in den achtziger Jahren das Musikvideo. Über dieses wird entsprechend 
der von ManagerInnen und Vermarktungsabteilungen festgelegten Verkaufsstrategie 
ein bestimmtes Image vermittelt, welches später von den KonsumentInnen 
immer wieder mit dem Song und mit der Band in einen Zusammenhang 
gebracht wird. Der 1981 gegründete us-amerikanische Fernsehsender 
MTV (Music Television), den im Durchschnitt weltweit zwanzig Millionen 
Menschen eingeschaltet haben, sendet vierundzwanzig Stunden täglich 
fast ausschließlich Musikvideos. Eine regelmäßige 
Ausstrahlung eines Videos ist fast gleichbedeutend mit einem daran 
anschließenden internationalen Verkaufserfolg des Musikstücks.
 
 Ständig werden neu gebildete Bands oder zuvor weitgehend unbekannte 
InterpretInnen durch MTV oder vergleichbare Sender wie Viva und 
VH-1 mit einem bestimmten Image verbunden und zu weltweiten Stars 
aufgebaut. Zwangsläufig haben auch die Ansagen der immer gut 
gelaunt und unbeschwert wirkenden ModeratorInnen und die kurzen 
Berichte aus dem Showgeschäft nur einen scheinbaren Informationscharakter. 
Tatsächlich präsentieren sie völlig kritiklos und 
unhinterfragt die neuesten Produkte der Musikindustrie. Vor diesem 
Hintergrund erhalten auch die vielfältigen innovativen Elemente 
des Programms, die inzwischen mehrfach von anderen Sendern kopiert 
wurden, genauso wie beispielsweise einige ökologisch ausgerichtete 
Spots letztlich trotz ihrer wohl positiven Intention einen verschleiernden 
Charakter.
 
 Die Videos selbst sind meist von scharfen Schnitten, wechselnden 
Bildeffekten und ständig veränderten Einstellungen geprägt. 
Es bleibt kaum ein Augenblick zum verweilen, vielmehr werden die 
ZuschauerInnen ununterbrochen mit neuen visuellen Reizen konfrontiert, 
denen gegenüber die Musik eine zweitrangige Stellung einnimmt. 
Gezielt wird damit der äußere Erscheinung und nicht das 
eigentliche Produkt in den Vordergrund gerückt. Mit der Vermarktung 
der Produkte ist die Vermittlung von Inhalten und Einstellungen 
verbunden. Die in der Regel von den Musikstars bzw. der Musikindustrie 
propagierten materiellen Werte werden über MTV weltweit weitergetragen 
und millionenfach übernommen. Deutlich wird dabei, daß 
sich die Macht der Musikindustrie nicht nur auf den wirtschaftlichen 
Bereich und den damit verbundenen politischen Einfluß beschränkt. 
Vielmehr werden weit darüber hinausgehend die Bedürfnisse 
und das Bewußtsein der Menschen nachhaltig beeinflußt.
 
 DIE KÜNSTLICHEN PRODUKTE DER MUSIKINDUSTRIE
 
 Die vorrangige, da gewinnträchtigste Zielgruppe der Musikmultis 
sind die zehn- bis achtzehnjährigen Jugendlichen. Regelmäßig 
gelingt es den Vermarktungsabteilungen der Konzerne einzelne Gruppen, 
wie zum Beispiel die New Kids on the Block, Bros oder Take That, 
speziell auf diese Zielgruppe auszurichten. Das Erfolgskonzept ist 
vergleichsweise einfach. Benötigt werden im Grunde nur einige 
Jugendliche, die keinerlei musikalische Fähigkeiten besitzen 
müssen, ein klares und ansprechendes Image, sowie einige eingängige 
Melodien. Grundlegende Voraussetzung ist allerdings ein funktionierender 
Verkaufs- und Vermarktungsapparat in einer Größe wie 
er nur bei den großen multinationalen Konzernen vorhanden 
ist, um die neuproduzierten Stars verkaufswirksam in die Medien 
und die Hitlisten zu bringen.
 
