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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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Noam Chomsky:

- Die Diktaur der Medien (Interview)
- "The other Davos" (deutsch / english)
- Globalisierter Widerstand gegen die Macht der Konzerne (Interview)
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Noam Chomsky:

DIKTATUR DER MEDIEN

Ein Interview mit Noam Chomsky mit der Humanistischen Zeitschrift Humanscape
in Indien über die Diktatur der Medien

- Was bedeutet die Globalisierung der Medien generell, und was würde es für die Presse und die anderen Medien hier bedeuten?
- Unter anderem bedeutet es eine riesige Zunahme der Werbung, speziell für ausländische Produkte. Da ihre Ressourcen alles übertreffen könnten, was Indien hat, bedeutet es eine viel engere Konzentration der Medien Quellen.... Es würde die Standpunkte derer reflektieren, die das Kapital zusammenbringen können um internationale Medien zu betreiben. Vielfalt und Information würden abnehmen, die Medien würden werbeorientierter.

- Ist Globalisierung ein passendes Wort? Wäre "Transnationalismus" genauer?
- Ich würde es die Ausweitung "Transnationaler Firmentyrannei" nennen. Das sind tyrannische, totalitäre Institutionen, Megafirmen. Es sind gigantische beherrschende Wirtschaften, von der Spitze aus geleitet, relativ unverantwortlich, und auf verschiedenartige Weise verknüpft. Ihr Hauptinteresse ist Profit - aber viel weitgehender als das ist es, eine gewisse Art von Publikum zu erzeugen. Eines, das süchtig ist nach einem gewissen Lebensstil mit künstlichen Wünschen. Ein Publikum atomisiert, voneinander getrennt, genug fragmentiert, damit es an der politischen Arena nicht teilnimmt, um die Mächtigen nicht zu stören. Es ist völlig natürlich.
Sehr viele Zeitungsverlage hier glauben, dass sie in eine Partnerschaft eintreten und dass die Indische Presse vernünftig genug ist, (momentan, ist ausländischer Besitz in der Presse verboten, aber die Situation könnte sich ändern). Das ist ein Witz. Wenn ein lokales Restaurant sich bei McDonald‚s beteiligt, wären sie sehr vernünftig. Aber McDonald‚s hat die Ressourcen, sie zu überwältigen und hat ein Interesse daran, sie in ihr System zu integrieren. Das ist profitabler und hilft wieder, die Art des Marktes zu erzeugen, die sie benötigen.
Es ist, als ob man Indien für die internationalen Drogenhändler öffnen würde, indem man behauptet, dass die Leute vernünftig genug seien, um zu widerstehen. Ja klar, sie können widerstehen. Aber wenn sie es auf Schulkinder abgesehen haben, mit gratis Drogen, und die Kinder süchtig werden, so spielt es keine Rolle wie vernünftig du bist. TV und Werbung sind einfach kultivierte Süchte, produziert um Leute auf eine bestimmte Art zu kontrollieren. Tatsächlich auf eine noch hinterhältigere Art und Weise. Drogenhändler müssen ihren Stoff verkaufen und dich davon abhängig machen. Dies dagegen erzeugt eine bestimmte Art von Leuten.

- Ist also die Hauptfunktion der Medien zu verkaufen?
- Ihre Hauptfunktion ist es, den Werbern Publikum zu verkaufen. Sie machen kein Geld mit ihren Abonnements, CBS News verdient kein Geld, wenn du deinen Fernseher anstellst. Sie verdienen Geld, wenn ein Inserent sie bezahlt. Nun zahlen Inserenten für gewisse Dinge. Sie bezahlen nicht für eine Diskussion, die die Leute ermutigt an der Demokratie teilzunehmen und die Macht der Firmen anzugreifen.
Lebensstile zu verkaufen, Werte oder Prinzipien des freien Marktes... Das ist ein Betrug. Sie glauben an die Prinzipien des freien Marktes für andere, nicht für sich selber. Die grösseren Firmen jeder Gesellschaft, in der Tat in allen fortgeschrittenen Sektoren des Marktes, verlassen sich sehr stark auf Staatssubventionen und Staatsinterventionen. Sie wollen dir sagen, dem freien Markt beizutreten. Sie selber werden es nicht machen

- Wie reagierten sie auf die Liberalismus Debatte hier, die so geführt wird, als ob das etwas neues wäre?
- Ich war betroffen, als ich dies in der Presse hier las, die Idee, dass irgendwie etwas Neues am Neoliberalismus ist. Es gibt nichts Neues am Neoliberalismus. Indien hat den Neoliberalismus seit 300 Jahren erlebt - weshalb es Indien ist und nicht England oder die Vereinigten Staaten. Weshalb ihr euch von Britannien gelöst haben.
Dass die USA keine totale Marktgesellschaft ist (ist bekannt)... aber soziale Sicherheit und ähnliche Interventionen sind der Rand eines Systems von Staatssubventionen für private Macht. Wenn man über die USA als Marktgesellschaft spricht ohne das Pentagon zu erwähnen, ist es als ob man über die UdSSR spricht und das Politbüro nicht erwähnt. Das Pentagon ist der massive Kern des Wohlfahrtsstaates für die Reichen. Es giesst öffentliche Gelder unter der Verkleidung von Sicherheit in fortgeschrittene Industrie in jedem grossen Sektor der Wirtschaft.

- Wie unterscheiden sich die Arten der Medien und Gedankenkontrolle der USA von solchen totalitärer Staaten?
Ein totalitärer Staat hat ein Wahrheitsministerium. Diese bestimmen sehr öffentlich, was die Wahrheit ist. Du musst dieser Wahrheit zustimmen, falls nicht so gibt es verschiedene Strafen. Hier gibt es kein Wahrheitsministerium, Es gibt nur ein gemeinsames Bewusstsein zwischen extrem engen Sektoren von Macht, darüber wie die Welt wahrgenommen werden sollte und was für eine Art von Leuten es geben sollte.

- Gibt es irgendein reales Meinungsspektrum in der USA?
- Über Saddam Hussein gab es kein Spektrum. Als er sich bereit erklärte, sich aus Kuwait zurückzuziehen, gab es eine Übereinstimmung der Medien, das nicht zu erwähnen. Darum wurde das unterdrückt. Aber es gibt ein Spektrum.... Nimm das grösste Thema in der Amerikanischen Politik - das Budget zu balancieren. Die Medien sagen dir, dass die Amerikaner dafür gestimmt hätten. Die Republikaner wollen es in sieben Jahren und die Demokraten in 7 1/2 Jahren erledigt haben. Das ist dein Spektrum. Die Mehrheit der Amerikaner sind dagegen. Aber ihre Meinung ist kein Teil des Spektrums.
Übrigens, das Budget des Pentagon steigt. Die Öffentlichkeit ist mit 6 zu 1 dagegen, aber das macht nichts. Das ist das Informationssystem und die Wirtschaft, die es vertritt. Dies bildet das Spektrum. Darin gibt es gewisse Unterschiede.

