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Hans Cousto:
DROGENMISCHKONSUM
- Variable der gesellschaftlichen Befindlichkeit -
1 Drogenmischkonsum Variable der gesellschaftlichen Befindlichkeit
1.1 Die Trilogie Drug, Set und Setting
1.1.1 Drug Wirkstoff(e) und Dosierung(en)
1.1.2 Set Erwartungshaltung, aktuelle Stimmung und Grundbefindlichkeit
1.1.3 Setting Rahmenbedingungen, Umfeld und äußere
Umstände
1.1.4 Drug, Set und Setting herkömmliche Betrachtung
der Trilogie
1.1.5 Drug, Set und Setting gesellschaftspolitische Betrachtung
der Trilogie
1.2 Drogenmischkonsum im Wandel der Zeit
2 Instrumentalisierte Stigmatisierung und Ausgrenzung
2.1 Staatsterror gegen Drogengebraucher und diverse Szenen
2.2 Das BtMG als Mittel zum Zweck der Repression
3 Die Folgen der Entführung von Tim Leary in Kabul
3.1 Tim Learys Flucht aus den USA in die Schweiz
3.2 Tim Learys Entführung und die politischen Folgen
3.3 Opium statt Haschisch Schmerzlinderung statt Genußoptimierung
4 Schlußbemerkungen
1 Drogenmischkonsum Variable der gesellschaftlichen Befindlichkeit
Unter Drogenmischkonsum versteht man den gleichzeitigen Genuß
verschiedener psychoaktiver, stimulierender oder auch sedierender
Substanzen. Die Schokoladencreme nach dem Essen, der Kaffee und
der Schnaps dazu und schließlich die Zigarette das
ist nicht nur ein klassisches sondern auch ein typisches Beispiel
eines in der heutigen Gesellschaft täglich praktizierten Drogenmischkonsums.
Doch es gibt viele Varianten anderer Arten des Mischkonsums von
Drogen und die werden vornehmlich durch die gesellschaftliche Befindlichkeit
determindiert. In der Trilogie von Drug, Set und Setting entspricht
die gesellschaftliche Befindlichkeit dem Setting.
1.1 Die Trilogie Drug, Set und Setting
Die drei Begriffe Drug, Set und Setting zur Beschreibung therapeutischer,
ritueller wie auch meditativer Drogensitzungen wurden in den frühen
60er Jahren des letzten Jahrhunderts von dem Harvard Professor für
Psychologie, Timothy Leary, eingeführt. Der Begriff Set bezieht
sich auf das, was jemand in die Konsumsituation einbringt, so die
persönlichen Erinnerungen, die eigene Lernfähigkeit, das
individuelle Temperament, das vertraute emotionale, ethische und
rationale Wertesystem und vor allem die gestellte Erwartungshaltung
an die Drogenerfahrung. Das Setting bezieht sich auf das soziale,
räumliche und emotionelle Umfeld, das einen vor, während
und nach dem Drogengebrauch umgibt. Der Begriff Drug bezieht sich
auf die Eigenschaften der Drogen, das heißt die rein substanzbezogenen
Gegebenheiten.
1.1.1 Drug Wirkstoff(e) und Dosierung(en)
Der Begriff Droge wird fälschlicherweise häufig mit dem
Begriff Rauschgift gleichgesetzt, obwohl viele bekannte Drogen weder
einen Rausch verursachen noch besonders giftig sind. Gemäß
dem ursprünglichen Sinn des Wortes ist eine Droge eine als
Heilmittel verwendete pflanzliche Substanz.
Eine Substanz ist etwas Stoffliches, woraus etwas besteht, das heißt,
daß man unter Substanz den chemischen Grundbestand versteht,
also die naturwissenschaftlich begründete, zweckfreie Aussage
über die chemische Zusammensetzung eines Stoffes. Ein Mittel
ist etwas, was die Erreichung eines Zieles ermöglicht; das
bedeutet, daß ein Mittel etwas ist, was zur Erreichung eines
Zweckes dient. Substanz ist die zweckfreie Aussage über etwas
(z.B. einen Stoff), ein Mittel ist die soziale oder individuelle
Interpretation des Zwecks der Substanz (genauer: des Zwecks der
Einnahme der Substanz). Schreibt man also einer Substanz einen bestimmten
Zweck zu, so wird die Substanz zum Mittel.
