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YA BASTA
Einladung zur Rebellion
- Manifest vom Ya Basta Netz
- Das Ya basta-Netz
- Ya basta - es reicht!
- Politik
- Preguntando caminamos - fragend gehen wir voran!
- Für eine Welt der vielen Welten
- Hoffnung
- Solidarität
- Globalisierung der Widerstände
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EINLADUNG ZUR REBELLION
- MANIFEST VON YA BASTA - NETZ -
Am 1.1.1994 begann der Aufstand der Zapatistischen Armee der nationalen
Befreiung (EZLN) in Chiapas, Mexiko, Planet Erde, als gleichzeitig
das Land dem sogenannten Nordamerikanischen Freihandelsabkommen
(NAFTA) beigetreten wurde. Der Aufstand der Zapatistas richtet sich
vor allem gegen die Ausbeutung, den Rassismus und die Marginalisierung
der indigenen und ländlichen Bevölkerung. Nach einer 14-tägigen
militärischen Auseinandersetzung mit der Bundesarmee folgte
eine lange Phase der Verhandlungen, die ohne befriedigendes Ergebnis
blieb. Die Zapatistas verstärkten ihre Selbstorganisierung.
Sie besetzten Großgrundbesitz, bauten eigene Schulen und ein
Krankenhaus, politische und kulturelle Zentren und entwickelten
eigene, basisdemokratische Verwaltungsstrukturen. Heute verwirklichen
autonome Gemeinden, Landkreise und die "Räte der guten
Regierung" eine weitgehende Autonomie. Die Antwort der mexikanische
Regierung ist ihr schmutziger "Krieg niederer Intensität",
der in Massakern an der Zivilbevölkerung gipfelt.
1996 lud die EZLN alle Widerständigen dieser Welt zum Ersten
Intergalaktischen Treffen in den lakandonischen Urwald ein, um sich
gegen den Neoliberalismus und für die Menschheit zu vernetzen.
Zur Vorbereitung dieses Treffens fand im Juni 1996 ein europäisches
Treffen in Berlin statt. Aus der Vor- und Nachbereitung dieser beiden
Treffen entstand in uns der Wunsch nach einer dauerhaften Zusammenarbeit.
Langsam und beständig wuchs ein Netzwerk von politischen Gruppen
und einzelnen Menschen, das sich ständig neu erfindet, lernt
und lacht, Solidarität organisiert und Widerstand leistet.
2004, im elften Jahr des zapatistischen Aufstandes, treten wir mit
einem neuen Selbstbewusstsein an die Öffentlichkeit, weil wir
glauben, dass unsere politischen Ideen einen möglichen Weg
in die Zukunft aufzeigen können. Diese Ideen wollen wir zur
Diskussion stellen und gemeinsam, mit möglichst vielen Menschen,
weiterentwickeln. Unser "fliegendes" Selbstverständnis
markiert nur einen Punkt auf unserem Weg. Wir beschreiben heute
unsere Gedanken, damit ihr sie lesen und wir voneinander lernen
können.
- DAS YA BASTA - NETZ -
"Gegen die Internationale des Schreckens, die der Neoliberalismus
darstellt, müssen wir die Internationale der Hoffnung aufstellen.
Die Einheit, jenseits der Grenzen, Sprachen, Hautfarben, Kulturen,
Geschlechter, Strategien und Gedanken, all derer, denen eine lebende
Menschheit lieber ist." (Aus der ersten Erklärung von
La Realidad des CCRI der EZLN, 1996)
Das Ya basta-Netz ist ein Netz von Menschen, von denen viele durch
den Aufstand der Zapatistas zur Rebellion ermutigt wurden oder sich
darin bestärkt sehen und die in Solidarität mit den aufständischen
Menschen in Chiapas leben. Es ist ein lernendes Netz, in dem die
verschiedenen emanzipatorischen Kämpfe und Widerstandsformen
nebeneinander bestehen können und aufeinander (kritisch) Bezug
nehmen, ohne sich auszuschließen. Wir bilden ein Netz, in
dem die Menschen sich gegenseitig in ihren lokalen Kämpfen
unterstützen. Ein Netz, das viele Menschen ermutigen will sich
zu engagieren. Wir führen nicht nur notwendige Verteidigungskämpfe,
sondern nehmen uns auch die Zeit, klare Konzepte für Wege in
eine andere Welt zu entwickeln. Ein Netz, das junge und ältere
Menschen "einfängt" und auch auffängt, weil
es uns das Gefühl gibt nicht alleine zu kämpfen. Ein Netz
in dem Erfahrungen weitergegeben, und Mut gemacht wird. Dabei suchen
wir nach Informations- und Aktionsformen, die auch über die
linke Szene hinaus nachvollzogen werden können. Wir treffen
Absprachen, knüpfen Kontakte und teilen uns die Arbeit bei
der Organisierung direkter Solidarität. Wir haben keine Lust
auf eine avantgardistische elitäre Linke, die vom Schreibtisch
aus "klug" die Tagesereignisse kommentiert und abqualifiziert,
aber im Alltag nicht bereit ist, am eigenen Umgang mit den Mitmenschen
zu arbeiten, Widerstand gegen die herrschenden Zustände zu
leisten oder den eigenen Konsum zu reflektieren.
