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Ynestra King:
ÖKOFEMINISMUS
Das ABC des Ökofeminismus
Alle menschlichen Lebewesen sind natürliche Lebewesen. Trotz
dieser Einsicht basiert unsere Kultur auf Umweltverschmutzung und
der Herrschaft über die Natur. Da die Frauen nach Ansicht der
patriarchalen Kultur mit der Natur mehr verbunden sind als die Männer,
ist dieser Aspekt für sie von besonderer Bedeutung. Sie haben
ein besonderes Interesse daran, der Herrschaft über die Natur
ein Ende zu setzen und die Entfremdung zwischen Mensch und Natur
aufzuheben. Dies ist auch das eigentliche Ziel der Ökobewegung,
die aber nicht notwendigerweise feministisch ist.
Der größte Teil der ÖkologInnen, die sich für
die nichtmenschliche Natur engagieren, hat noch nicht begriffen,
daß die Aufhebung der Herrschaft über die Frau auch in
ihrem Interesse liegt. Sie übergehen die Tatsache daß
die Unterdrückung der Frau wegen ihrer Verbindung zu dieser
verhaßten Natur, für welche sie sich einsetzen, praktiziert
wird. Sexismus und Naturhaß sind auf's Engste miteinander
verbunden und schüren sich gegenseitig. In diesem Wissen analysieren
wir die Motive, nach denen Feminismus und Ökologie nicht getrennt
werden können und bestimmen die theoretische Grundlage eines
ökologischen Feminismus oder auch Ökofeminismus.
Ökologie als Wissenschaft untersucht die Wechselbeziehungen,
in denen alle Lebensformen zueinander stehen, mit dem Ziel, die
menschliche und die nichtmenschliche Natur miteinander in Einklang
zu bringen. Als integrative Wissenschaft im Zeitalter der Fragmentierung
und Spezialisierung bildet sie das Fundament und formuliert die
Notwendigkeit einer Kritik an der aktuellen Gesellschaft. Als rekonstruierende
Wissenschaft zeigt sie eine mögliche Richtung zum Wiederaufbau
der menschlichen Gesellschaft in Harmonie mit der natürlichen
Umgebung auf.
Was ist soziale Ökologie?
Die soziale Ökologie sieht sich vor die Frage gestellt, wie
wir auf diesem Planenten überleben können und wie wir
Lebensmittel-, Energiegewinnungssysteme, Architektur- und Lebensformen
entwickeln können, die unsere materiellen Bedürfnisse
befriedigen, und uns gleichzeitig erlauben, in Harmonie mit der
nicht-menschlichen Natur zu leben. Aufgrund dieser Perspektive formulieren
einerseits Biologlnnen ihre Kritik im Bereich der Sozialwissenschaften
und stellen andererseits SoziologInnen Untersuchungen im Bereich
der Bio- und Ökologie an. Diese Anschauung, die bewußt
versucht, biologische und soziale Aspekte in die Beziehung zwischen
Lebewesen und Umwelt zu integrieren, wird bekanntlich Soziale Ökologie
genannt. Soziale Ökologie, vor allem durch Murray Bookchin
entwickelt, basiert auf der anarchistischen Theorie, nach der Herrschaft
und Hierarchie in der menschlichen Gesellschaft auch die Zerstörung
der nicht-menschlichen Natur bedingen. Diese Analyse ist zweifellos
äußerst wichtig, dennoch wird soziale Ökologie ohne
den Aspekt des Feminismus nie vollständig sein.
Feminismus legt die Fundamente für diese Herrschaftskritik,
indem das Muster einer anderen Herrschaftsform aufzeigt wird: jene
des Mannes in seiner Beziehung zur Frau. Feminismus schafft damit
eine potentiell konkrete, globale Interessengemeinschaft für
jene Personen, die sich in höherem Maße dem Leben zuwenden:
die Frauen. Die feministische Analyse liefert die Theorie, das Programm
und den Prozeß, ohne welche die Radikalitat der sozialen Ökonomie
gedämpft bleibt. Ökofeminismus entwickelt den Zusammenhang
zwischen Ökologie und Feminismus, ohne welchen die soziale
Ökonomie nicht auskommt, wenn sie eine freie, ökologische
Lebensform realisieren will.