1.1.2 Set Erwartungshaltung, aktuelle Stimmung und Grundbefindlichkeit
Set bezeichnet die innere Grundeinstellung des Konsumenten oder
der Konsumentin sowie dessen oder deren persönliche Erwartung
an die Drogenwirkung als auch dessen oder deren Stimmung bei der
Einnahme der Droge. Der Set bestimmt die Drogenwirkung nicht weniger
als die Drogenart und die Dosierung. Sowohl die guten wie auch die
schlechten Erfahrungen, die jemand mit Partydrogen macht, kommen
letztlich aus einem selbst heraus. Negative Grundstimmungen wie
Angst, Schwäche und Selbstmitleid werden durch die Einnahme
von Partydrogen oft eher verstärkt und verschlimmert, während
positive Gefühle wie Freude, Lust und Glück intensiviert
werden.
Anzeichen für eine eher günstige Prognose eines angenehmen
und beglückenden Erlebens außergewöhnlicher Bewußtseinszustände
sind die Fähigkeit, sich und andere zu akzeptieren, so wie
sie sind. Des weiteren ist die Fähigkeit auf das eigene Wohl
bedacht zu sein ebenso förderlich wie die Fähigkeit zum
existentiellem Handeln und Erleben im Sinne der Selbstverwirklichung.
Die Gewohnheit, Bedürfnisse anderer anzuerkennen und diesen
Bedürfnissen entgegenzukommen und dabei jedem Zwang zum Konformismus
wie auch jedem Drang zum Opportunismus zu widerstehen als auch die
Fähigkeit, sich mit den gegebenen Realitäten gut auseinandersetzen
zu können, sind Eigenschaften, die das Erleben außergewöhnlicher
Bewußtseinszustände mit hoher Wahrscheinlichkeit mit
Freude und Glück erfüllen wird. Dies gilt auch für
eine undogmatische Weltanschauung in Verbindung mit einer vielleicht
als pantheistisch zu nennende Religiosität.
Anzeichen für die Prognose des Erlebens einer angstvollen Ichauflösung
sind im wesentlichen eine emotionale Labilität sowie eine starre
Konventionalität, das heißt eine Abneigung gegen Ungewisses
und Ungewohntes und ein starres Festhalten an Normen und Verpflichtungen.
Die Angst vor allfälligen unangenehmen Erkenntnissen oder Wahrheiten
bezüglich der eigenen Person, die durch einen außergewöhnlichen
Bewußtseinszustand offenbart werden könnten, und die
Angst, daß durch völlig fremdartiges Erleben das ganze
innere Bezugssystem, auf welches sich die Selbst- und Welterfahrung
gründet, seine Gültigkeit verlieren könnte, diese
Angst ist ein signifikanter Indikator für eine sehr große
Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer heftigen angstvollen Ichauflösung
bei einem allfälligen Versuch einen außergewöhnlichen
Bewußtseinszustand zu induzieren.
Je rigider jemand ist, desto eher entwickelt jemand Angst. Der Begriff
Rigidität (lat. rigere starr sein, steif sein)
bezeichnet in der empirischen Psychologie die mangelnde Fähigkeit
eines Menschen, sich angesichts von Veränderungen der objektiven
Bedingungen oder Voraussetzungen von einmal eingeschlagenen Denkmustern
und gewohnten Handlungsweisen zu lösen und andere, der neuen
Situation entsprechende und angemessene zu entwickeln und im Rahmen
der veränderten Bedingungen umzusetzen. Der Rigiditätskoeffizient
(Grad der geistigen Starrheit und Steifheit) eines Menschen ermöglicht
mit recht hoher Wahrscheinlichkeit eine Aussage zu treffen, ob jemand
in einer bestimmten Situation von Angstzuständen befallen wird
und einen Horrortrip durchleben muß oder nicht.