Und außerdem:"Hay que reirse mucho para cambiar el mundo"
(in etwa: es muß viel gelacht werden, um die Welt zu verändern).
- YA BASTA - ES REICHT -
Es heißt Ya basta-Netz, weil das "Ya basta" unseren
gemeinsamen Ausgangspunkt markiert. Den Schrei, mit dem wir den
Herrschenden dieser Welt verkünden: "nein, nein, wir woll´n
nicht eure Welt, wir woll´n nicht eure Macht und wir woll´n
nicht euer Geld. Wir wollen nichts von eurem ganzen Schwindel hör´n,
wir wollen euren Schwindel zerstör´n" (Quetschenpaua).
- POLITIK -
"Es ist nicht notwendig, die Welt zu erobern. Es reicht, sie
neu zu schaffen. Durch uns. Heute." (Subcomandante Marcos)
Die Gesellschaft zu verändern, bedeutet unsere eigene Alltagspraxis
zu verändern. Wir richten unseren Widerstand gegen alle, die
die Welt, ob sie nun die ganze oder ihre eigene kleine Welt, das
Land, die Firma, die Familie, die Gruppe meinen, lieber zu ihrer
ausschließlich eigenen Zufriedenheit ordnen und damit die
Erfüllung von Träumen und Hoffnungen der anderen verhindern.
Unsere Politik ist eine langfristige Prozedur, sie ist oft widersprüchlich
und schreitet langsam voran. Doch eben darin liegt die Chance für
ihr Gelingen. Wir begreifen Politik als einen Prozess, in dem alle
Menschen ihre eigenen Angelegenheiten gemeinsam und eigenverantwortlich
in die Hand nehmen unter Respektierung ihrer Unterschiedlichkeiten.
Die dauerhafte Repräsentation der eigenen Interessen durch
andere Menschen oder Institutionen lehnen wir ab, da sie nachweisbar
nicht zum Wohle aller Menschen beiträgt. Wir kämpfen für
eine Welt, in der alle Menschen frei und selbstbestimmt leben können.
Wir sind davon überzeugt, dass emanzipatorische Veränderungen
nur durch eine Bewegung von unten machbar sind, und dass staatliche
Politik letztendlich nichts an den Herrschaftsverhältnissen
ändert
PREGUNTANDO CAMINAMOS - FRAGEND GEHEN WIR VORAN
!
Wir stellen viele Dinge fest, die uns ungerecht vorkommen und uns
wütend machen. Die Dinge, die uns losgehen lassen, sind die,
die unser Herz berühren, nicht nur den Kopf. Was uns wütend
macht, versuchen wir zu beschreiben. Dabei bleibt so vieles offen,
weil wir die ganze Komplexität dieser Welt nicht in Worte fassen
können. Dennoch wollen wir nicht warten, bis wir alles verstanden
haben. Wir gehen los. Mit unseren vielen Fragen. Während wir
gehen, werden wir die ein oder andere Antwort finden und noch mehr
Fragen. Die Antworten finden wir nur, weil wir gehen.
Fragend gehen, das bedeutet: unsere Fragen zu formulieren, ohne
Angst, dass andere sie für dumm halten. Es bedeutet Fehler
machen zu dürfen. Es bedeutet, die Fragen der anderen ernst
zu nehmen, wie die eigenen, so absurd sie auch erscheinen. Es bedeutet
aber auch, unsere Antworten selbstbewusst vorzutragen, weil sie
einen Punkt unseres Weges markieren, sie aber auch als das zu begreifen,
als Beitrag zu einer gemeinsamen Suche nach Antworten.
