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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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SONICS / GATHERING 2007
- EIN RÜCKBLICK -


- Music, Mind and Politics
- Workshops und Infos
- Rhythmen der Veränderung
- Energien
- Sonics-Netzwerk
- Gathering in anderen Städten
- Ausblick und Dank


Selten gab es ein derartig positives Feedback wie im Anschluss an das Gathering of the Tribes 2007. Zweifellos kam es während des Festivals auch zu diversen Problemen, doch erschienen diese Aspekte in Anbetracht der Grundenergie großteils als nahezu unbedeutend. Es ist sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass es in den letzten Jahren auch international wohl kaum ein anderes Festival gab, bei dem die Verknüpfung von „Music, Mind and Politics“ so erfolgreich umgesetzt wurde.


MUSIC, MIND & POLITICS

Das Gathering war in diesem Jahr tatsächlich eine Begegnung von Tribes, Projekten und Initativen bzw. über tausend Personen auf den unterschiedlichsten Ebenen. Die ansonsten strikte Trennung zwischen aktiven VeranstalterInnen bzw. KünstlerInnen und passiven Gästen wurde dabei an vielen Punkten aufgebrochen. Und nicht zuletzt spürte man in den Workshops genauso wie in den Playground-Sessions und auf den Tanzflächen, dass es vielen Beteiligten tatsächlich glückte in den mehrfach beschworenen inneren Flow zu kommen.

Insgesamt gelang es die Vision einer anderen Party-Kultur, wie auch einer anderen Gesellschaft lebendig auszufüllen und weiterzutragen. Dabei wurde die Entwicklung der „Party-Culture“ in ihren unterschiedlichen Ausprägungen kritisch beleuchtetet und konkrete Alternativen aufzeigt. Immer wieder kam zum Ausdruck, dass es nicht nur darum gehen kann auf den Dancefloors ausgelassen zu tanzen, sondern ein engagiertes Handeln notwendig ist.

Finanziell wurden jedoch die Ausgaben durch die Einnahmen aus dem Eintritt nicht gedeckt. In der ersten Nacht waren die Räumlichkeiten zwar bis zur Grenze gefüllt, die Einnahmen reduzieren sich jedoch wesentlich durch die hohe Zahl der direkt Beteiligten, die lange Gästeliste und ermäßigte Tickets. Das Minus wird jedoch voraussichtlich durch einen Teil des Getränkeverkaufs gedeckt. 500 Euro als Minimum-Benefiz für Projekte des Playgrounds waren von Beginn an mit eingerechnet und wären auch bei einem größeren Minus ausgezahlt worden.


WORKSHOPS UND INFOS

Die Workshops, Filme und Infoangebote unterteilten sich im Wesentlichen in drei Bereiche: „Love & Community“, „Politics & Change“ und „Body & Mind“. Entsprechend reichte die Themenvielfalt von „Glücklich Leben“ und „Liebesschule“ über „Reclaim the Streets“ und „Mobilisierung gegen den G8“ bis zu „Trance-Tanz“ und „CyberSchamanismus“. Zudem erweiterte eine Reihe von Infoständen das inhaltliche Angebot.

Zu den Momenten, die sicherlich lange in Erinnerung bleiben werden, gehörten der Trance-Tanz zu Beethoven, die sich glücklich umarmenden TeilnehmerInnen der „Liebesschule“ und die aufbrechende Polit-Performance von Yet Moon. Daneben beeindruckte die spacige Deko des Psy-Floors als umschließendes Gesamtkunstwerk nicht nur Blacklight-Freaks.

Auf der Basis eines idealistischen, an Veränderung ausgerichteten Ansatzes stand beständig das Verbindende im Vordergrund und nicht etwa wie so oft die Gegensätze. Gerade in Anbetracht der politischen und ökologischen Entwicklungen ist es notwendig Kräfte zu vernetzen und zu bündeln.

Entgegen diverser Befürchtungen zeigte sich, dass politische Angebote und Trance- oder Tantra-Workshops keine Gegensätze sein müssen. Voraussetzung ist, dass diese Techniken als Möglichkeiten der Selbstentfaltung verstanden werden und nicht in manipulierende esoterische oder spirituelle Lehren gepresst werden. (Anfragen von entsprechenden Gruppen wurden im Vorfeld abgelehnt.) Ebenso notwendig ist es, dass alternative und linke Polit-Projekte nicht den vermeintlich einzig wahren Weg verkünden, sondern kooperativ und weitgehend undogmatisch auf eine gesellschaftliche Veränderung hinarbeiten.