Je größer der Rigiditätskoeffizient ist, desto höher
ist auch die Wahrscheinlichkeit des Auftauchens von Horrorvisionen.
1.1.3 Setting Rahmenbedingungen, Umfeld und äußere
Umstände
Gemeint ist hier das physische, soziale und kulturelle Umfeld, in
dem die Partydrogen konsumiert werden. Jede Veränderung des
Umfeldes wird andere Eigenschaften (Qualitäten) der eingenommenen
Drogen hervorheben oder wieder verschwinden lassen. Wichtig dabei
ist, daß man das Umfeld, in dem die Drogen konsumiert werden,
zuvor bewußt ausgewählt hat und daß man mit seinen
Freunden und Freundinnen vereinbart, aufeinander achtzugeben und
niemanden alleine zu lassen.
Wer ein zwiespältiges Gefühl zur angesagten Umgebung hat,
sollte dort auf gar keinen Fall Drogen konsumieren, die hoch dosiert
sind und stark wirksame psychoaktive Substanzen enthalten. Solche
Drogen sollten nur in einem Umfeld genommen werden, in dem man sich
sicher, geborgen und wohl fühlt.
1.1.4 Drug, Set und Setting herkömmliche Betrachtung
der Trilogie
In der herkömmlichen Betrachtung der Trilogie Drug, Set und
Setting wurde stets determiniert, wie das Set und das Setting für
die Einnahme einer bestimmten Droge oder von mehreren bestimmten
Drogen beschaffen sein muß, damit es möglichst zu keinen
unangenehmen Zwischenfällen kommen wird und damit die Psychonauten
eine möglichst angenehme Reise (Trip) erleben können.
Das Schema der Überlegungen ging gemäß unten stehender
Übersicht von der Droge (Drug) aus.
Drug - Qualität, Quantität und Kombination der eingenommenen
Substanzen
II
Set - Persönliche Befindlichkeit
II
Setting - Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Befindlichkeit
1.1.5 Drug, Set und Setting gesellschaftspolitische Betrachtung
der Trilogie
Der Drogenkonsum wird maßgeblich von kulturellen und politischen
Trends bestimmt. Kaffee war beispielsweise vielerorts in Europa
einst verboten, heute gehört Kaffee in Europa zu den am meisten
konsumierten Drogen. Nur der kulturelle und politische Wandel im
Verlaufe der Jahrhunderte verhalf dem Kaffee zu der heutigen Verbreitung.
Es ist über lange Zeiträume hinweg betrachtet weit weniger
eine Frage der individuellen Entscheidung, welche Droge jemand konsumiert,
sondern eine Frage der gesellschaftlichen Wertung der Drogen. Abweichende
Wertungen von einzelnen Individuen, die sich dem Drogenkonsum der
Massen nicht anschließen wollen und individuell entscheiden,
welche Drogen sie konsumieren, werden von der Massengesellschaft
selten akzeptiert und oft sanktioniert. Nach wie vor scheint die
Gesellschaft hierzulande fest daran zu glauben, daß nur der
traditionelle und massenhaft von den Massen erprobte Drogenkonsum
den Erhalt der gesellschaftlichen Werte gewährleisten kann.
Die Diskriminierung und Ausgrenzung von Konsumenten anderer Drogen
führt jedoch nicht selten zur Verbreitung weiterer neuer Drogen
in diesen und in der Folge auch in anderen Kreisen der Gesellschaft.
Veränderte Rahmenbedingungen und Veränderungen in der
gesellschaftlichen Befindlichkeit führen zu neuen Konsummustern
und neuen Arten des Drogenmischkonsums. Ausgangspunkt der Analyse
ist somit hier nicht die Droge (Drug), sondern das Setting. Somit
kehrt sich die Übersicht um, das Oben wird zum Unten und das
Unten wird zum Oben.
