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Kulturzentren:
- Kulturfabrik Wetzikon / Warum Kulturzentren?
- Schüfi / Kultur
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WARUM KULTURZENTREN ?
- Sieben Thesen -
1. Aufhebung von Isolation:
In einer Gesellschaft der zunehmenden Isolation von Einzelnen und
gesellschaftlichen Gruppierungen soll ein Kulturzentrum Kommunikationsraum
anbieten, in dem Begegnung und Auseinandersetzung möglich wird.
2. Begegnung:
Begegnung ist nur auf der Basis von Freiwilligkeit und Selbstverantwortung
möglich. Dazu gehören flexible und transparente Organisationsstrukturen,
die konsequente Ablehnung von Profitdenken und die Kooperationsbereitschaft
von allen Beteiligten.
3. Kultur:
Nur so kann Kultur das sein,was sie ursprünglich ist: Die Gesamtheit
der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen
einer Gemeinde, Stadt, Quartier etc.
4. Kommunikation:
An Stelle der technifizierten und programmierten Formen sollen vermehrt
kreative und sinnliche Formen von Kommunikation wiederentdeckt werden.
5. Basisarbeit:
Statt einfach die Basis mit Kultur zu beliefern, sollen vielmehr
neue, auch unkonventionelle Tendenzen von Kulturäußerungen
aus der Basis heraus gefordert werden.
6. Entwicklung:
Die Praxis eines Kulturzentrums widersetzt sich einer endgültigen
Definition. Sie ist vielmehr immer Summe aller Aktivitäten,
für die das Kulturzentrum einen Rahmen bietet. Damit ist sie
Spiegel des gesellschaftlichen Kulturprozesses.
7. Autonomie:
Autonomie in unserem Falle sollte heißen: Ökonomische
und ideelle Unabhängigkeit von allen Einzelpersonen und Instanzen,
die nicht unmittelbar an unserer Kulturarbeit beteiligt sind.
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Schüfi:
KULTUR
Eine gängige Definition von Kultur ist: Sämtliche Äußerungen
des menschlichen Daseins, Bezeugungen seines Lebens und Wirkens.
Die Kultur einer Epoche und eines geographischen Raumes wird geprägt
durch die Denkweise, die Ideologien der Menschen, die darin leben.
Ideologien und Denkweisen werden aber auch die wirtschaftlichen
Bedingungen vorgegeben. Menschen, die in einer Stammesgesellschaft
leben, haben also eine andere Kultur, als solche, die in einem Feudalsystem
leben etc.
Worauf ich hinaus will: Die gemeinsame Kultur ist eine wesentliche
Basis für das Selbstvertrauen und die Identität einer
Gruppe von Menschen. Völker, die andere Völker unterworfen
haben, pflegen ihnen ihre Kultur aufzuzwingen. Sie brechen damit
den Widerstand der Unterworfenen, die ohne eigene Kultur auch keine
Identität mehr haben, welche sie vom Siegervolk unterscheidet
und für die es sich zu wehren lohnte. Nun ist heute das (fast)
alles beherrschende und unterwerfende System kein einzelnes Volk
mehr, sondern eben ein gesellschaftliches Modell, welches den Machtbesitzern
ermöglicht, auf Kosten der produzierenden Mehrheit riesige
materielle Gewinne zu verbuchen und so ihre Macht zu sichern. Dieses
Modell ist als System so aggressiv und expansionsbedürftig,
dass es alle andern älteren Gesellschaftsmodelle verdrängt.
Alle Lebensbereiche (eben die ganze Kultur) werden durch die Zwänge
des Modells bestimmt, dessen Hauptzwang aber in der Konkurrenzfähigkeit
der einzelnen Menschengruppen (heute sind das Nationalstaaten oder
-Bündnisse) zu einander besteht. So kann es sich kein Volk
dieser Erde leisten, nicht mitzumachen, ohne völlig an den
Rand gedrängt zu werden, in die totale Armut. So übernehmen
sie also alle die Methoden und die Kultur des vorherrschenden Modells.