Was sind das für Zusammenhänge? Die soziale Ökonomie
bestreitet das dualistische Weltbild, nach dem Natur und Kultur
separate und gegensätzliche Wesenswerte sind. An der Wurzel
dieses Gegensatzes steht nach ökofeministischer Auffassung
der Sexismus. Die Prinzipien des Ökofeminismus basieren auf
den folgenden Überzeugungen:
1. Die Entwicklung der westlichen Industriezivilisation, die sich
im Gegensatz zur Natur befindet, steht in dialektischer Wechselbeziehung
zur Unterdrückung der Frau und verstärkt diese, weil die
Frauen naturnäher eingestuft werden. Ökofeminismus kämpft
daher ums Überleben der ganzen natürlichen Welt.
2. Das Leben auf der Erde ist ein dichtes Netz von nicht-hierarchischen
Wechselbeziehungen. Es gibt keine natürlichen Hierarchien,
sondern nur Projektionen der menschlichen Hierarchie auf die Natur,
die benötigt werden, um die soziale Herrschaft zu rechtfertigen.
Die ökofeministische Theorie untersucht daher alle Herrschaftsformen,
auch die Herrschaft aber die Natur. Ökofeministische Praxis
ist notwendigerweise antihierarchisch.
3. Ein gesundes, ausgeglichenes Ökosystem, das menschliche
und nicht-menschliche Lebewesen umfaßt, muß die Vielfalt
bewahren. Vom ökologischen Standpunkt aus gesehen, ist die
Vereinheitlichung der Umwelt ein ebenso gewichtiges Problem wie
die Verschmutzung. Der biologischen Vereinheitlichung, d.h. der
Eliminierung von ganzen Arten entspricht auf der anderen Seite die
Entpersonalisierung der ArbeiterInnen, und somit die Eliminierung
der menschlichen Vielfalt bzw. die Vereinheitlichung des Geschmacks
und der Kultur durch den Massenkonsum.
Den Ansprüchen der Konsumgesellschaft zufolge wird das menschliche
und natürliche Leben buchstäblich auf eine anorganische
Ebene reduziert. Nötig ist daher eine globale, dezentralisierte
Bewegung, die auf gemeinsamen Interessen basiert und dennoch die
Vielfalt hervorhebt, und sich jeder Form von Herrschaft und Gewalt
entgegenstellen wurde. Möglicherweise kann der Ökofeminismus
diese Rolle erfüllen.
4. Die Sicherung des Überlebens aller Arten erfordert ein
neues Bewußtsein von unserer Beziehung zur Natur, unserem
Körper und der nicht-menschlichen Natur, die uns umgibt. Sie
erfordert eine Diskussion des Dualismus Natur - Kultur und konsequenterweise
eine Neustrukturierung der Gesellschaft nach feministischen und
ökologischen Prinzipien.
Die Ökobewegung versucht theoretisch und praktisch für
die Natur zu sprechen, für das Andere, das keine
Stimme hat, und in unserer Zivilisation nicht in subjektiven Begriffen
erfaßt wird. Feminismus, auf der anderen Seite, repräsentiert
die Verweigerung des Stillschweigens jener, die seit Beginn des
Patriarchats als das Andere betrachtet wurden, und die
sich nun gleichzeitig weigern, weiterhin als das Andere
zu gelten. Ihre Verurteilung der sozialen Herrschaft geht weit über
das Problem der Geschlechter hinaus und betrifft jede Art von Herrschaft,
da sich die sexuelle Herrschaft, die Rassen-, die Klassenherrschaft
und die Herrschaft über die Natur gegenseitig verstärken.
Die Frauen sind der andere Teil der menschlichen Gesellschaft,
der bisher geschwiegen hat und de jetzt durch die feministische
Bewegung spricht.