Setting - Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Befindlichkeit
II
Set - Persönliche Befindlichkeit
II
Drug - Qualität, Quantität und Kombination der
eingenommenen Substanzen
1.2 Drogenmischkonsum im Wandel der Zeit
Hier soll keine Abhandlung des Drogenkonsums über die Jahrhunderte
hinweg erfolgen, sondern kurz analysiert werden, wie sich der Drogenkonsum
in bestimmten Szenen nach der Erklärung des War on Drugs der
US-Regierung in den 60er Jahren entwickelt hat und welche Gegebenheiten
auf politischer und kultureller Ebene den Drogenkonsum am meisten
beeinflußt haben.
Der Vietnamkrieg löste in den USA in den 60er Jahren heftige
innenpolitische Reaktionen hervor, die besonders in subkulturellen
Kreisen (Flower-Power-Bewegung, Hippies) mit Leitmotiven wie fuck
for peace und make love, not war propagiert wurden.
In diesen Kreisen wurde viel Haschisch und Gras geraucht und LSD
geschluckt. Auch Meskalin war zu jener Zeit recht verbreitet. Erst
die in der Folge einsetzende Stigmatisierung und Ausgrenzug dieser
Kreise führte zu einem größeren Bedarf an Opiaten.
Jene, die damals am meisten auf gesellschaftliche Ablehnung gestoßen
waren, bildeten die ersten Gruppen von Fixer (junkies).
Andere entflohen der einsetzenden Repression nicht mittels Betäubungsmittel,
sondern reisten nach Indien und suchten ihr Heil bei diversen Gurus.
Meditation und Stärkung der inneren Werte war angesagt. Es
entstanden neue Szenen, u.a. in Goa eine echte Partyszene. Außer
psychedelischen Drogen wie LSD und Zauberpilze wurde dort auch ab
Mitte der 80er Jahre immer häufiger (MDMA) Ecstasy genommen.
Die damaligen Ecstasykonsumenten hatten zumeist vor dem ersten Ecstasykonsum
schon diverse Erfahrungen mit verschiedenen Meditationstechniken
gemacht und kannten die Wirkung von LSD. Vom Set her waren sie somit
weit besser vorbereitet als die meisten Konsumenten von Ecstasy,
die heute in der Klubszene anfangen, diese Droge zu gebrauchen.
Heute beginnen (ohne Berücksichtigung von Alkohol, Tabak und
Haschisch) die meisten der jungen Konsumenten ihren (bewußten)
Drogenkonsum jedoch nicht mehr mit Ecstasy, wie noch in den frühen
90er Jahren, sondern sie machen oft ihre ersten Erfahrungen mit
Leistungsdrogenn wie Amphetamin und/oder Methamphetamin und nicht
mehr mit der Gefühlsdroge Ecstasy. Das Set hat sich aufgrund
des Settings in den letzten Jahrzehnten von Grund auf bei den meisten
jungen Konsumenten völlig geändert. Von amtlichen Stellen
werden nicht mehr soziale Kompetenz propagiert, sondern Werte aus
der kapitalistischen Marktwirtschaft, wie die Einführung des
Begriffes Ich-AG bestens veranschaulicht. Auch hier
hat die Politik zu einem Wandel bei den Mustern des Drogenkonsums
wesentlichen Einfluß ausgeübt.
2 Instrumentalisierte Stigmatisierung und Ausgrenzung
Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in
Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die
meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren Betäubungsmittelgesetze
in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch Flower-Power zum
Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall
immer mehr Hippies sich in freier Natur zu Musikfestivals (open
air and for free) trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze,
Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären
gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte
der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf
gegen diese neue Jugendkultur auf.
Durch von der Bundesregierung bereitwillig geförderten und
gesteuerten breit angelegten Kampagnen in den Massenmedien wurde
die Bevölkerung Ende der 60er Jahre und zu Beginn der 70er
Jahre mit den aberwitzigsten Horrormeldungen bezüglich einer
gigantischen Drogenwelle, die auf Europa überschwappte, bombadiert.