- Einige Leute sind optimistisch über die Möglichkeit des Internets... Mehr Demokratie, weniger Kontrolle. Glauben sie, dass das geschehen wird?
- Der Zustand des Internets heute ist wie der Zustand der elektronischen Medien in den 1920 er Jahren. In den meisten Staaten wurde das Radio oder ein grosser Teil davon dem öffentlichen Interesse übergeben. So bekommst du BBC oder "Canadian Broadcasting" und das ist so demokratisch wie die Gesellschaft ist. In den USA gab es einen Kampf darum. Kirchliche Gruppen, Vereine und andere wollten ein ähnliches System. Aber sie wurden durch private Macht überwältigt. Und das Radio wurde grösstenteils an riesige Firmen übergeben. Später geschah das gleiche mit dem Fernsehen, es gab überhaupt keinen Kampf mehr. Sie gaben es einfach der privaten Macht.
Jetzt hast du das Internet. Wie der ganze Rest der modernen Technologie wurde es durch die Öffentlichkeit bezahlt, es kommt vom Pentagon und der Nationalen Wissenschaftsstiftung usw. Wie die Computer und der Rest der Elektronik. Die Öffentlichkeit zahlt und dann wird es an die private Macht übergeben.
Sogar bei den Printmedien gab es in England und der USA früher in diesem Jahrhundert eine grosse unabhängige Presse. In England war es auf der Ebene der kommerziellen Presse. Sie wurden schrittweise durch die Macht der Firmen überwältigt. Mit dem Internet müssen wir warten und beobachten. Wird die Wirtschaft machen können was sie will? Sie würden es gern in einen Shopping Service von zu Hause aus verwandeln und mehr Leute süchtig danach machen, sogar noch stärker. Nun, Ein grosser Teil des Volkes hat andere Ideen. Es wird einen Kampf geben, und man kann das Resultat nicht voraussagen.

- Wie steht es mit dem Inhalt? Wie überall sonst gab es auch hier einen Wandel des Schemas der Berichterstattung: Unterhaltung, das Interesse anregen, selektive Skandalmeldungen. Wo bleibt da der Journalismus, von der Art, der über die heutige Realität, oder das Leben der Leute zu berichten pflegte?
- Nun mit den Medien in der USA, in England und in Europa ist es ganz klar. Der Inhalt wird abgeschwächt, reduziert und homogenisiert. So erscheint nun die europäische Presse zunehmend eine schlechte Kopie der New York Times und der Washington Post zu sein. Es ist wie mit den Fernsehnachrichten. Gesamthaft wird viel weniger Geld in die Reportagen investiert. Es wird unwesentlich. Nun, falls Sie der Besitzer des Westinghouse, ein Mega Unternehmen und ein riesiger Inserent sind, ist es das, was sie wollen.

- Warum stellt sich die gebildete Klasse am schnellsten hinter die von den Medien konstruierte Realität? Sagen wir, in der Debatte über die Liberalisierung in Indien?
- Das ist weit verbreitet. Es ist natürlich.

- Sagen Sie damit, dass die Schule und das Gymnasium ein Teil dieses Trainings sind?
- Ja, sicher. George Orwell hat vor 50 Jahren in Animal Farm darauf hingewiesen, was natürlich eine Satire über die Sowjetunion ist. Dazu gab es eine Einleitung, die übrigens nicht veröffentlicht wurde. Es war an einer literarischen Zensur in England, an welcher er sagte; "schau, ich stelle die Sowjetunion satirisch dar, aber schau England an..." und er sprach darüber wie ungewollte Ideen zum Schweigen gebracht werden können, ohne die Notwendigkeit eines öffentlichen Verbotes. Und er beschrieb die Grenzen. Er sagte, ein Grund sei, dass reiche Männer die Presse besässen, die nur daran interessiert seien, dass gewisse Ideen ausgesprochen würden und andere nicht. Ein anderer sei der Prozess der Sozialisation, der durch das System der Ausbildung statt fände und im speziellen im System der Ausbildung der Elite... in welchem man nur bestimmte Werte verinnerliche. Wo, wie er sagt, man lernt, dass es gewisse Dinge gibt, die einfach nicht angebracht sind.

- Kann es so eine totale Trennung geben zwischen dem, was Millionen von Leuten denken und diesem Dialog?
- Ja. In einer von der Wirtschaft geführten Gesellschaft. Wenn man ein paar Billionen Dollars für öffentliche Beziehungen ausgibt, will man wissen, wie man die Sachen anpacken muss, um die öffentliche Opposition zu überwältigen...Öffentliche Haltungen sind normalerweise ganz getrennt vom Spektrum der gebildeten Meinung, sie weichen oft sehr stark ab. Übrigens über 80 Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit glaubt, dass es keine funktionierende Demokratie gibt und dass die Regierung nur für ein paar spezielle Interessen arbeitet. Das ist ein Grund, weshalb die Leute sich nicht die Mühe nehmen um zu wählen.

- Wo bleiben da die Journalisten, in der Hauptrichtung, welche die Werte der wirtschaftsorientierten Medien nicht teilen? Verschwenden wir unsere Zeit?
- Nein. Ganz und gar nicht. Zum Beispiel die USA. Ich bin sehr kritisch über die Medien aber sie sind besser als vor 30 Jahren. Grundsätzlich führte der Aktivismus der 60er Jahre zu beachtlichen Unruhen, woraus wichtige Veränderungen in der amerikanischen Kultur resultierten... Es gibt immer populäre Wahlkreise, die sich mit einzelnen Journalisten verbinden und die sich gegenseitig unterstützen. Sie erhalten Informationen und geben Informationen.

- Lohnt es sich eine Art Guerilla Aktion zu inszenieren innerhalb eines solchen Medien Systems?
Es lohnt sich immer ein totalitäres System an seine Grenzen zu bringen, offensichtlich.