 In der Regel haben diese Bands zwei bis drei Jahre lang einen großen 
Erfolg. Die Fans projizieren in dieser Phase insbesondere ihre zumeist 
unbewußten und unterdrückten sexuellen Bedürfnisse 
auf die Stars und flüchten aus der bedrückenden Realität 
in künstliche Scheinwelten. Gleichzeitig setzt ein Identifikationsprozeß 
ein, der, wie von der Industrie vorgegeben, in das Bestreben mündet, 
die verschiedenen Produkte der Stars von der CD über Poster 
bis zu Kleidungsstücken zu besitzen. Die anerzogenen autoritären 
und konsumorientierten Grundhaltungen werden in diesem Zusammenhang 
von der Industrie gleichermaßen bestätigt wie auch kommerziell 
ausgenutzt. Nachdem sich die Altersstruktur und die Interessen der 
jugendlichen Zielgruppe verschoben haben, verschwinden auch die 
entsprechenden Stars wieder aus den Hitlisten und den Medien. Zu 
diesem Zeitpunkt stehen aber schon längst neue, von den Vermarktungsabteilungen 
aufgebaute Stars für die nachrückenden Altersstufen bereit.
 
 Beispielhaft ist die Geschichte der Pop-Gruppe Bay City Rollers, 
die in der Mitte der siebziger Jahre in ihre größten 
Erfolge erlebte. Während der offizielle Fan-Club in dieser 
Phase täglich mehrere tausend Zuschriften erhielt, erreichten 
die Veröffentlichungen der Band regelmäßig die Spitzenpositionen 
der internationalen Hitlisten und die Tourneen waren innerhalb weniger 
Tage ausverkauft. Eine charakteristische Erscheinung bildete vor 
allem das hysterische Verhalten vieler weiblicher Fans, die, zumeist 
noch im frühen Teenager-Alter, die Wohnorte bzw. die Hotels 
der Bandmitglieder belagerten und hysterisch regierten wenn diese 
zu sehen waren.
 
 Der Verkauf von Artikeln, die in irgendeiner Weise mit der Band 
verbunden waren, den sogenannten Merchandise-Produkten, erreichte 
zu dieser Zeit einen Höhepunkt. Insbesondere Jugendzeitschriften 
wie Bravo und Pop-Rocky engagierten sich in diesem Bereich und vermarkteten 
die Gruppe völlig. Die Umsätze im Merchandising 
bei den Bay City Rollers waren damals gigantisch. Also haben wir 
Bay-City-Rollers-Magazine gemacht. Ein erstes, ein zweites und ein 
drittes. Die haben sich so super verkauft, daß wir auch hier 
wie in England die Merchandise-Produkte von den Schottenschals über 
die T-Shirts bis zu Socken, Uhren und Fotosets verkauften. Die Rollers 
waren irgendwo wie Barbie-Puppen, wie ein Kunstprodukt. Die niedlichen 
Kerls aus Schottland mit ihren Schottenkaros, die Musik für 
Mickey-Mäuse machen.(1)
 
 Das Image der Gruppe, das von den Jugendzeitschriften unablässig 
vermittelt wurde, war ein betont sauberes und unterschied sich in 
dieser Hinsicht deutlich von dem der herkömmlichen Rockbands. 
Jedes Bandmitglied erhielt ein vom eigentlichen persönlichen 
Charakter weitgehend unabhängiges Image, das jeweils eine bestimmte 
jugendliche Zielgruppe ansprechen sollte. Es gab diese Geschichte, 
daß die Rollers nur Milch trinken, keine Mädchen hätten 
und eine ganz brave Band seien. Man kann wirklich sagen, daß 
einige Kettenraucher waren, aber man hat nie ein Bild mit Zigaretten 
gesehen. Man hat nur Bilder mit Milchtüten gesehen. Daran haben 
wir uns gehalten, wir hätten uns ja das eigene Grab geschaufelt, 
wenn wir die Wahrheit geschrieben hätten.(2)
 