Ein konkretes Wissen über Drogen ist durch diese Kampagnen
jedoch kaum vermittelt worden. Die Meldungen waren häufig suggestiv
konzipiert und einseitig tendenziös ausgelegt, um in demagogischer
Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst völlig harmlose
Haschischraucher wurden häufig als kriminelle Rauschgiftsüchtige
diskreditiert.
2.1 Staatsterror gegen Drogengebraucher und diverse Szenen
In Deutschland fühlten sich die konservativen bürgerlichen
Kräfte (Bourgeoisie) nicht nur durch die Hippies und anderen
Drogenkonsumenten bedroht, sondern vor allem auch durch die politisch
aktive Studentenbewegung. Die Studenten protestierten nicht nur
gegen die skandalöse Überfüllung der viel zu kleinen
Universitäten, sondern besonders auch gegen den zunehmenden
Leerstand von Villen und Häusern, die raffgierige Spekulanten
verfallen ließen um eine Abrißgenehmigung zu erzwingen
um dann auf den Grundstücken bessere Renditeobjekte errichten
zu können. Es herrschte jedoch große Wohnungsnot und
so wurden viele dieser Häuser besetzt. Auch protestierten die
Studenten gegen die Politik der USA, die in Vietnam einen Vernichtungskrieg
gegen die Bevölkerung mit Napalmbomben führte und gegen
Präsident Nixon, der immer wieder den War on Drugs
(Krieg gegen Drogen) aufs neue proklamierte.
Eine bemerkenswerteste Randgruppe dieser Zeit waren die umherschweifenden
Haschrebellen, eine herzlich undogmatische Gegenposition zu
den ideologisch getrimmten Linksintellektuellen aus der Studentenbewegung.
Gegründet wurde dieser heitere und stets chaotische Haufen
von Georg von Rauch, Thomas (Tommy) Weißbecker und Bommi
Baumann. Georg lieferte das Motto: High sein, frei sein, Terror
muß dabei sein. Mit Terror hatten die Aktionen dieser
Sponti-Vorläufer eigentlich wenig zu tun, glichen doch ihre
zeit- und sozialkritische Vorstellungen eher den Darbietungen eines
Kabarett, doch schon der Wahlspruch ließ Behörden und
Öffentlichkeit hysterisch reagieren und dies mit tödlichen
Folgen, denn am 4. Dezember 1971 wurde der unbewaffnete Georg von
Rauch bei einer Fahndungsaktion in Berlin-Schöneberg in der
Eisenacher Straße Ecke Fuggerstraße von der Polizei
erschossen. Dies geschah während einer Personenkontrolle, die
gemeinsam von Polizei und Verfassungsschützern durchgeführt
worden ist, als von Rauch mit erhobenen Händen an einer Hauswand
gestanden hatte und nach Waffen durchsucht worden war. Dennoch behauptete
die Polizei, daß der Schuß durchs Auge, der von einem
Beamten in Zivil aus nächster Nähe abgefeuert wurde, in
Putativnotwehr (Abwehrhandlung in der irrtümlichen
Annahme, die Voraussetzungen der Notwehr seien gegeben) erfolgte.
Einige Wochen später, am 2. März 1972, wurde in Augsburg
Thomas Weißbecker auf offener Straße durch einen Schuß
in den Rücken (Herzschuß) getötet. Das Ermittlungsverfahren
gegen den Polizeischützen, der aus drei Metern Entfernung schoß,
wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg mit der
Begründung Notwehr eingestellt.
2.2 Das BtMG als Mittel zum Zweck der Repression
Das Betäubungsmittelgesetz war seit Ende der sechziger Jahre
für die Behörden ein Instrumentarium (Mittel zur Durchführung
einer Tätigkeit und Erreichung eines Zieles) zur Zerschlagung
politisch und/ oder kulturell unliebsamer Szenen, wobei die Art
der dort konsumierten illegalisierten Drogen und der Grad der dort
aufgetauchten sogenannten kriminellen Energie bei der Wahl der getroffenen
Maßnahmen nur von nachrangiger Bedeutung war. Bis 1966 lag
die Zahl der jährlich erfaßten Tatverdächtigen wegen
Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), das
damals noch Opiumgesetz hieß, in der Bundesrepublik Deutschland
deutlich unter 1.000. Erst im Jahr 1967, als Benno Ohnesorg von
der Polizei erschossen wurde, registrierten die Behörden über
1.000 Tatverdächtige. Vier Jahre später, 1971, als der
Mitbegründer der umherschweifenden Haschrebellen,
Georg von Rauch, in Berlin von der Polizei erschossen wurde, registrierten
die Behörden bereits über 20.000 Tatverdächtige.