- Es gibt diese romantisierende Idee der amerikanischen Medien, dass sie den Krieg beendet hätten und dass sie Watergate enthüllt hätten. Wie sehen Sie das?
- Die Medien haben immer sehr viel verbreitet über Vietnam. Die Medien waren immer sehr für den Krieg... Um 1970 fanden ca. 70 Prozent der Bevölkerung, dass der Krieg grundsätzlich falsch und unmoralisch sei und kein Fehler sei, was ständig in den Abstimmungen blieb bis in die frühen 90er Jahre, als die letzten besiegt wurden. Und dieser Punkt wurde praktisch nie in den Medien erwähnt. Der kritischste Kommentar in den Medien war der von Anthony Lewis von der New York Times, der auf eine Art ausserhalb des Spektrums war. 1969 entschied er, obwohl der Krieg mit den nobelsten Absichten angefangen wurde, dass es für die USA nun zu viel kosten würde. So hatte er sich nun Gedanken darüber gemacht, ob man nicht aufhören sollte.

- Ist es ein Mythos?
- Ein totaler Mythos. In der Tat, falls es Sie interessiert, ich habe seitenweise Dokumentationen, welche die Berichterstattung der Medien zeigen. Fall über Fall während des ganzen Krieges. In den frühen 70er Jahren zum Beispiel als angenommen wurde, dass die Medien ablehnend waren, begann die USA Kambodia zu bombardieren. Es war die schlimmste Bombardierung von Zivilpersonen in der Geschichte. Hundert Tausende wurden getötet. Wahrscheinlich flohen eineinhalb Millionen Flüchtlinge nach Pnom Penh. Wir wissen nichts darüber. Weil Sidney Schanberg und andere, die das Gewissen der Presse genannt wurden, in Pnom Penh sassen - und sich weigerten die Strasse zu überqueren um einen Flüchtling zu interviewen. Jene wären die falschen Geschichten gewesen.

- Und Watergate?
- Watergate war eine Tee-party. In der Tat, Watergate war fast ein kontrolliertes Experiment. Die Nixon Administration sammelte ein paar unbedeutende Gauner, die in das Hauptquartier der Demokratischen Partei eindrangen, ohne bekannten Grund, und entwendeten ein paar Ordner. Gerade zur gleichen Zeit gab es andere Sachen. Es gab eine Liste der Feinde. Privat gab Nixon einigen Leuten schlechte Namen - mir zum Beispiel. Ich war auf der Liste der Feinde. Aber es passierte niemandem etwas, die auf der Liste der Feinde waren. Das ist Watergate.
Zur selben Zeit wie Watergate, fand man heraus, dass im Gericht in klassifizierten Dokumenten, unter dem Gesetz der Informationsfreiheit, dass vier Verwaltungen, Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon nicht nur ein paar unbedeutende Gauner aufgelistet hatten, sondern die nationale politische Polizei FBI, um legale und legitime, die anderer Meinung sind anzugreifen und zu schwächen.
Der COINTELPRO Skandal, wie er genannt wurde, bekam absolut keine Wichtigkeit. Dies obwohl die FBI direkt involviert war in der politischen Ermordung von zwei schwarzen Führern. Nicht nur erlangte es nicht die gleiche Wichtigkeit, es existierte offensichtlich auch nicht, so wie es behandelt wurde.

- Wurden die Nachrichten total gesperrt?
- Nun gut, es mag hin und wieder ein paar Zeilen gegeben haben. Aber es war nicht interessant was etwas sehr Einfaches zeigt. Die Leute der Medien interessierten sich nicht für Demokratie oder Freiheit oder irgend etwas anderes. Worum sie sich sorgten, war der Schutz der Macht vor den Leuten. Als Fred Hampton, ein Schwarzer Organisator durch FBI und die Polizei von Chicago ermordet wurde das war o.k., das war kein Problem.
Aber Thoma Watson, der Kopf von IBM... du kannst ihm nichts nachsagen, (wie es Nixon tat auf seinen Tonbändern: PS). Mach das und die Demokratie wird zusammenbrechen. Wenn die Medien Watergate als ein Beispiel ihrer Gegner präsentieren, mutige Charaktere, kann man sogar kaum lachen. Ferner können sie es nicht verstehen wenn man es ihnen einmal sagt, weil sie so indoktriniert sind.

- Sie haben einen Tag auf dem Land in Bengal verbracht. Was halten sie davon?
- Sehr interessant. Ich habe viele ländliche Entwicklungsprogramme gesehen und dieses war sehr bemerkenswert. Es gab viele Verpflichtungen und es ist offensichtlich, dass die Dorfbewohner die Sachen unter Kontrolle haben. Sie schienen die Fragen, die man ihnen stellte sehr leicht und gut zu beantworten.

- Glauben Sie, dass es eine demokratische Selbständigkeit auf der Ebene eines Dorfes ist?
- So weit wie ich es beurteilen kann. Ich meine es sah sicher so aus wie eine sehr aktive Teilnahme mit vielen Leuten, die wissen was passiert und die eifrig darüber sprechen.

- Nun, das ist nicht so wie es die Medien hier betrachten.
- Nein? Das ist ihr Problem. Aber ich kann ihnen nur sagen, was ich gesehen habe.

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Rede von Noam Chomsky für die Konferenz "The other Davos" am 26.1.2001 in Zürich:

Ich bedaure es, an diesem wichtigen Anlass nicht unter euch weilen zu können. Eigentlich kann ich nicht viel anderes tun, als meine Begeisterung und Unterstützung auszudrücken für das, was ihr tut. Ich hoffe, dass eure Aktivitäten, und viele andere gleicher Art rund um die Welt, erfolgreich sein werden. Die Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist gewaltig. Doch gleichzeitig verbreitet sich zusehends der Wille, diese Herausforderung anzunehmen, und das ist sehr ermutigend für all jene, die sich für eine bessere Welt einsetzen.

Ich habe nicht viel Zeit, um mich an euch zu wenden. Deshalb beschränke ich mich darauf, einige grundlegende Tatsachen über dieses Phänomen in Erinnerung zu rufen, das man Globalisierung nennt. Es handelt sich um eine unpassende Bezeichnung für diese sehr spezifische Form der internationalen Integration, die die mächtigsten Staaten allen anderen aufzwingen, die im Interesse privater Machtkonzentration umgesetzt wird und die kaum etwas mit den Anliegen der Bevölkerungen zu tun hat.

