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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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Francesca da Rimini:

DOLLSPACE

Du trittst in Deep Doll Space Zero ein. Die Puppe Yoko taucht aus dem Kraterschlammteich der toten Mädchen auf. Sie drückt ihre moosfeuchten Lippen auf die Deinen und küßt Dich zärtlich. Ihre bleichen Hände erforschen zart Deine Fleischformen, während sie Dich in Deiner Fantasie nicht mehr losläßt und Deine Haut mit ihren Worten zerfetzt.

Ich floh nach Japan, in eine Reispapierhütte hoch in den Bergen über Kyoto. Von der Hütte sah ich auf einen Teich, dessen japanischer Name soviel bedeutet wie ”bodenloser Schlamm”. Ich entdeckte, daß an diesem Ort die Frauen über Jahrhunderte hinwegihre kleinen Töchter ertränkt hatten. Es war ein Teich der toten Mädchen und er ließ mich nicht mehr los. Eine Horde von Geistern verfolgte mich. Ich zog weiter in die Berge hinauf, wo Bäche unter den Straßen und Feldern rinnen und man nachts nur das Wasser laufen hört, vielleicht die Tränen all dieser Mütter, die gezwungen wurden, all diese kleinen Mädchen zu töten.

Puppe Yoko, Geistermädchen, krallt sich durch zerfetzte Haut den Weg ans Licht. Sie schlittert durch den Schlitz, durchscheinende graue Tentakel spielen mit Mamas Lippen. Die Augen sanfte Wasserlöcher, Geisterteiche, traurige Salzlöcher. Saure Pflaumenlippen. Der Oktopus in ihrer Muschi hält die menschliche Natur fest im Griff.

Puppe Yoko sagt: alle Daten sind Diebesgut. Puppe Yoko sagt: Eure Maschinen sind ungeschickt, Eure Kriege sind überflüssig. Puppe Yoko sagt: alle Frauen sind Geister und ihr tut gut daran, vor ihnen Angst zu haben.

Die Puppe ist die unendliche Räumlichkeit der Null. Angetrieben von ihrem unermeßlichen Hunger und der Sehnsucht nach dem Unmöglichen... Eine Horde hungriger Geister wartet an der Brücke der Träume. Und flüstert: alle Geschichte ist Pornographie. Und flüstert: traue niemandem. Und flüstert: töten ist vergessen. Und flüstert: ein Geist wird niemals müde. Und flüstert: eine Puppe lebt ewig.

Dollspace ist ein Web-Environment, ein unendliches Labyrinth, in dem die Puppe und ihre Ghostgirls und Riverboyz geistern können. Bei der Konzeption von Dollspace schuf mein Mitarbeiter in New York, Ricardo Dominguez, eine zweite Site, Hauntologies, wo unsere Geister einander inspirieren und infizieren konnten. Der Klangkünstler Michael Grimm aus Adelaide schuf speziell für eine Ausstellung von Dollspace den ”Soundtrack for an empty dollspace”. Vergängliche Klänge für das WorldWideWeb, abgegrenzt durch Dollspace und den kleinen großen Raum. Einundzwanzig Minuten Dollspace-Klangzeichen, zerstreut. Zerfallen. Weder work in progress noch Wegwerfartikel. Keine Zeit, immer verderblich. Post/Prä-Spiegelzustände.

Dieses Online-Environment hat keinen Anfang und kein Ende. Die Arbeit steht für neue Formen der UrheberInnenschaft, nicht nur die Worte und Bilder, die von mir stammen, sondern auch deren Bereicherung durch E-Mails, Kommentare und Erinnerungen anderer, durch digitale Geschenke in Form von Klangdateien, Animationen, Grafiken und digitalen Filmen, die andere Geister gemacht haben. Mit jedem Beitrag kommen neue Fluchtlinien, neue Geistererscheinungen, neue Stimmen dazu... und es zieht mich immer tiefer in den Teich der toten Mädchen, während ich unter Wasser atme.

Dollspace verbindet drei Sites mit düsterer Hypertextfiktion, mit strategischen Links zu zeitgenössischen Sites, wo politische Aktionen von Geistern aus der Dritten und Vierten Welt einen Ausdruck finden, und mit einer Zone für die Sichtung von geisterhaften Störungen.

Dollspace
VNS Matrix



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