- TODO PARA TODOS - NADA PARA NOSOTROS -
Für alle alles, für uns nichts. Das sagen die Zapatistas.
Das meint, dass wir nur ein kleiner Teil von allen sind und für
uns keine besondere Stellung in Anspruch nehmen. Dass wir die Macht
nicht wollen, um unsere Träume zu leben, weil unser Traum von
Freiheit erzählt. Wir kämpfen nicht um die Macht, nicht
als Netz, nicht als Gruppe, nicht als Menschen. Wir wollen gleichberechtigt
mit allen anderen leben und uns unsere Träume erfüllen.
Alle Menschen sollen die Möglichkeit zu einem würdevollen
Leben haben und Zugang zu allen lebensnotwendigen Güter, unabhängig
von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrem Alter oder ihrem Geldbeutel.
- FÜR EINE WELT DER VIELEN WELTEN -
Wir haben eine Vorstellung von der Welt in der wir leben möchten.
So eine Vorstellung existiert in jeder von uns und doch gibt es
darin viele Unterschiede. Was dem einen wichtig erscheint, ist für
die andere nur eine Randnotiz. Schon in einer kleinen Gruppe finden
wir die verschiedensten Träume und wenn wir darüber hinaus
sehen, wird ihre Anzahl unendlich groß. So unterschiedlich
wie die Lebensbedingungen unter denen die Menschen auf unserer Welt
leben müssen, sind auch ihre Hoffnungen. Die Welt von der wir
träumen, ist eine Welt in der alle diese unterschiedlichen
Vorstellungen einen Platz finden. Eine Welt der vielen Welten. Diese
Welt besteht aus einer Vielzahl kleiner oder größerer
Gemeinschaften von Menschen, die einen gemeinsamen Weg und eine
gemeinsame Perspektive entwickeln. Wie diese Gemeinschaft gestaltet
wird, entscheiden ausschließlich die Menschen, die sich daran
beteiligen. Eine grundlegende Bedingung, die dabei zu erfüllen
wäre, ist, dass keine dieser Gemeinschaften auf Kosten einer
anderen lebt und dass alle Menschen frei wählen können,
in welcher Gemeinschaft sie leben möchten. Alle Gemeinschaften,
entscheiden ohne Zwang ob und wie sie sich vernetzen möchten,
um übergreifende Dinge zu regeln.
Diese Welt kann nicht erobert werden, wir müssen sie neu erschaffen.
Und damit können wir schon heute beginnen. Wir organisieren
unser Leben so, dass es einen Beitrag auf dem Weg zu dieser Welt
leistet und setzen ihre Prinzipien, Autonomie, Würde und Solidarität
schon heute in die Tat um. Und wir laden alle Menschen ein, sich
mit uns auf den Weg zu machen.
- HOFFNUNG -
Die zapatistische Rebellion ist eine Hoffnungsträgerin für
unzählige Menschen auf der ganzen Welt. Denn die Zapatistas
zeigen tagtäglich, dass Widerstand gegen die als Naturgesetz
proklamierte "neoliberale Welt(unter)ordnung" möglich
ist. Dass eine Politik jenseits von Parteien und Lobbyverbänden
machbar ist; eine Politik, die nicht anhand eines ideologisch festgeschriebenen
Programms die Machteroberung zum Ziel hat. Diese Hoffnung ist Rebellion
und Prinzip. Wir sind entschlossen, sie uns niemals und von keinem
nehmen zu lassen. Das besondere an den Zapatistas ist, dass sie
nicht nur von einer anderen Welt träumen, sondern sie tatsächlich
erschaffen. Dabei ist uns klar, dass die Zapatistas - wie wir auch
- nicht immer ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Mit
ihrem Widerstand demonstrieren sie den Herrschenden auf der ganzen
Welt, dass der Siegeszug der kapitalistischen Globalisierung aufgehalten
werden kann und machen uns unglaublich viel Mut, dem Schweinesystem
auch unser "ya basta" entgegenzuschleudern.
- SOLIDARITÄT -
Solidarität bedeutet für uns, einen gemeinsamen Weg zu
gehen, voneinander zu lernen, uns zu unterstützen und an verschiedenen
Orten gleichzeitig für eine menschliche Welt zu kämpfen,
die Zapatistas in Chiapas und wir hier "im Herzen der Bestie",
und uns zusammen als Teil einer globalen Bewegung, als jeweils "kleine
Stücke im großen Weltpuzzle der Revolution" zu begreifen.