Es gibt keinen Grund, gegen die Globalisierung an sich anzukämpfen: Wenn diese den Interessen der Menschen entsprechend strukturiert wäre, müsste man sie als Fortschritt begrüssen. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die internationale Integration der Wirtschaft stetig vorangeschritten. Sie erreicht heute grob gesagt wieder einen Stand, der mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vergleichbar ist. Doch wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass die Strukturen heute viel komplexer sind. In der Nachkriegszeit lassen sich zwei deutlich verschiedene Phasen unterscheiden. Die erste, die ich Bretton-Woods-Phase nenne, dauerte bis anfangs der 70er Jahre. Seither sind wir in der zweiten Phase, in der das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse und Kapitalverkehrskontrollen zerstört wurde. Diese zweite Phase wird in der Regel als Globalisierung bezeichnet und mit der sogenannten neoliberalen Politik in Verbindung gebracht.

In Wirklichkeit ist diese Politik weder neu noch liberal. Sie verlangt Strukturanpassungsprogramme nach den Prinzipien des "Konsenses von Washington" (den die US-Regierung, der Pentagon und die internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen teilen) von den armen Ländern und leicht abgeänderte Versionen davon von den weiter entwickelten Ländern. Diese zwei Phasen sind sehr unterschiedlich. Die erste, die Bretton-Woods-Phase, wird von vielen Ökonomen als goldenes Zeitalter des industriellen Staatskapitalismus bezeichnet. Die zweite Phase hingegen, für die man den Begriff Globalisierung verwendet, wird oft als bleiernes Zeitalter bezeichnet, in dem sich makroökonomische Standard-Indikatoren wie das Wirtschaftswachstum, die Produktivitätsentwicklung usw. markant verschlechtert haben. Es gibt eine weit verbreitete Behauptung, die Globalisierung, also die zweite Phase, habe einen bedeutenden Anstieg des Wohlstands gebracht, auch wenn dabei einige Menschen vergessen worden seien und nicht von ihren beträchtlichen Vorteilen profitiert hätten, was nun noch zu korrigieren wäre. Diese Sicht der Dinge ist nur teilweise richtig, und höchstens in Bezug auf die erste Phase. In der zweiten Phase gibt es keine Zweifel daran, dass die Ungleichheiten rasch angewachsen sind. Doch im Grunde genommen sind alle diese Behauptungen völlig unzutreffend. Die Entwicklung bietet in allen Regionen der Welt ein düsteres Bild; vielleicht mit Ausnahme einiger asiatischer Länder, die zumindest eine gewisse Zeit lang in der Lage waren, die Spielregeln zu brechen.

Schauen wir uns einmal das reichste Land der Welt an, die Vereinigten Staaten von Amerika. Man will uns weismachen, hier hätte sich eine märchenhafte Wirtschaftswelt entwickelt. Dies stimmt aber nur für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, zu dem zufälligerweise auch jene gehören, die uns unaufhörlich diese frohe Botschaft verkünden. Für die meisten Lohnabhängigen, jene, die keine leitenden Funktionen ausüben, also für etwa 80 Prozent der Beschäftigten in den USA, sind die Löhne seit den 70er Jahren gesunken. In den letzten Jahren sind die Löhne insgesamt etwa auf den Stand von 1989 zurückgekehrt, auf den Stand vor dem letzten Konjunkturzyklus. Aber sie sind immer noch deutlich unter dem Niveau von vor 20 Jahren. Die Medianlöhne der Männer liegen trotz dem Anstieg der letzten Jahre immer noch tiefer als 1989. Die Mittelstandsfamilien, die Familien mit mittleren Einkommen, konnten ihr Einkommensniveau nur dank gesteigerter und verlängerter Arbeitsbelastung aufrecht erhalten. Diese Familien müssen heute etwa sechs Wochen pro Jahr mehr arbeiten als vor zehn Jahren, um ungefähr gleich viel zu verdienen. Die USA verzeichnen heute weltweit die höchste Arbeitsbelastung und haben diesbezüglich Japan vor einigen Jahren überholt. Dieses Wachstum wurde von einem Boom des Privatkonsums getragen, der seinerseits nicht unwesentlich einer massiven Propaganda-Kampagne zu verdanken war, deren Auswirkungen jetzt sichtbar werden: Die Verschuldung der privaten Haushalte wurde in die Höhe getrieben. Sie befindet sich heute auf einem nie dagewesenen Stand und übertrifft erstmals das gesamte verfügbare Volkseinkommen.

Das Märchen ist im Wesentlichen den Aktienmärkten zu verdanken, die bis vor einem Jahr schwindelerregende Kurssteigerungen verzeichneten. Hier liegt gegenwärtig die Hauptquelle des weltweiten Wirtschaftswachstums. Es sei aber daran erinnert, dass ein Prozent der Bevölkerung beinahe die Hälfte aller Aktien besitzt, wogegen nur etwa 4 Prozent der Aktien den "unteren" 80 Prozent der Bevölkerung gehören. Die Armutsrate liegt höher als vor 20 Jahren. Diesbezüglich ist die Situation in den USA und in Grossbritannien am schlimmsten von allen Industrieländern. In diesen beiden Ländern wurde die neoliberale Politik kompromissloser als in allen anderen umgesetzt. Im goldenen Bretton-Woods-Zeitalter stiegen die Einkommen rasch an, und insgesamt geschah dies auf eine ziemlich egalitäre Weise. Tatsächlich stiegen die Einkommen der untersten 20 Prozent am schnellsten an, jene der obersten 20 Prozent am langsamsten. Im bleiernen Zeitalter der Globalisierung ist das Gegenteil der Fall, und die Einkommensverteilung ist höchst ungleich. Die Einkommen steigen nur ganz oben an, während dem sie bei den untersten 20 Prozent rückläufig sind.

Ein Blick hinter die Fassaden der Märchenwelt der kalifornischen New Economy bestätigt diese Realität ebenfalls. Kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die sehr schön aufzeigte, was in Kalifornien in den letzten zehn Jahren geschehen ist. Die durchschnittliche Kaufkraft der Familien ist im Verlauf der 90er Jahre um ca. 1000 Dollar gesunken. Die Durchschnitsslöhne und–einkommen sind gesunken. Die Armutsrate ist gestiegen. Nur der Staat New York kennt grössere gesellschaftliche Ungleichheiten.