Die Kultur diese Modells, welches nach der Maximierung der mögliche
Profite strebt, kann also nur eine Profitkultur sein, d.h. sie wird
zur Handelsware mit Produzenten (Besitzer der Produktionsmittel)
und, klar, Konsumenten, welche die Nachfrage verkörpern.
Also nochmal: Die Äußerungen menschlichen Daseins sind
heute käufliche Waren, welche vorwiegend im Lichte des Umsatzes
begutachtet wird; unwesentlich wird- der eigentliche Inhalt: Die
Äußerung, die freudige Darstellung des Menschen durch
sich selbst. Das wäre also das eine.
Das Andere: Im Laufe dieses ganzen Unterwerfungsprozesses gab es
immer wieder Versuche, dieser Vereinnahmung etwas entgegenzusetzen,
teils aus der konservativen Überlegung, dem Kulturzerfall
entgegenzuwirken, teils von Leuten, die ihre eigenen Kulturformen
und Normen entwickelten, da die gängigen sie nicht befriedigen
konnten. In einer Gesellschaft aber, wo es nicht darauf ankommt,
was man macht oder wie, sondern nur, dass dabei materiell was rausschaut,
ist es natürlich sehr leicht, jede neue Äußerungsform,
jede Subkultur zu kaufen, um sie gewinnbringend weiter zu veräußern.
So wurde die Widerstandskultur vorweg aufgesogen, geschluckt und,
selbstverständlich, dadurch verwässert und weitgehend
unschädlich gemacht. (Was mich als Rockmusiker natürlich
wirklich hart trifft).
Trotzdem haben die Versuche unsererseits nicht aufgehört,
dem Profitmodell unsere eigene, freiere Kultur entgegenzustellen.
Innerhalb des Profitmodells kann dies aber immer nur teilweise gelingen:
Wir sind von den Infrastrukturbedürfnissen her großenteils
auf die Technologie des Systems angewiesen: Bauten, Energie, Transporte...
Wir waren immer bloß einige wenige Überzeugte, welche
für eigene, den Profitgesetzen nicht unterliegende Kulturformen
kämpften. Vor allem kämpften wir um Räume, da in
hiesigen Breitengraden Kultur dreiviertel des Jahres drinnen stattfindet.
(Kultur: Lebensäusserungen, Kommunikationsformen). Auch unsere
freiere. Wir brauchten und brauchen diese Räume
vor allem, um überhaupt herauszufinden, was denn unsere Kultur
sein kann, wieweit sie sich aus den Konsumgedankengängen lösen
kann, um zu experimentieren, um uns zu finden und zu sammeln. Da
zu unseren Experimenten auch die echte Selbstverwaltung gehört,
und zwar mit Betonung auf echt und selbst, nicht auf Verwaltung,
brauchen wir Orte, wo wir über längere Zeiten unsere eigenen
Systeme und Modelle, zu arbeiten, zu wohnen, zu planen, zu feiern
- einfach: zu leben - ausprobieren können. Unsere Kulturzentren
sind zwar häufig aus dem Bedürfnis nach mehr Freizeitmöglichkeiten
für die produzierende und konsumierende Bevölkerung entstanden,
wenn wir sie aber richtig zu nutzen wissen, können wir uns
wirklich daran machen, eine Kultur aufzubauen, welche unseren Werten
entspricht, welche im gegenseitigen Einverständnis
mit der Natur, mit den Eigenheiten der Menschen, neue Gedankenwelten
öffnen und welche zum ersten Mal vielleicht neue wirtschaftliche
Bedingungen erzwingt statt umgekehrt: Versuchen wir also, glaubwürdig
zu sein, und uns nicht von der Konsumkultur schlucken zu lassen...
aus: Blinker Nr. 58, März / April 1989.
Zeitschrift der Kulturfabrik Wetzikon (Schweiz)
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