Frauen, Natur und Kultur
Die westliche Industriezivilisation betrachtet die Natur als Etwas,
das es zu beherrschen und besiegen gilt, die sich den Bedürfnissen
des Mannes zu versklaven hat. Die Natur ist ihrer magischen Mächte
und deren Attributen entkleidet und auf einen Komplex von natürlichen
Ressourcen reduziert worden, den die Menschen auszubeuten
hatten, um ihre Bedürfnisse und Zwecke zu erreichen, die im
Gegensatz zur Natur definiert werden. Mit dem Niedergang der alten
Religionen behauptete sich das dualistische Christentum. Mit der
Entzauberung der Natur wurden Bedingungen für wissenschaftliche
Forschungen und unkontrollierte technologische Ausbeutung geschaffen.
Heute leiden wir unter den Konsequenzen des blinden Glaubens an
die unbeschränkte Fähigkeit der Wissenschaft, jegliche
Probleme lösen zu können: Atomanlagen werden gebaut, ohne
die Beseitigung der Abfälle vorzusehen, Satelliten werden inden
Weltraum geschossen, ohne ihre möglichen Auswirkungen abgeklärt
zu haben.
Auf diese Weise wurde die Natur zum Anderen gemacht,
das sich wesentlich vom Herrschen den unterscheidet, das auf ein
Objekt reduziert und so unterdruckt werden konnte. Auf dieselbe
Art sind die, mit der Natur identifizierten, Frauen zu Objekten
reduziert und in der patriarchalen Gesellschaft unterdrückt
worden. In diesem Sinne sind Natur und Frauen andere.
Simone de Beauvoir hat diese Beziehung bereits 1968 geklärt:
Für sie ist die Transzendenz ein Werk der Kultur,
ein Werk des Mannes. Als Prozeß, der darauf abzielt, in der
Immanenz seine Vernünftigkeit zu beweisen, ist
es ein Prozeß kulturell begründeter Herrschaft über
die Natur. Die Immanenz wird dabei von den Frauen symbolisiert,
als das, was die Männer heimruft, was sie aber auch an die
Dinge erinnert, die sie verdrängen machten.
Dies sei vor allem die Sterblichkeit des Mannes, an die die Natur
und die Frauen andauernd gemahnen. Deshalb wird die Gebärfähigkeit
der Frau klar getrennt von der schöpferischen Kraft, den Kreationen
der Kultur, mit denen der Mann seine Unsterblichkeit erreichen machte.
Dennoch gelingt es ihm nie, sich vollständig über Frau
und Natur zu erheben. Daher die Ambivalenz des anderen, diese Abhängigkeit
des Ich vom Anderen, sei es nun materiell oder emotional. (...)
Ein wichtiger Beitrag im Werk Simone de Beauvoir's besteht darin,
aufgezeigt zu haben, daß der Mann Frau und Natur nicht nur
aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus psychologischen
Motiven beherrschen will. Nur so gelingt es ihm, einen Teil von
sich selbst zu negieren. Dieser Prozeß beginnt mit der gewalttätigen
Unterdrückung jeglicher Zärtlichkeit und Empathie bei
den Kindern, deren natürliche Neugier und Freude in Arroganz
und Destruktivität umgewandelt werden.
Der verleugnete Teil des Mannes kann aber nie ganz ausgelöscht
werden. Eine Erinnerung davon bleibt ihm durch das Bewußtsein
seiner Sterblichkeit und in der Angst vor der weiblichen Macht erhalten.
Die mühsam aufrechterhaltene sexuelle Identitat ist prinzipiell
zerbrechlich und die Angst davor kommt jedesmal zum Vorschein, wenn
die künstliche Wahrheit über Männer und Frauen zur
Diskussion gestellt wird, sei es durch Emanzipationsbestrebungen,
Homosexualität oder Lesbianismus (...)