Dieses Bild ist typisch für die gesamte Welt. Nur ist die Situation in den armen Ländern noch schlimmer. Es gibt Ausnahmen. Ich habe Länder erwähnt, die eine gewisse Zeit lang die Regeln brechen konnten, zum Beispiel, auf sehr spektakuläre Weise, China. Aber nicht für lange Zeit. Für China heisst es nun ebenfalls "Willkommen im Club!", nachdem kürzlich ein Freihandelsabkommen unterzeichnet wurde, bei dem es sich eigentlich um ein "freie-Investitionen-Abkommen" handelt, um das Wall Street Journal zu zitieren. In der US-Presse wurde dieses Abkommen als frohe Botschaft für die Finanzkonzerne, für die Telekombranche, für Boeing und andere Unternehmen gefeiert. Doch wer das Kleingedruckte liest wird merken, dass nicht alles so rosig ist. Zum Beispiel gibt es das Problem von Dutzenden oder Hunderten Millionen chinesischen ArbeiterInnen, die in ineffizienten Fabriken arbeiten und deren Arbeitsplätze verschwinden werden.

Diese Fabriken sind genauso ineffizient wie viele amerikanische Fabriken in den 80er Jahren. Präsident Reagan, der die protektionistischste Politik der USA in der gesamten Nachkriegszeit betrieben hat, verbannte daraufhin japanische Produkte vom US-Markt und versuchte, die US-Industrie mit staatlicher Unterstützung wieder auf Vordermann zu bringen. Aber China wird dies nicht tun können: Es ist ein armes Land. Diese ineffizienten Fabriken garantieren ihren Angestellten nicht nur den Lebensunterhalt, sondern zugleich Versicherungsprämien für die Altersvorsorge. Und dann gibt es da noch ein kleines Problem: Eine Million amerikanische Lohnabhängige werden ihre Stelle verlieren, da Billiglohnarbeit nach China abwandern dürfte. Theoretisch könnte das gut sein für China und dort zu einem Anstieg der Löhne führen, wenn da nicht noch ein anderer kleiner Nachteil des "freie-Investitionen-Abkommens" wäre. Man erwartet, dass 900 Millionen chinesische Bauern ihre Höfe verlassen werden müssen und in grosse Schwierigkeiten geraten werden, wenn ihr Heimmarkt von subventionierten Exportprodukten der amerikanischen Agro-Industrie überflutet wird. Diese US-Importwelle wird sie massenweise auf den chinesischen Arbeitsmarkt spülen und auf die Löhne drücken.

Das erinnert uns an die Zustände vor unserer eigenen Haustüre, im benachbarten Mexico. Im Zuge der neoliberalen Reformen sind die Lebensstandards und Einkommen seit Beginn der 80er Jahre für 80 Prozent der Bevölkerung gesunken, und die Einführung der NAFTA (nordamerikanische Freihandelszone, die Mexico einschliesst; Red.) hat diesen Trend nicht beendet, entgegen allen Beteuerung der Mainstream-Ökonomen. Wenigstens haben einige andere Ökonomen davor gewarnt. Die NAFTA ist wohl eines dieser seltenen Handelsabkommen, die der Mehrheit der Bevölkerung aller beteiligten Länder schaden. Es ist nicht schwierig, weitere Beispiele zu finden. Von nun an dürften die von den Reichen durchgesetzten Spielregeln zu einer Verallgemeinerung dieser Auswirkungen führen. So haben zum Beispiel die Regeln der WTO jene Mechanismen für illegal erklärt, derer sich ausnahmslos alle reichen Länder in der Vergangenheit bedient haben, um ihr gegenwärtiges Entwicklungsstadium zu erreichen. Und wer jene Abkommen genauer anschaut, die fälschlicherweise Handelsabkommen genannt werden und eigentlich Abkommen zugunsten der Rechte der Investoren sind, wird feststellen, dass es sich um eine Kombination von Liberalisierung und Protektionismus handelt, die den grössten Unternehmen enorme Profite garantieren, indem sie in monopolistischer Weise die Preise für ihre Produkte festlegen können, die meist mit bedeutender Unterstützung des öffentlichen Sektors entwickelt worden sind.

Es hat ein gewaltiger Anstieg der spekulativen Kapitalbewegungen stattgefunden, der zum eigentlichen Charakterzug der Phase der Globalisierung geworden ist. Diese Kapitalflüsse schränken die politischen Optionen der Regierungen ein, verleihen dem Finanzkapital ein Vetorecht, unterlaufen die Volkssouveränität in den demokratischen Regimen und stellen alle fortschrittlichen Wirtschafts- und Sozialpolitiken in Frage, die der Bevölkerung eher zugute kommen als den Investoren. Es bildet sich ein Merkantilismus der Konzerne heraus, eine liberale internationale Ordnung, in der die Entscheide über soziale und wirtschaftliche politische Fragen immer mehr in den Händen des Privatkapitals konzentriert sind, das sich durch sehr hohe Machtkonzentrationen auszeichnet, die Märkte verwaltet und sowohl als Werkzeug wie auch als Tyrann der Regierungen agiert, um Madisons 200 Jahre alte Beschreibung der Gefahren für die Demokratie in Erinnerung zu rufen.

Es ist daher keine Überraschung, dass diese zweite Phase, jene der Globalisierung, rund um die Welt beträchtliche öffentliche Proteste hervorgerufen hat. Dabei sind sich gesellschaftliche Kräfte mit unterschiedlichem Hintergrund näher gekommen, aus reichen sowie aus armen Ländern. Das ist neu und sehr ermutigend. Das heutige Meeting bietet weitere Gelegenheiten, diesen Prozess voranzutreiben. Es dient der Ausarbeitung neuer Alternativen, um die grosse Mehrheit der Weltbevölkerung nicht nur gegen einen Angriff auf die grundlegenden Menschenrechte zu verteidigen, sondern darüber hinaus die inakzeptable Konzentration der Macht zu zerschlagen und das Reich der Freiheit und der Gerechtigkeit auszuweiten.