Dass sich in der Abendveranstaltung fast 40 Projekte vorstellten zeigte noch einmal die Vielfältigkeit der Gruppen die sich in unterschiedlicher Weise in das Gathering einbrachten. Hier ging es neben den Inhalten auch darum den abstrakten Projektnamen im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht zu geben und wiederum das gemeinschaftliche Grundgefühl zu stärken.

In Anbetracht der dann fortgeschrittenen Zeit vielen die Podiumsgespräche kürzer aus als geplant. Es ging hierbei um einige wegweisende Projekte (Playground, Fusion-Festival, Loveparade, Fuckparade und Projekte zur Drogenmündigkeit), die vorgestellt, aber auch kritisch hinterfragt wurden.


RHYTHMEN DER VERÄNDERUNG

Das erste und zweite Gathering war vor allem von DJs und LiveActs aus dem Psychedelic-Trance-Spektrum geprägt. Diesmal war das musikalische Spektrum bewusst wesentlich vielfältiger ausgerichtet und schloss auch die weiten Bereiche des Elektro und TechHouse ein. Zudem gab es eine offene Session mit Band-Instrumentarium und einen Playground mit Jonglage-Utensilien und Trommeln, an dem sich alle Anwesenden beteiligen konnten. Hinzu kamen mehrere Performances, darunter die surrealen Auftritte der Stelzen-Artisten von FuzzBubble und die skurille Steinzeit-Performance von Könichreichts, die dem Gathering in diesen Momenten eine eigene Note gaben. Zu überlegen ist, inwieweit noch Projekte aus anderen musikalischen Spektren in das Gathering integriert werden können.

Während des Gatherings wurde das Manifest "Rhythms of Change" vorgestellt. Auch darin wird die Notwendigkeit einer Verknüpfung von kulturellem und politischem Engagement betont. Beschrieben wird ein idealistischer Underground fernab der Charts und TV-Shows, dem es unabhängig von musikalischen Strömungen um kreative Entfaltung und gesellschaftliche Veränderung geht. Zu den Besonderheiten des Manifests gehört, dass es von MusikerInnen aus unterschiedlichen stilistischen Bereichen unterstützt wird, die eine zumindest ähnliche Grundhaltung verbindet. Das Spektrum reicht von Polit-Rock und Country-Blues über HipHop, Punk und Techno bis zum experimentellen Strömungen.


ENERGIEN

Das Festival war von einer in weiten Bereichen offenen, gemeinschaftlichen und friedlichen Grundenergie durchzogen. Dies ist in Frankfurt alles andere als selbstverständlich, denn auch in alternativen Locations sind viele Partys teilweise von einer unterschwellig aggressiven Grundstimmung geprägt. Durch den organisatorischen und energetischen Aufbau des Gatherings, vom Sonics-Treffen über die Erfahrungen in den Workshops bis zu den Projektvorstellungen, und die ständige Betonung der Vision einer anderen (Party-)Kultur gelang es jedoch eine andere Atmosphärezu entfalten.

Zudem zeigte sich einmal mehr, dass der idealistische Charakter eines Events auch ebensolche Personen anzieht, die sich dann auf unterschiedliche Weise einbringen. Zwangsläufig entwickelt sich im Vergleich zu kommerziellen Festivals eine völlig andere Grundenergie. Zudem bewährte sich in diesem Sinne die freundliche und souveräne Security-Crew aus Berlin, die engagiert wurde, um nicht auf die ansonsten üblichen Frankfurter Türsteherstrukturen angewiesen zu sein.


SONICS-NETZWERK

Das diesjährige ausdrücklich offen ausgerichtete Treffen des Sonics-Netzwerkes, dem alternative Projekte aus der Party-Kultur angehören, wurde gezielt mit dem Gathering zusammengelegt um Energien zu bündeln. Es wurde erneut dankenswerter Weise von der Deutschen AIDS-Hilfe unterstützt. Teilgenommen haben über fünfzig Personen aus vier Ländern. Die einzelnen Workshops des Treffens waren gleichzeitig ein Teil des Gatherings und umgekehrt.

Nachdem in den letzten Jahren zumeist drogenspezifische Themen und Projekte im Vordergrund standen, gelang es dieses Jahr wie angestrebt neue Projekte in das Treffen einzubinden und das Themenspektrum wesentlich zu erweitern. Dennoch muss insbesondere auch den neu hinzugekommenen Personen klar sein, dass sich Sonics im Laufe des Jahres zwischen den Treffen weniger über gemeinsame Aktivitäten definiert, sondern über die Vielfalt der lokalen Aktivitäten der einzelnen Projekte. Nicht vorhandene finanzielle Mittel, die große räumliche Distanz und insbesondere das Engagement vor Ort lassen in diesem Rahmen zumeist nicht viel mehr zu.

