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Wolfgang Sterneck
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Wolfgang Sterneck

SUBVERSIVE RHYTHMEN IM PARTY-UNDERGROUND

Die „Reclaim the Streets“-Aktionen in einigen Großstädten zeigen nachdrücklich, dass es durchaus möglich ist, die oftmals als unvereinbar beschrieben Gegensätze von Politik und Party sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Über das Konzept traditioneller Demonstrationen hinausgehend sollen die Aktionen nicht nur trockenen Manifestationen bestimmter linkspolitischer Haltungen entsprechen, sondern auch lustvollen Festen eines alternativen Lebensgefühls und einer vielfältigen Gegenkultur. DJs, Live-Acts und teilweise Performance-KünstlerInnen sind fester Bestandteil der Umzüge, während die TeilnehmerInnen in den Straßen tanzen und für eine kurze Zeit öffentlichen Raum zurückerobern. Mit einem gewissen Augenzwinkern beziehen sich die AktivistInnen dabei bis heute oftmals auf die Anarchistin Emma Goldmann, die in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts einmal sinngemäß verkündet haben soll: ”Wenn ich nicht tanzen kann, dann ist es nicht meine Revolution.”

Die Verbindung von "Music, Mind and Politics" lässt sich auch im Rahmen von Veranstaltungen unverkrampft multimedial umsetzen. Entsprechend werden auf den "Connecta"-Events Filme über politische Underground-Aktionen gezeigt, im Chill-Out findet im Laufe der Nacht eine experimentelle Lesung statt und auf dem Dancefloor wird zu technoiden Klängen getanzt. Das zweifellos in diesem Kontext herausragende und größte Open-Air-Festival im deutschsprachigen Raum ist die Fusion. Mehrere Bühnen und die Hangarhallen eines ehemaligen Militärflugplatzes bieten Raum für unterschiedliche Musikstile, Theater- und Filmaufführungen, Ausstellungen und Workshops. Mit einem gewissen selbstironischen Unterton sprechen die VeranstalterInnen vom "Ferienkommunismus" bzw. von der Fusion als einer "Tankstelle für die Seele im Kampf gegen den alltäglichen Wahnsinn". Dabei ist es geglückt trotz des immensen organisatorischen Aufwandes und finanziellen Risikos dem idealistischen Ansatz des Festivals treu zu bleiben, was wiederum alljährlich eine Atmosphäre entstehen lässt, die sich grundlegend von den kommerziellen Festivals unterscheidet und zumindest in Ansätzen zeigt, dass ein anderer Weg möglich ist.

Die "Crossing Bridges“-Events stehen für die Möglichkeit mit Musik gemeinschaftlich die Gräben zu überwinden, die bis heute die Regionen des ehemaligen Jugoslawiens durchziehen. Tanzend wird deutlich, dass die vorgeblich ethnischen Mauern zwischen den Menschen künstliche sind, die letztlich nur dazu dienen bestimmte Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Fernab machtpolitischer und ökonomischer Interessen entwickeln sich immer wieder Netzwerke, deren Mitglieder sich nicht über die Herkunft, sondern über gemeinsame Ideale definieren. "Different cultures, different colours, different smells, but one world, one people, one blood" heißt es in einem Track von Lava 303 entsprechend dazu. Die Message entspricht einer eigentlich selbstverständlichen, geradezu banal anmutenden Erkenntnis, deren Umsetzung jedoch real in vielen Bereichen widersinnige Grenzen entgegen stehen.

Das Konzept der Playgrounds zielt auf die gemeinschaftliche Freisetzung kreativer Potentiale. Zu Grunde liegt die Idee kreativer Spielplätze, die in Fußgängerzonen genauso wie in Schulen oder auf Partys Gestalt annehmen können. In der Regel werden dabei Musikinstrumente, Jongliergegenstände und Dekorationsmaterialien ausgelegt, die von allen Anwesenden und Vorbeikommenden nach Lust und Laune genutzt werden können. Meist entwickelt sich dann eine Session, in der sich die Beteiligten anfangs eher auf sich bezogen auszudrücken, um dann aber oftmals doch einen gemeinsamen Rhythmus bzw. eine neue Ebene der Kommunikation zu finden. Die ansonsten selbstverständliche Aufteilung zwischen aktiven KünstlerInnen und VeranstalterInnen auf der einen Seite und passivem Publikum wird so immer wieder aufgebrochen. Letztlich besitzt jeder Mensch ein kreatives Potential, das aber durch die vorherrschenden gesellschaftlichen Strukturen meinst verdrängt wird. Entsprechend verkünden die Mitglieder des Playground-Kollektivs immer wieder ”Mach’s dir selbst, nimm dein Leben in die Hand! Be your own live-act!”


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