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Noam Chomsky at "The other Davos" - 26.1.2001 in Zürich:

I am sorry I can't be with you on this important occasion. In fact, I can do little more than express enthusiastic support for what you're doing and hope for success in this endeavor and many others like it throughout the world. The challenge faced is enormous as there is an increasing willingness to undertake it, which is very heartening for people who look forward to a more decent world. In the few moments that I have, I would like to recall some basic facts about what is called globalization, highlighting this misleading term which is used to refer to a very specific form of international integration designed by the powerful states, imposed on the rest, in the interests of private concentrations of power, and with the interests of people only incidental. There would be no reason to oppose globalization as such, which if properly structured, it would be a very welcome prospect. Since World War II, the integration of the international economy has been proceeding; it is by now returned to something like the level of about a century ago by gross measures. The fine structure however is considerably more complex. During the post-war period this process has gone through two sharply different phases. The first was the phase roughly until the early 70s, the Bretton Woods period. The second is the period since the dismantling of the Bretton Woods system, a system of regulated exchange rates and controls on capital movement. It is this second period that is generally called globalization and it is associated with the so-called neo-liberal policy, a term neither new nor liberal. This means structural adjustment programs along the lines of the Washington consensus for the poorer countries and versions of the same policies in the more advanced societies. The two phases are quite different for very good reasons. The first phase, the Bretton Woods phase, is called a golden age of industrial state capitalism by many economists, while the second phase, the globalization phase, is often called a leaden age with a marked deterioration in standard macroeconomic measures that would be things like greater growth of economy, of productivity and so on. As it is a common claim that globalization, the second phase, has brought remarkable prosperity, although unfortunately some have been left behind, and have not shared in the grand benefits, and we have to do something about that. These claims are only partially true. It is true of the first phase. In the second phase, it is true that inequality has grown very rapidly. But beyond that, the claims are completely wrong and un-controversially so. The record has been dismal in every region of the world. That is apart from some Asian countries that have been able to break the rules of the game for a while at least. So consider the richest country in the world, the United States. Here, there's supposed to be what is called a fairy-tale economy, which is indeed true for a very small part of the population, which happens to include those who are telling everyone else the wonderful news. For most workers, the non-supervisory workers, about 80 per cent of the workforce, wages have declined since the 1970s. In the last 10 years, particularly the last few years, gross wages returned roughly to the level of 1989, the last business cycle, they are still well below the level of 20 years ago. For male workers, median wages have not even risen to the level of 1989 despite the growth of the last few years. For families in the middle range who are called middle income families, they have been able to sustain incomes, but only by a much heavier workload. The middle-income families could earn about six weeks a year of more work than they do 10 years ago to maintain essentially stagnating incomes. The United States now has the highest workload in the world, past Japan a couple of years ago. Growth such as this has been driven by consumer spending which in turn has been driven by a massive propaganda campaign and now has consequences too: household debt has soared; it1s now on an unprecedented level, it is actually beyond disposable income for the first time. The main part of the fairy tale is the stock market which soared up till about a year ago. That caused a lot of exuberance but that1s the main source of the world1s growth in the recent period. However it is worth remembering that almost half the stocks are held by one per cent of thepopulation and the bottom 80 per cent of the population altogether hold about 4 per cent. Poverty rates are still higher than they were 20 years ago. That1s worst, by far worst in the United States and Britain, worst than the industrial world. And these are the countries that have had the most rigorous imposition of neo-liberal policies. During the golden age, the Bretton Woods- first phase, income did grow rapidly and across the board, it was quite egalitarian. In fact the highest growth was in the lowest 20 per cent of the population, and the lowest growth was in the highest 20 per cent. In the leaden age, that1s been completely reversed. So it is highly in-egalitarian. The income growth was in the top, concentrated in the top few per cent, while the incomes of the lowest 20 per cent have actually declined. Take a look at the star performer – the new economy of California – there was recently a study about what happened in California in the past 10 years. They found that purchasing power per family had declined by about a thousand dollars during the 1990s. Average wages and incomes have declined. Poverty levels have risen. Only New York State has higher inequality. And that picture pretty well generalizes worldwide. It1s harsher in the poorer countries. There is an exception. As I mentioned the countries that were able to violate the rules, for example most dramatically China, but not for long. China is now being welcomed into the Club with a recent free trade agreement or more accurately a free investment agreement as the Wall Street Journal describes it. It1s been hailed in the national press as what they call really good news for financial services, telecommunications , Boeing, other corporations, but if you read on you discover that it is not all rosy. In the small print there is a problem of tens or maybe hundreds of millions of Chinese workers who are driven out of inefficient factories. Just as American factories were so inefficient in the 1980s that the Reagan administration, the most protectionist in post-war American history, had practically banned Japanese imports to try to reconstruct them with state support. But in China that1s not going to be allowed, it1s a poor country . These inefficient factories provide not only livelihood but benefits, insurance, what amounts to pensions. There is also another small problem mentioned: a million American workers will loose their jobs as low cost production shifts to China. That could be a benefit to China in theory, it might improve wages there, except for another small defect of the free investment agreement, namely 900 million Chinese peasants who are expected to be driven off the land and will be in deep trouble when their country becomes flooded with subsidized US agribusiness exports, and as they flood the labor market driving down wages. That picture is quite familiar next door between the United states and Mexico: the neo-liberal reforms in early 1980's, and since that time, for about 80% of the population, living standards and incomes have declined and continued after NAFTA, contrary to all predictions by main-stream economists. At least others (some economists) pointed out that it was going to happen. Nafta may be one of the rare trade treaties that succeeded in harming the majority of the population in all the participating countries. It is all too easy to continue. Furthermore the rules of the game established by the rich are very likely to extend these effects. So for example the rules of the world trade organization have barred outright the mechanisms that were used by every rich country without exception as to reach its current state of development, and the mislabeled trade agreement, actually investor rights agreement, if you look at it closely, it is a combination of liberalization and protectionism designed to allow major corporation to gain enormous profits by monopolistic pricing of products, which typically are developed with a very substantial contribution of the public sector. There has been an enormous explosion of speculative capital transfers which is the defining feature of the globalization period. Such flows sharply restrict planning options for governments, assign a veto power to financial capital, undermine popular sovereignty when the government is democratic, and reduce constructive social and economic policies that might benefit the population rather than investors. What is taking shape is a kind of corporate mercantilism, it is a liberal or international regime in which decisions over social and economic political life are increasingly concentrated in the hands of unaccountable private capital with high concentrations of power, and which administer markets and are the "tools and tyrants" of governments – to use Madison's words about the threat to democracy 200 years ago. Not surprisingly the second phase of globalization has aroused very substantial public protest taking many forms around the world. It has brought together recently varied popular forces from different constituencies, from the poorer and the richer countries. That is something new and quite encouraging. This meeting offers new opportunities to carry this process forward and offers new alternatives to help defend the great majority of the population of the world from an assault on fundamental human rights and, beyond that, to dismantle the illegitimate power concentrations and extend the domains of freedom and justice.

