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Wolfgang Sterneck
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Rainer Maria Rilke:
ÜBERFLIESSENDE HIMMEL

- Überfliessende Himmel
- Reich war der Raum
- Unser Besitz ist Verlust


ÜBERFLIESSENDE HIMMEL

Überfliessende Himmel verschwendeter Sterne
prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen,
weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon,
an dem endenden Antlitz,
um sich greifend, beginnt der hin-
reißende Weltraum. Wer unterbricht,
wenn du dort hin drängst,
die Strömung? Keiner. Es sei denn,
daß du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung
jener Gestirne nach dir. Atme.
Atme das Dunkel der Erde und wieder
aufschau!  Wieder.  Leicht und gesichtslos
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste
nachenthaltne Gesicht giebt dem deinigen Raum.


"REICH WAR DER RAUM"

Reich war von ihnen der Raum, immer voller und satter.
Rosen, verweilende: plötzlich streun sie sich aus.
Abends vielleicht. Der entschlossene Abfall der Blätter
klingt an den Rand des Kamins, wie ein leiser Applaus.

Geben sie Beifall der Zeit, die sie so zärtlich getötet?
Währten sie selbst sich genug, die uns zu frühe entgehn?
Siehe, die rötesten sind bis ans Schwarze verrötet
und den bleichern ist jegliche Blässe geschehn.

Nun: ihr Jenseits beginnt zwischen den Seiten der Bücher;
unbezwinglicher Duft wohnt in der Lade, im Schrank,
drängt in ein Ding, das uns dient, schmiegt in gefaltete Tücher
was uns aus Rosen ergriff und was in Rosen versank.


UNSER BESITZ IST VERLUST

Urne, Fruchtknoten des Mohns -,
oh und die leichten, die roten
Blätter, die ihr unwissender Wind entriß ...
Wie schon die Söhne des Sohns!
Alle sooft überboten,
jeder einzelne Ungewiß.

Und da stürzt sich die Zeit weiter mit ihnen in die Tiefe;
was von den Stürzenden bleibt?
Ein verblichenes Bild und vergilbende Briefe
und in dem, der noch lebt, das was keiner beschreibt.
Jenes unsägliche, das wir unendlich beweinen ...
Nicht wie Gazelle und Reh,
die in dem künftigen Tier heiter wiedererscheinen,
so verläßlich wie eh.

Unser Besitz ist Verlust. Je kühner, je reiner
wir verlieren, je mehr.

(1924)



Rainer Maria Rilke (1875-1926):
Tausend Stäbe
Sie war
Unser Besitz ist Verlust
Rosenerben
Träume nach dir schrein
Ein jeder Engel ist schrecklich
Aus einer Sturmnacht
Mondnacht
Gesichter
Rainer Maria Rilke - Die Gedichte
Rainer Maria Rilke - Werke Online
Internationale Rilke-Gesellschaft


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