Auch im darauf folgenden Jahr, 1972, als Thomas Weißbecker
in Augsburg von der Polizei hinterrücks auf offener Straße
erschossen wurde, lag die Zahl der Tatverdächtigen wegen Verstoßes
gegen das BtMG weit über 20.000. In den darauf folgenden Jahren
nahm dieses Zahl jährlich stetig zu.
3 Die Folgen der Entführung von Tim Leary in Kabul
Im Zweiten Weltkrieg blieb Afghanistan neutral, wies aber 1941 auf
alliierten Druck hin die Deutschen aus. Seit 1955 standen die USA
und die UDSSR (Sowjet-Union) in starker Konkurrenz um den Einfluß
in Afghanistan.
3.1 Tim Learys Flucht aus den USA in die Schweiz
In den sechziger Jahren entwickelte sich Afghanistan zu einem der
beliebtesten Reiseziele der Hippies. Gutes Haschisch und eine gastfreundliche
Bevölkerung in einer unzerstörten und malerisch schönen
Gebirgslandschaft lockten viele junge Europäer und Amerikaner
aus den alternativen Szenen in das Land. Einer dieser Amerikaner
war der Bewußtseinsforscher Timothy Leary, der wegen seiner
Werbung für den Drogenkonsum von US-Präsident Richard
Nixon als der gefährlichste Mann Amerikas bezeichnet
wurde. Leary war eine Kultfigur der amerikanischen Flower-Power-Bewegung
und wurde auf deren Höhepunkt 1966 wegen Besitzes von einer
geringen Menge Marihuana in den USA zu 30 Jahren Gefängnis
verurteilt. Das Strafmaß wurde später auf zehn Jahre
herabgesetzt, doch Leary floh aus dem kalifornischen Staatsgefängnis
bei San Luis Obispo. Seine Odysee führte ihn nach Algerien
und dann erstmals in die Schweiz, wo er von Mai 1971 bis November
1972 verweilte. Die USA stellten einen Auslieferungsantrag für
Leary an die Schweiz, doch der damalige schweizerische Justizminister
Kurt Furgler erklärte nach gerichtlicher Prüfung des Falles,
daß eine zehnjährige Strafe für zwei Joints weit
überrissen sei und deshalb die gesetzliche Grundlage für
eine Auslieferung fehle.
3.2 Tim Learys Entführung und die politischen Folgen
Leary reiste im Dezember 1972 von der Schweiz über Österreich
nach Kabul, wo er die traditionsreiche Hanfkultur Afghanistans kennen
lernen wollte, doch er wurde bei seiner Ankunft im Januar 1973 auf
dem Flughafen von Kabul nach Kidnapping-Manier von der amerikanischen
(!) Polizei verhaftet und sogleich in die USA entführt und
dort wieder im Gefängnis eingesperrt. Nach dem Rücktritt
Nixons im Jahr 1974 wurde er Anfang 1977 vorzeitig aus der Haft
entlassen.
Die USA konnten das völkerrechtswidrige Kidnapping von Leary
auf dem Flughafen von Kabul nur dank einer gewaltigen Bestechungsaktion
im Kreise hoher afghanischer Regierungsbeamten bewerkstelligen.
Die Aktion der USA entwickelte sich vom Skandal zu einer Staatsaffäre
und führte zu einer handfesten Regierungskrise mit der Folge,
daß der König Zahir Schah abdanken und mit seinen Getreuen
ins Exil mußte. Zahir Schah floh nach Neapel in Italien, wo
er sich niederließ. Die Flucht des Königs und seiner
Familie sorgten in Afghanistan für heftige Unruhen mit der
Folge äußerst instabiler politischer Verhältnisse,
die zu einem über Jahrzehnte dauernden Krieg führten.