Und weil die Zapatistas so wichtig für uns sind, ist ein Bereich
unserer Tätigkeit die direkte Unterstützung der Widerständigen
in Chiapas. Das heißt, wir sammeln Geld für verschiedene
Projekte und versuchen immer wieder durch Aktionen, Veranstaltungen
und Publikationen eine kritische Öffentlichkeit für ihren
legitimen Kampf hier in der BRD herzustellen. Außerdem sind
welche von uns von Zeit zu Zeit in Mexiko, um dort Projekte zu unterstützen,
politische Prozesse und die Situation der Menschenrechte zu beobachten
und zu dokumentieren sowie um weitere Kontakte zu knüpfen.
Wichtig ist uns vor allem die Unterstützung der Selbstorganisation
in den autonomen Regionen in Chiapas, die sich beispielsweise durch
den Vertrieb von Kaffee einer zapatistischen Kooperative materialisiert.
- GLOBALISIERUNG DER WIDERSTÄNDE -
"Der Zapatismus ist keine neue Ideologie oder Wiederauflage
alter Ideologien (...) Es gibt keine Rezepte, keine Linien, keine
Strategien, Taktiken, Gesetze, Regeln oder universale Parolen. Es
gibt nur eine Sehnsucht: eine bessere Welt zu schaffen, das heißt
eine neue. Zusammengefaßt: Der Zapatismus gehört niemanden,
deshalb gehört er allen." (Subcomandante Marcos, 1997)
Wir dürfen beim Blick auf Chiapas nicht vergessen, dass auch
wir eine eigene linke Geschichte und Gegenwart haben, auf die wir
aufbauen können, ohne sie kaputt zu reden. Eine Geschichte,
die erwähnenswert und wichtig ist! Erfahrungen sozialer Kämpfe
von denen wir lernen können und möchten. Auch in der BRD
und anderen europäischen Ländern gibt es eine lange Tradition
des radikalen Widerstandes und viele Beispiele für erfolgreiche
und solidarische Selbstorganisation. Viele Menschen organisieren
ihr Leben kollektiv und rebellisch in Kommunen, besetzten Häusern,
Kollektivbetrieben, autonomen Zentren und politischen Gruppen. Viele
Kämpfe existieren isoliert von einander und werden deshalb
von uns und der Öffentlichkeit nicht in einem Zusammenhang
wahrgenommen. Sogar hier gibt es real existierende Alternativen
zum Kapitalismus.
In Chiapas haben es die Menschen geschafft, mit ihrer verstärkten
Vernetzung, besseren Organisierung und einer gemeinsamen politischen
Grundlage aus vielen Einzelprojekten eine andere Wirklichkeit zu
schaffen. Das können wir auch! Wir wollen unsere Ideen und
Erfahrungen mit denen der Zapatistas verknüpfen, mit dem Ziel
auch hier eine deutliche wahrnehmbare Alternative zu den bestehenden
Herrschaftsverhältnissen aufzubauen und diese Verhältnisse
durch eine Welt der vielen Welten zu ersetzen.
"Rebellion ist wie dieser Schmetterling, der auf das Meer ohne
Insel oder Felsen zuhält. Sie weiß, dass sie keinen Platz
zum Landen hat, aber dennoch zögert sie nicht zu fliegen. Und
nein, weder der Schmetterling, noch die Rebellion sind dumm oder
selbstmörderisch, es ist nur so, dass sie wissen, dass sie
doch etwas haben, wo sie landen können, weil es in dieser Richtung
eine kleine Insel gibt, die kein Satellit entdeckt hat. Und diese
Insel ist eine Schwesterrebellion, die sicher hinausfahren wird,
sobald der Schmetterling, das heißt die fliegende Rebellion,
anfängt, schwächer zu werden. Dann wird die fliegende
Rebellion, dass heißt, der Seeschmetterling, Teil dieser auftauchenden
kleinen Insel und wird somit zu einem Hilfspunkt für andere
Schmetterlinge, die bereits ihren entschlossenen Flug über
das Meer begonnen haben."
(2004). - Quelle: www.ya-basta-netz.de.vu
Reden
und Texte von Subcomandante Marcos
Peoples' Global Action
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