Einen Schwerpunkt des Treffens bildete die Arbeit in Kleingruppen, in denen Vorstellungen einer idealen Party gesammelt wurden. Dieses Party-Utopia sollte dann der Realität gegenüber gestellt werden, um weitergehend zu überlegen, wie man ein konkretes Utopia umsetzen kann. Die Diskussion verlief in den meisten Gruppen sehr lebendig, allerdings konzentrierten sich die Beteiligten auf Vorstellungen einer idealen Party. So dienten die Kleingruppen vor allem dazu, sich zu vergegenwärtigen, worum es den Beteiligten eigentlich geht, welche Visionen und Sehnsüchte in ihnen bestehen. Das Spektrum der aufgeführten Aspekte reichte von „Vielfältige Möglichkeiten sich aktiv zu beteiligen“, „Everything for free“, „Party für alle Sinne, inkl. Love- und Erotikräume“, „Alternative Energieerzeugung “, sowie mit einem gewissen Augenzwinkern auch Aspekte wie „Achterbahn“ und „Party on the Moon“. Zusammenfassen lassen sich die Visionen des Party-Utopias mit den Worten „Freie Gesellschaften, Freie Menschen, Freie Partys“.

Zu den Höhepunkten gehörte auch das kleine „Abschlussritual“ auf der Wiese am Main, als sich nach den Party-üblichen Verzögerungen dann doch noch einmal rund fünfzig Personen zusammenfanden, einen Kreis bildeten und sich auf die Energien des Gatherings und die Sounds der Natur konzentrierten.


GATHERING IN ANDEREN STÄDTEN

Mehrfach gab es Anfragen, ob wir als VeranstalterInnen ein derartiges Gathering auch in anderen Städten durchführen wollen. Selbstverständlich würden wir uns freuen, wenn an vielen Orten Gathering-artige Events stattfinden, Gerne stellen wir dafür auch unsere Erfahrungen, Ideen und Kontakte zu Verfügung oder bringen uns an einzelnen Punkten inhaltlich und künstlerisch ein.

Das Ziel kann jedoch nicht sein, das diesjährige Gathering nun irgendwohin zu importieren. Vielmehr gibt es in jeder Stadt Projekte im Party/Kultur/Politik/...-Bereich, die man ansprechen, vernetzen und einbeziehen kann. Bremen ist gerade ein sehr schönes Beispiel dafür, dass es gelingen kann über musikalische Grenzen hinweg ein kreatives und weitgehend idealistisches Netzwerk aufzubauen. Man sollte jedoch auch immer darauf achten, dass Ideen, Anspruch und Möglichkeiten sich die Waage halten. Es muss nicht gleich ein Festival sein, vielmehr wird jede herkömmliche Party bereichert, wenn Workshops und Filme bzw. insbesondere Möglichkeiten der aktiven Beteiligung angeboten werden.


AUSBLICK UND DANK

In welcher Form es nächstes Jahr ein Gathering geben wird ist noch unklar. Wahrscheinlich werden die Space Frogz wie in den letzten Jahren das Ganze maßgeblich voran treiben. Welche anderen Projekte sich beteiligen werden ist noch nicht absehbar. Neue engagierte Personen bzw. Projekte sind willkommen.

Ich selbst werde mich am nächsten Gathering organisatorisch nicht beteiligen. Dies hat vor allem einen ideellen Grund. Dieses Jahr lief der inhaltliche Bereich konzeptionell und organisatorisch fast ausschließlich über mich. Dies ist als Impuls in Ordnung, auf Dauer widerspricht diese zentrale Position jedoch der Grundidee des Gatherings. So übergebe ich gerne anderen Personen mit ihren Ideen den nun geöffneten inhaltlichen Raum.

Am Ende hier nochmals ein herzliches DANKE an alle Beteiligten, die ihre Energien eingebracht haben - in der Organisationsgruppe, beim Aufbau, beim Netzwerktreffen, in den Workshops, beim Musik machen, auf den Tanzflächen, ...

Die Sterne sind erreichbar, wenn wir es wirklich wollen...

Rhythmus und Veränderung

Wolfgang Sterneck, 15.04.2007.
*
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