Durch das Anerkennen der Beziehungen zwischen Frau und Natur, und
der Position der Frau als Vermittlerin zwischen Natur und Kultur
werden dem Feminismus drei mögliche Wege geöffnet. Der
erste fuhrt zur Integration der Frauen in die Welt der Kultur und
Produktion zum Preis der erneuten Trennung zwischen Frau und Natur
(...). Diese Position stellt den Dualismus Natur - Kultur an sich
nicht zur Diskussion und wurde vom größten Teil der sozialistischen
Feministinnen wie auch von de Beauvoir und Ortner, vertreten, obwohl
diese beiden, die Bejahung zwischen Frau und Natur gründlich
analysiert haben. Ohne die Aufkündigung der kulturellen Verbindung
mit der Natur konnte in ihren Augen keine Befreiung der Frau stattfinden.
Andere Feministinnen haben sich später auf die Beziehung zwischen
Frau und Natur berufen, oder genauer, auf das Spirituelle und Intuitive,
das sich dem Mann und der rationalen patriarchalen Kultur entgegenstellt.
Auch diese Position stellt nicht notwendigerweise den Dualismus
Natur - Kultur in Frage. Genausowenig erkennt sie, daß die
ökologische Sensibilität und die Orientierung der Frauen
am Leben Perspektiven für die Sozialisierung im Alltagsleben
sein könnten. Es gibt keinen Anlaß zu glauben, daß
sich Frauen in einer patriarchalen Machtposition anders verhalten
wurden als Männer. Ohne fundiertes Geschichtswissen und ohne
daß wir uns mit den existierenden ökonomischen und politischen
Machtstrukturen messen, werden wir nie eine feministische Revolution
durchfuhren können.
Ökofeminismus zeigt einen dritten Weg auf: der Dualismus Natur
- Kultur ist zwar ein kulturelles Produkt. Trotzdem können
wir uns bewußt für die Nicht-Aufhebung der Beziehung,
die zwischen Frau und Natur besteht, entscheiden, und uns so mit
der männlichen Kultur vereinigen. Wir könnten diesen Widerspruch
sogar zu unserem Vorteil ausnutzten, um eine andere Art von Kultur
und Politik zu realisieren, die Formen von intuitivem, spirituellem
und rationalem Bewußtsein integriert; die sowohl aus der Wissenschaft,
wie auch aus der Magie schöpfen wurde, und so die Aufsplitterung
zwischen Natur und Kultur aufhebt, um eine freie und ökologische
Gesellschaft zu planen und zu verwirklichen. (...) Indem wir so
alle Theorien und Strategien mit einer bewußt ökologischen
Vision konfrontieren, formulieren wir unsere feministische Kritik
an dieser tödlichen Kultur der Quantifikation, der Abstraktion (Adrienne Rich).
Direkte Aktion und Ziviler Ungehorsam
Die Ökologie kommt ohne feministische Vision nicht weiter...
All die ÖkologInnen und männlichen Sozialen Ökologen,
die sich nicht mit dem Problem des Sexismus, d.h. mit der tiefen
Verankerung des Hasses auf die Natur in ihrem eigenen Leben auseinandersetzen,
zeigen, daß sie sich selbst nicht auf die ökologische
Gesellschaft zubewegen, die sie verwirklichen wollen (...) Das doppelte
Engagement des Ökofeminismus ermöglicht auch, die notwendigen
ethischen Normen für die Beurteilung anstehender Entscheidungen
bei technologischen Fragen zu definieren. (...)
Ökofeminismus übernimmt die feministische Theorie, nach
der die Herrschaft über die Frau den Ausgangspunkt für
jegliche Art von Herrschaft, Hierarchie der Grade, Klassen und politischer
Macht bildet. Ökofeminismus bedient sich der Ökologie,
um aufzuzeigen, daß, wenn es in der Natur keine Hierarchien
gibt, es auch keine natürlichen Hierarchien unter
Menschen gibt. Wir leben auf einem Planenten, der von Millionen
von Lebewesen bewohnt ist, die Menschen sind nur eine Spezies unter
vielen. Als einzige nehmen sich die Menschen in ihrer patriarchalischen
Organisierung das Recht, über die anderen Lebenwesen und sogar
über den ganzen Planenten zu herrschen. Paradoxerweise sind
die Menschen in allem und jedem von der nicht-menschlichen Natur
abhängig. Ohne den Rest der Natur konnten wir nicht leben,
die Natur hingegen könnte sehr gut ohne uns auskommen.