3.3 Opium statt Haschisch Schmerzlinderung statt Genußoptimierung
Vor der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1987 und dem
darauffolgenden Krieg wurde in Afghanistan vornehmlich Hanf angebaut,
wohingegen Mohn nur in wenigen Provinzen angebaut wurde. Zehn Jahre
Krieg haben ein beträchtliches Anwachsen der Mohnproduktion
bewirkt, weniger aus Gründen des Waffenbedarfs der Mudschaheddins
als aufgrund der fehlenden territorialen Kontrolle einer Zentralregierung.
Die Gegner des Regimes erhielten nämlich erhebliche Mengen
an Waffen, so daß sie eigentlich keine Drogengelder benötigten,
um sich diese zu verschaffen. Pro Jahr unterstützten die USA
die Mudschaheddins während den zehn Kriegsjahren mit durchschnittlich
300 Millionen Dollar, wohingegen die bäuerlichen Produzenten
im selben Zeitraum nur für etwa 20 Millionen Dollar Opium verkauften.
Opium wurde damals nicht in erster Linie für den Export angebaut,
sondern diente als Mittel zu Linderung der durch die Unruhen und
den Krieg verursachten Leiden im eigenen Land.
Als die Sowjets in Afghanistan einmarschierten, betrug die jährliche
Opiumproduktion etwa 200 Tonnen. Zum Zeitpunkt des Abzuges der Sowjettruppen
1989 betrug die Produktion bereits gut 1.000 Tonnen. Da nach dem
Abzug der Besatzungstruppen dem Konflikt die weltpolitische internationale
Qualität fehlte, blieben die Zahlungen aus den USA weitgehend
aus, so daß die Bevölkerung in dem armen und vom Leid
geplagten Afghanistan auf neue Einnahmequellen angewiesen war. Da
Opium auf dem Weltmarkt ein gefragtes Produkt war, verdoppelte sich
die Opiumproduktion innerhalb von drei Jahren auf über 2.000
Tonnen in 1991. In den Folgejahren stieg die jährliche Opiumproduktion
sogar auf weit mehr als 4.000 Tonnen. Das kriegszerstörte Afghanistan
ist heute der größte Opiumproduzent auf der Welt. Ohne
Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Afghanistans
wäre das Land heute vermutlich immer noch ein Haschisch exportierendes
Land und nicht zum Weltmarktführer auf dem Opiummarkt geworden.
4 Schlußbemerkungen
Das Drogenproblem kann nicht mit repressiven Maßnahmen
gelöst werden ja repressive Maßnahmen führen
nicht selten zu neuen Formen des Mischkonsums und zu einer Verschlimmerung
des Problems. Auch Drogenberatungsstellen und Betreuungseinrichtungen
können das Drogenproblem nicht lösen. Sie
vermögen zwar erfolgreich im Einzelfall für Linderung
sorgen, doch an den Ursachen der Bedürfnisse zum Drogenkonsum
ändert das wenig.
Nur politische, gesamtgesellschaftliche Maßnahmen, die für
den einzelnen Menschen das Leben echt lebenswert machen und dem
einzelnen Menschen eine positive Perspektive geben, vermögen
den als Problem angesehenen Drogenkonsum in Bahnen lenken, so daß
das Bedürfnis nach Drogen und die Befriedigung dieses Bedürfnisses
nicht mehr zum gesellschaftlichen Problem eskaliert.
Die Drogenprobleme wurzeln nicht in den Eigenschaften der Drogen,
sondern in der Art und Weise, wie wir mit Drogen umgehen.
Vortrag von Hans Cousto - 21. Februar 2004 - anläßlich des Sonics-Cybertribe-Netzwerk-Treffens in Berlin.
Eve & Rave - DroGenKult.net - Sonics-Cybertribe-Netzwerk
Dank an Hans Cousto.
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