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Noam Chomsky:

Globalisierter Widerstand gegen die Macht der Konzerne

Noam Chomsky ist heute einer der bekanntesten Schriftsteller und antiimperialistischen Aktivisten in Amerika. Er hat über viele Themen geschrieben, darunter auch über die Rolle der Medien und den Kosovokrieg. Im folgenden wir ein Interview veröffentlicht, welches unsere englische Schwesterorganisation, die Socialist Workers Party, vor kurzem mit Chomsky führte.-

- Wie wichtig waren die Proteste gegen die Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle und gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank in Washington?
- Sehr wichtig! Ich kann mich an nichts Vergleichbares erinnern. Es gab schon lange Stimmen gegen das, was irreführend Globalisierung genannt wird, diese eigentümliche Art von internationalen Verflechtungen unter der Kontrolle der Konzerne, unter der sehr viele Leute leiden - wahrscheinlich die Mehrheit der Weltbevölkerung. Das hat zu lokalen Protesten gegen einzelne Aspekte geführt. Aber in den letzten Jahren haben sich diese Proteste verbunden. Man kann das an sehr vielen Beispielen sehen. Die internationalen Aktionen gegen das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) waren extrem beeindruckend. Sie wurden sehr kurzfristig organisiert, praktisch ohne Beachtung durch die Medien. In Seattle fand ein mächtiger Protest statt, und die mächtigen Institutionen mußte zurückweichen. In Washington war es die gleiche Geschichte. Die Vielfalt der Beteiligten an diesen Protesten ist bemerkenswert. Sie brachten Leute zusammen, die in der Vergangenheit nicht viel miteinander zu tun hatten, wie z.B. Stahlarbeiter, Homosexuelle und Umweltschützer. Die Proteste hatten auch einen internationalen Charakter, weil sie Leute von verschiedensten Bewegungen zusammengebracht haben, zB. landlose Arbeiter aus Brasilien, Bauern aus Indien und Arbeiter aus den USA.

- Die Bewegung in Washington schien an Tiefe und Politisierung gewonnen zu haben. Die Leute haben Verbindungen gezogen, wie wir es lange nicht gesehen haben.
- Ja. Die Demonstranten wissen, wovon sie reden. Sie stellen sich grundlegendere Fragen. Leute, die die Proteste reformistisch nennen, liegen falsch. Zunächst einmal sind Reformen gut - wenn du sie durchsetzen kannst, helfen sie Leuten. Aber auch, wenn ihnen eine Grenze gesetzt ist, hilft es dir zu verstehen, wie die Welt funktioniert, und das ist wichtig. Du fängst damit an, eine kleine Reform zu fordern. Du merkst, du kannst einen kleinen Fortschritt erreichen, doch dann rennst du gegen eine Wand. Daraus lernst du etwas. Du fragst dich, warum da eine Wand ist, und du durchschaust ein bißchen mehr, wie das System funktioniert. Dann gibt es mehr Druck, der manchmal eine stärkere Reaktion hervorruft. Ein wichtiger Bestandteil der Proteste ist, daß die Beteiligten daraus lernen. Du lernst, wo Institutionen nachgeben und wo sie es nicht tun. Das bereitet die Aktivisten auf die nächste Protestphase vor.

- Es scheint unter den Demonstranten ein genaues Verständnis davon zu geben, wie die Konzerne alles Leben aus der Welt saugen; und auch eine Vision von einer im wesentlichen sozialistischen Gesellschaft.
- Für einige trifft das zu. Und dies sind in großem Maße Leute, die das durch ihre Erfahrung im Kampf um Reformen gelernt haben.. Am Anfang gehst du zu einer Konferenz von Investoren und forderst zu sozial verträglichen Investitionen auf. Du merkst, daß du damit vielleicht ein wenig erreichen kannst, aber Du wirst nicht sehr weit kommen. Du fragst dich, warum das so ist und gelangst zu der Erkenntnis, die Ihr gerade beschrieben habt.

- Vor 10 Jahren wurde uns gesagt, wir wären am „Ende der Geschichte“, am Ende von Kriegen und gesellschaftlichen Konflikten. Wie paßt das zur Realität der heutigen Welt?
- Das Sowjetimperium ist zusammengebrochen, und andere Regionen Jugoslawien sind zusammengebrochen. Wenn es einen derartigen Zusammenbruch gibt, entstehen gewalttätige ethnische Konflikte, weil Herrschaftssysteme wie totalitäre Staaten dazu neigen, innere Konflikte zu unterdrücken. Als das britische Weltreich zusammenbrach, kam es zu Grausamkeiten, die viel schlimmer waren als alles, was heute in Osteuropa passiert. In Südasien entstand ein Krieg zwischen Indien und Pakistan, der immer noch anhält, 50 Jahre danach. Das Gleiche gilt für Palästina. Als das französische Weltreich zusammenbrach, gab es Kriege in ganz Afrika. Genauso, als das portugiesische Imperium Mitte der 70er Jahre kollabierte. Es brachen erbitterte Kriege in Afrika aus. Südafrika versuchte als Vorkämpfer für die USA und Großbritannien, diejenigen Staaten niederzuhalten, die gerade unabhängig geworden waren. In Südostasien, wo Portugal ein kleines Reich hatte, erlebten wir dasgleiche, nur daß diesmal Indonesien die Rolle von Südafrika spielte. Die Gewalt in Ost-Timor hielt bis ins letzte Jahr an. Die Geschichte wiederholte sich, als das russische Imperium zusammenbrach. Viele der Konflikte in Afrika heute, z.B. in Ruanda, sind direktes Ergebnis des Zusammenbruches des belgischen, deutschen und französischen Kolonialsystems.

- Welche Rolle spielt dabei die amerikanische Außen- bzw. Militärpolitik?
- Es ist die gleiche Geschichte. Ein interessanter Aspekt ist der Waffenhandel. Die Hauptempfänger von Waffen sind Israel und Ägypten. Ägypten wird beliefert, weil es Israel unterstützt. Das hat etwas mit der amerikanischen Vormachtstellung über die Ölvorkommen im Nahen Osten zu tun. Die Türkei ist auch ein führender Empfänger von US-Waffen. Die Türkei ist ein NATO-Staat und stand während des kalten Krieges an der Frontlinie. Aber die Höhe der Waffenlieferungen war relativ gleichbleibend und bis 1984 nicht allzu hoch. Dann stiegen sie enorm an und blieben hoch. Die Spitze stellte das Jahr 1997 dar. In diesem Jahr importierte die Türkei mehr Waffen von den USA, als in der ganzen Zeit von 1950 bis 1984. Das lag daran, daß der türkische Staat einen immensen Fluß von US-Waffen benötigte, um die Kurden zu schlagen. Also flossen amerikanische Waffenlieferungen für massive ethnische Säuberungen und Massaker im Südosten der Türkei. 1998 hatten sie die kurdische Bewegung unterdrückt und der Waffenhandel wurde geringer. Bis dahin war die Türkei der führende Empfänger von US-Waffen, abgesehen von Israel und Ägypten. 1999 wurden sie von Kolumbien übertrumpft. Ebenso wurde die kolumbianische Regierung, wenn es um Verstöße gegen Menschenrechte ging, in den Menschenrechtsberichten an führender Stelle erwähnt. Kolumbien war der führende US-Waffenempfänger in der westlichen Hemisphäre in den 90ern. Warum? Weil Kolumbien eine starke Guerillabewegung hat, welche der Staat ohne Hilfe nicht zerschlagen kann.