Der Erkenntnis der ökologischen Wissenschaft von der Einheit
in der Verschiedenheit gibt der Ökofeminismus eine politische
Ausrichtung. Die Vielfalt der Natur ist die notwendige Voraussetzung
von Reichtum überhaupt. Eine der wichtigsten Auswirkungen der
industriellen Technologie, ob in kapitalistischen oder sozialistischen
Zusammenhängen ist die Vereinheitlichung der Umwelt. Viele
Arten werden einfach ausgemerzt, verschwinden für immer. Der
reale Sozialismus treibt diesen internationalen VereinheitlichungsprozeB
noch weiter voran - diesselben Produkte können überall
für alle kommerzialisiert werden. Dies bietet uns die Aussicht,
daß wir alle gleich werden sollen, mit denselben Bedürfnissen
und Wünschen auf der ganzen Welt: Coca Cola in China, Blue
Jeans in der Sowietunion, amerikanische Rockmusik beinahe überall
. . .
Als soziale Bewegung widersetzt sich der Ökofeminismus auch
dieser sozialen und kulturellen Vereinheitlichung, und mißt
den vielfachen Unterschieden unter den Frauen in der ganzen Welt
besondere Bedeutung bei, obwohl er eine Gemeinsamkeit bei diesen
Unterschieden verfolgt und sich jeder unterdrückenden Trennung
widersetzt, die auf Privilegien, Klassen- oder Rassenunterschieden
basiert.
Die Botschaft des Ökofeminismus ist diese: Solange die Frauen
aufgrund der sozialen Herrschaft und der Herrschaft über die
Natur leiden werden, muß auch der größte Teil des
Lebens auf der Erde leiden und wird bedrobt sein (...). Der Ökofeminismus
strebt eine harmonische, differenzierte und dezentralisierte Gesellschaft
an, in der ausschließlich solche Technologien angewandt werden,
die auf ökologischen Prinzipien basieren. (...)
Ökofeministische Kultur und Politik äußert sich
in Ideen und Aktionen. Die Ökofeministinnen bedienen sich der
direkten Aktion, um plötzliche und persöhliche, aber auch
langzeitige und strukturelle Veränderungen zu erreichen. Dies
bedeutet, z.B. zu lernen, sich nach ganzheitlichen Methoden zu pflegen
und zu heilen sowie alternative ökologische Technologien anzuwenden;
das bedeutet, in Gemeinschaften zu leben, alte und neue Formen von
Spiritualität zu erforschen, und so das Leben in einer Serie
natürlicher Vielfalt zu zelebrieren; es bedeutet, sich über
die ökologischen Konsequenzen unseres Lebensstils und unserer
Gewohnheiten bewußt zu werden; und schließlich bedeutet
es, an verschiedenen Formen von öffentlich-kreativem Widerstand
teilzunehmen, miteingeschlossen ist der gewaltfreie zivile Ungehorsam.
Für einen feministischen Antimilitarismus
In den letzten 3 Jahren habe ich aktiv an der antimilitaristischen ökofeministischen Bewegung in den USA teilgenommen. Daher ist
das, was folgt eine direkte Zusammenfassung eines Beispiels aus
unserer Praxis.