 Die Bandmitglieder selbst hatten große Probleme den Starkult 
um ihre Personen zu verarbeiten und den Vorgaben durch das Management 
zu entsprechen. Wir wurden ohne Unterbrechung herumgejagt: 
Foto-Sessions, Interviews, Reisen, Hotels, Wohltätigkeitsveranstaltungen, 
Krankenhäuser. Hin und wieder mal ein Auftritt. Wir waren einfach 
in dieser Maschinerie gefangen. Als ich in Australien im Krankenhaus 
lag, ließ das Management ein paar Fotographen in mein Zimmer, 
damit sie mich halbtot im Bett fotografieren konnten. Sie legten 
mir irgendein Stofftier aufs Kissen und am nächsten Tag war 
das in allen Zeitungen. Ständig wurden von den Geschäftsführern 
neue Firmen gegründet. Schließlich gab es so viele Firmen 
von denen jede das Recht hatte die lächerlichsten Gebühren 
zu verlangen und damit die Band ganz legal auszubeuten konnte. Wir 
brauchten drei Jahre um uns aus all den Verträgen zu befreien. 
Erst nach zehn Jahren wurden uns die Rechte an unseren eigenen Songs 
zugesprochen.(3) Die Erfolgkurve der Bay City Rollers erhielt 
einen entscheidenden Einbruch nachdem Berichte über Drogenprobleme 
und Selbstmordversuche einiger Bandmitglieder an die Öffentlichkeit 
gelangten und sich so das Image der Rollers grundlegend änderte. 
Während die Band zunehmend unter internen Streitigkeiten litt, 
konzentrierten sich die Jugendzeitschriften auf neue Bands, die 
nach dem gleichen Schema aufgebaut, vermarktet und dann wieder fallengelassen 
wurden.
 
 Der kommerziell erfolgreichste Musiker der achtziger Jahre war 
Michael Jackson. Ein Image, das ihn zu einer heldenhaften Märchenfigur 
in einer bunten Fantasiewelt stilisierte, ein eigenständiger, 
neuartiger Tanzstil, zahlreiche perfekt produzierte Hits und eine 
mehrere Millionen Dollar verschlingende Werbekampagne von CBS bzw. 
Sony-Music machten Michael Jackson zum überragenden Superstar 
des Jahrzehnts. Seine LP Thriller wurde mit weit über 
vierzig Millionen verkauften Exemplaren zur kommerziell erfolgreichsten 
Schallplatte der Musikgeschichte.
 
 Trotz des riesigen Erfolges des Produktes Michael Jackson ist der 
Mensch Michael Jackson selbst ein Opfer des Musikgeschäftes. 
Schon mit fünf Jahren stand er zum ersten Mal auf der Bühne. 
Sein Vater zwang ihn, wie auch seine Geschwister, ins Showgeschäft. 
Der Familie gelang es zwar dadurch aus der schwarzen Unterschicht 
aufzusteigen, Michael Jackson konnte sich aber nie eigenständig 
entwickeln. Mit seiner Kindheit und seiner Jugend wurde ihm weitgehend 
die Möglichkeit genommen, Kontakte zu Gleichaltrigen aufbauen 
oder die Realität außerhalb der Showbranche kennenzulernen.
 
 In vieler Hinsicht kommt diese Entwicklung auch heute noch zum 
Ausdruck. Jackson lebt völlig abgeschirmt auf einer Ranch, 
die einem nachgestellten Märchenland gleicht, definiert sich 
über Walt-Disney-Figuren und ist wohl auch nur eingeschränkt 
in der Lage tiefergreifende zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. 
Es spricht für sich, daß Jackson auf Pressekonferenzen 
von seinem Manager vertreten wird und über Jahre hinweg keine 
Interviews gegeben hat. Nicht zuletzt zeigen auch die Gesichtsoperationen, 
denen er sich immer wieder aussetzt, um dem vorgegebenen und von 
ihm übernommenen weißen Schönheitsideal zu entsprechen, 
wie sehr Michael Jackson seine Rolle als künstliches Produkt 
der Bewußtseinsindustrie verinnerlicht hat.
 
 Anmerkungen:
 1) Aus einem Interview mit dem ehemaligen Chefredakteur der Jugendzeitschrift 
Pop-Rocky in der TV-Dokumentation In meinem Kopf ist jemand, 
den Du niemals siehst (1990) von Judith Klinger.
 2) Siehe 1).
 3) Aus einem Interview mit Eric Faulkner und Alan Longmuir (Bay 
City Rollers) in der TV-Dokumentation In meinem Kopf. 
(Siehe 1).
 Aus dem Buch:Wolfgang Sterneck:
 Der Kampf um die Träume - Musik und Gesellschaft. (1998).
 contact@sterneck.net
 
 
 
 
 |