- Wie passen die Bombardements der NATO im Balkan da hinein?
- Als die NATO Jugoslawien bombardierte, tat sie das nicht nicht wegen der Menschenrechtsverletzungen. Die NATO schert sich einen feuchten Kehricht um Menschenrechte. Die NATO tat das, weil sich Serbien nicht an die Regeln gehalten hat. Milosevic ist ohne Zweifel ein Kriegsverbrecher und ein Schurke. Aber die USA und Großbritannien haben keine Probleme damit, Kriegsverbrecher und Schurken zu unterstützen - sie tun das die ganze Zeit. Zum Beispiel Saddam Hussein. Tony Blair und die Vereinigten Staaten erzählen, daß er das einzige Monster in der Geschichte ist, das nicht nur Massenvernichtungswaffen entwickelt hat, sondern diese sogar gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Was nicht erwähnt wird, ist: Hussein hat Massenvernichtungswaffen gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt, aber mit der UNTERSTÜTZUNG von Amerika und Großbritannien. Der wahre Grund, warum sie hinter Saddam Hussein her sind, ist, daß er Anweisungen des Westens nicht befolgt hat. Das ist offensichtlich ein „Verbrechen“. Ihr könnt Kurden vergasen, wenn ihr mögt - wir kümmern uns nicht darum - aber mißachtet keine Befehle! So arbeiten Großmächte. Die Vereinigten Staaten arbeiten so. Großbritannien, der Kampfhund der Vereinigten Staaten, arbeitetn so. Rußland macht das gleiche in Tschetschenien.

- Was haben die Großkonzerne mit all dem zu tun?
Staaten sind bis zu einem gewissen Grad unabhängige Akteure. Aber überwiegend reflektieren sie die Machtkonzentration in ihrem Inneren. Diese Konzentration in heutigen Industriestaaten ist konzentrierte Konzernherrschaft. Diese Machtkonzentration ist in den USA extrem hoch, aber sie ist auch international - obwohl Großkonzerne fest verwurzelt und abhängig von ihren eigenen Heimatstaaten sind. Was man Globalisierung nennt, eine Entwicklung, die seit den letzten 25 Jahren stattfindet, ist ein wirkliches Machtspiel der konzentrierten Konzernmacht, und die Staaten sind damit verbunden. Sie versuchen, eine spezielle Form der globalen Verschmelzung zu entwickeln, die im Interesse der Finanzinstitutionen ist. Was mit der Bevölkerung passiert, ist für sie nebensächlich. Selbst die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum sind für sie nebensächlich. Man hört viel aufgeregtes Gerede darüber, wie wunderbar der Wirtschaftsbericht in den letzten 25 Jahren war. Das ist totaler Unsinn. In der Phase ab Mitte der Siebziger bis zur Mitte der Neunziger ist das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern ungefähr um die Hälfte gesunken. Die Löhne in den meisten Industrieländern stagnierten oder sanken, hauptsächlich in den USA. Arbeitsstunden vermehren sich, Sozialleistungen gehen runter. Obwohl sich das Wachstum verlangsamt hat, gibt es hochkonzentrierte Profite. In der Dritten Welt beträgt die Wachstumsrate in den 90ern 50% von der in den 70ern. Das ist eines der Ergebnisse der Globalisierung und hauptsächlich auf die finanzielle Liberalisierung zurückzuführen. Diese Veränderungen der letzten 25 Jahre beeinflußten die internationale Wirtschaft negativ. Sie wächst noch, aber nicht so wie vorher. Und sie konzentriert viel mehr Reichtum und Macht als vorher und unterminiert demokratische Prozesse. Es gibt auch noch andere Prozesse, die die Demokratie aushöhlen. Nehmen wir z.B. die Europäische Union. Ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union ist die Übertragung von Macht an die Zentralbanken. Das ist in der Tat ein harter Schlag gegen die Demokratie. So hart, daß selbst Teile der Konservativen in den USA schokiert waren.

- Wie sieht die Zukunft aus? Verändert sich etwas innerhalb der us-amerikanischen Arbeiterklasse?
- Die Durchschnittslöhne in den USA haben heute gerade einmal das Niveau vor 20 Jahren erreicht. Eine Periode von 20 Jahren, in der die Löhne stagnierten oder fielen und das, obwohl es Wirtschaftswachstum gab, ist beispiellos. US-Arbeiter leiden unter der höchsten Arbeitsbelastung der industriellen Welt. Sie haben Japan in dieser Hinsicht vor einigen jahren überholt. In den USA müssen zwei Familienmitglieder arbeiten, damit das Essen auf dem Tisch steht. Es gibt kein System der Kindertagesbetreuung, d.h. man muß erst einmal überlegen, wohin mit den Kindern. Das ist eine unglaubliche Belastung für die Familien. Es ist also bei dieser Belastung auch kein Wunder, daß die Rate der Kindesmißhandlungen gestiegen ist. In bezug auf die meisten sozialen Indikatoren der USA kann man nur sagen: es geht seit Mitte der 70er bergab. Die Menschen fühlen das in ihrem Privatleben, aber sie beginnen auch, es kollektiv zu fühlen. Das betrifft nicht nur die Industriearbeiterschaft, sondern zieht sich durch die ganze Gesellschaft. Kleine Bauern gehen ebenso pleite wie kleine Ladenbesitzer. Mit Ausnahme eines kleinen Teils leiden die Menschen. Und das war einer der Gründe für die Proteste in Seattle. In der Zukunft werden die Konflikte und Kämpfe weitergehen. Man sollte über sie nicht spekulieren, denn sie nicht nicht vorhersagbar. Man muß einfach etwas tun.

Aus: Sozialismus von unten - Nr.4, 5/2000.

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