Die Verbindungen, die zwischen der Gewalt gegen Frauen, einer militarisierten
Kultur und der Entwicklung und Anwendung nuklearer Waffen bestehen,
ist bereits seit geraumer Zeit den pazifistischen Feministinnen
klar. Militarismus und Waffenindustrie bedeuten für uns die
unmittelbarste Bedrohung des Weiterlebens auf der Erde. Die ökologischen
Auswirkungen aller anderen Technologien bilden dagegen eine Bedrohung
auf längere Sicht. Daher ist der Militarismus für viele
Ökofeministinnen das zentrale Problem geworden. Wir haben die
bisherigen Aktionen pazifistischer Feministinnen analysiert und
als Konsequenz damit begonnen, die eigene politische Praxis auf
der direkten Aktion und dem gewaltfreien Widerstand aufzubauen
Die ökofeministische Analyse des Militarismus bezieht sich
auf die Militarisierung der Kultur und die ökonomischen Prioritaten
der Waffenfinanzierung als ein Produkt unserer patriarchalen Kultur,
die Gewalt auf allen Ebenen ausdruckt. Unsere Freiheit und unser
eigenes Leben ist bedroht, auch wenn kein Krieg stattfindet und
die atomaren Waffen nicht gebraucht werden. Wir haben versucht zu
klaren, in welcher speziellen Art die Frauen Opfer des Krieges sind,
wenn sie zur Beute des Siegers werden; wenn sie Flüchtlinge
werden; wenn die behinderten Frauen, die Alten und die jungen Mutter
sich auf öffentliche Hilfe nicht mehr verlassen können,
weil die Gelder gekürzt werden... Wir verbinden die Angst vor
der atomaren Zerstörung mit der alltäglichen Angst vor
der Gewalt des Mannes.
Für die Ökofeministinnen spiegelt die militärische
Technologie etwas von der Vergewaltigung, dem Genozid, dem Imperialismus,
der Hungersnot und der Obdachlosigkeit wieder, von der Vergiftung
der Umwelt, dem terrorisierten Leben aller Menschen auf der Erde
und speziell dem der Frauen. Die militärischen und staatlichen
Hierarchien einigen und starken sich gegenseitig durch die militärische
Technologie.
Es wurden Aktionen am Pentagon in den USA und an den militärischen
Einrichtungen in Europa organisiert. Die Women's Pentagon Action,
ursprünglich als ökofeministische Konferenz konzipiert
hat seither schon zweimal stattgefunden, am 16./17.11.1980 und am
15./ 16.11.1981. Im ersten Jahr haben ca. 2000 Frauen teilgenommen
und im zweiten Jahr waren es mehr als doppelt soviel. Ich habe an
der Projektierung beider Aktionen teilgenommen und mit den anderen
Organisatorinnen haben wir Wert darauf gelegt, daß die Aktionen
alle Aspekte unserer Politik reflektieren wurden. Übrigens
gab es weder Sprecherinnen noch leaders. Die Aktionen hatten zum
Ziel, die Verbindungen zwischen dem militärischen Problem und
anderen öko-feministischen Problemen aufzuzeigen.
Vom 12.-14.6.1982 während einer Demo für die Abrüstung
in New York, marschierte unsere Gruppe - eine gigantische Weltkarte
schwingend - mit dem Slogan: Eine feministische Welt ist eine
atomwaffenfreie Zone. Andere Transparente hatten Slogans wie
Krieg wird von Männern gemacht, Es reicht
mit der Gewalt in unserem Leben und Entwaffnen wir das
Patriarchat. (...)
Weitere Beispiele sind die Aktionen der Frauen von Greenham Common,
GB. All diese politischen Aktionen aus der Kultur der Frauen: sie
verkörpern das beste der lebensspendenden Sozialisation der
Frauen, sie basieren auf den Unterschieden zwischen den verschiedenen
Frauen, sind antihierarchisch in kleinen Gruppen organisiert mit
großer visueller und emotioneller Erfindungsgabe, und schließlich
verfolgen sie eine Integration der Probleme.
Damit der Wettlauf um die Aufrüstung gestoppt werden kann,
benötigen wir eine, auf Einzelpersonen ausgerichtete, dezentralisierte
Kultur und Politik der direkten Aktion. Da die Waffen und die Kriegsindustrie
nur dank dem männlichen Haß gegenüber den Frauen
und der Natur existieren, sind die Probleme der Abrüstung und
der Bedrohung durch einen möglichen Atomkrieg feministische
Probleme. Es sind die menschlichen und ökologischen Probleme
schlechthin. Und so vereinigt sich die Öko-, die Frauenbewegung
und die Befreiung der gesamten Natur, uns dabei mit eingeschlossen.
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