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Wolfgang Sterneck
DIE GRENZEN ÜBERWINDEN
- Kunst, Vision und Psychedelika -
- Zeitreisen
- Vision und Abgrund
- Klingende Farben
- Revolution auf Acid
- Psychedelic Trance
- Die Welt im Wassertropfen
- Psychoaktive Realitäten
- Der schwarze Regenbogen
- Die befreite Vision
Die Sehnsucht nach dem inneren Gefühl des unblockierten Fließens,
nach der Erkenntnis eines tieferen Sinns und nicht zuletzt auch
nach der Befreiung des Bewusstseins von repressiven Vorgaben, ist
wohl so alt wie die Menschheit. Sie findet ihren Ausdruck in unzähligen
Ritualen und Praktiken verschiedenster Kulturen die ein Eintauchen
in andere Wirklichkeiten ermöglichen. BewusstseinsforscherInnen
wie Andrew Weil und Erika Bourguignon sprechen sogar von einem übergreifenden
menschlichen Grundbedürfnis nach Rausch, Ekstase und Transzendenz
als Überschreitungen der im Alltag vorgegebenen Grenzen, wobei
dieses Bedürfnis gerade in christlich geprägten Kulturkreisen
bis heute vielfach unterdrückt wird.
Die Wege in die andere Wirklichkeit sind vielfältig. Meditation
kann ein solcher Weg sein, genauso wie der trancehafte Tanz, eine
ekstatische Sexualität oder der Gebrauch psychoaktiver Substanzen
wie Meskalin, Psilocybin und LSD in entsprechenden Dosierungen.
Ebenso vielfältig sind dabei die Erklärungs- und Deutungsmuster
derartiger außergewöhnlicher Bewusstseinszustände.
Angeführt wird teilweise der Kontakt mit Göttern und Geistwesen,
in anderen Fällen wird vorrangig auf die Erfahrung eines ansonsten
verschütteten Selbst oder den Zugang zu bestimmten Gefühlszuständen
verwiesen. Die Visionen der Innenwelt stehen dabei immer im Zusammenhang
mit der individuellen Entwicklung der entsprechenden Person wie
auch mit den Bedingungen der äußeren Lebensumstände.
Zumeist werden sie überhaupt erst in diesem Zusammenspiel verständlich
und eröffnen keineswegs im Rückzug in eine abgeschottete
Welt des Ichs, sondern in der Wechselwirkung von persönlicher
Entfaltung und einer damit verbundenen Veränderung gesellschaftlicher
Strukturen die Tiefe ihres eigentlichen Potenzials.
Die Etappen auf diesen Wegen sind keineswegs geradlinig und einfach
zu beschreiten. Manche scheinen erst lange in ein Nichts zu führen,
um dann vielleicht doch einmal an das ersehnte Ziel zu gelangen.
Andere eröffnen sich erst durch die Erkenntnis, dass ihr Verlauf
nicht etwa zu einem Ort der Außenwelt, sondern tief ins Innere
führt. Psychedelika können eine Möglichkeit sein,
einen vergleichsweise schnellen und direkten Weg zu finden, wobei
dann unter günstigen Bedingungen in Folge eines komplexen Prozesses
neurochemischer, psychologischer und soziokultureller Faktoren die
Vision einer anderen Welt zur subjektiv erfahrenen Realität
wird. Vielfältig sind jedoch auch die Risiken, wenn dieser
Weg unreflektiert eingeschlagen wird oder die entsprechende Person
nicht in der Lage ist die Erfahrungen angemessen zu verarbeiten.
Die Pforten der Wahrnehmung, wie es Aldous Huxley einmal
formulierte, offenbaren keineswegs nur den Himmel von
Erkenntnis und Erfahrung, sondern können auch in die Hölle
des Bewusstseins führen. Nicht wenige Suchende sind auf ihrer
psychedelischen Suche in einer Sackgasse hängen geblieben,
an deren Ende Wahnvorstellungen oder die Einweisung in die Psychiatrie
stand. Der Mythos der Flower-Power-Kultur verschleiert vielfach
die offensichtliche, aber dennoch für viele GebraucherInnen
so ferne Erkenntnis, dass jede Blume, so farbenprächtig sie
zeitweise erblühen mag, auch ihren Schatten wirft. Der oftmals
völlig unreflektierte Konsum von psychedelischen Substanzen
auf unzähligen Techno-Partys zeigt bis in die Gegenwart nachdrücklich,
dass deren Gebrauch keineswegs zwangsläufig zu einer tiefen
Erfahrung führt. Vielen KonsumentInnen geht es schlichtweg
nur darum aus der Realität des Alltags für einige Stunden
auszusteigen und besonders druff zu sein, ohne sich
dabei über die Risiken des Drogengebrauchs im Klaren zu sein.
Gerade vor diesem Hintergrund ist es notwendig die Entwicklung einer
Drogenmündigkeit nachhaltig zu fördern, die als Grundlage
eines möglichst bewussten Umgangs mit Drogen gleichermaßen
die Möglichkeit eines reflektierten Gebrauchs wie eine abstinente
Haltung und auch gegebenenfalls das rechtzeitige Signalisieren eines
Hilfebedarfs einschließt.
Die vorherrschende Drogenpolitik basiert jedoch im Wesentlichen
auf der Forderung nach Abstinenz gegenüber den gesetzlich als
illegal definierten Substanzen. Gleichzeitig werden diejenigen kriminalisiert,
die sich dieser Vorgabe verweigern. Offensichtlich ist jedoch, dass
diese Politik weder den Konsum von Drogen, noch die Zunahme der
Anzahl der Abhängigen verringern konnte. Besonders deutlich
wird die Widersprüchlichkeit der gegenwärtigen Politik
am Beispiel der Drogen Alkohol und Nikotin, die trotz ihrer schädlichen
gesundheitlichen Auswirkungen und ihres Suchtpotenzials legal sind.
Voraussetzung für einen bewussten und verantwortungsvollen
Umgang mit psychoaktiven Substanzen ist der Zugang zu umfassenden
Informationen über deren Zusammensetzung und Wirkung. Eine
Drogenpolitik, die an den realen Bedingungen, den eigentlichen Bedürfnissen
und nicht zuletzt an der Mündigkeit der Menschen ausgerichtet
ist, muss darüber hinaus die legale Möglichkeit einer
selbstbestimmten Entscheidung über den Gebrauch von Drogen
beinhalten. Es wäre ein Schritt auf dem langen Weg von einer
Gesellschaft der vorgegebenen Unmündigkeit und Passivität
zu einer tatsächlich in vielfacher Hinsicht psychoaktiven Kultur.
ZEITREISEN
Die künstlerische Verarbeitung von Visionen, die im Zusammenhang
mit dem Gebrauch psychoaktiver Substanzen entstehen, lässt
sich vermutlich bis in die Steinzeit vor rund 30.000 Jahren zurück
verfolgen. So wiesen die beiden Prähistoriker Jean Clottes
und David Lewis-Williams nach, dass viele Höhlenbildnisse einer
Wiedergabe visionärer Erfahrungen von SchamanInnen entsprechen,
die durch Trance-Rituale und dabei möglicherweise auch durch
den Gebrauch psychoaktiver Substanzen eröffnet wurden. Felsmalereien
in vielen Teilen der Welt sind eng mit Trance-Erfahrungen von SchamanInnen
verbunden. Diese Gemälde sind nicht nur Bilder sondern kraftvolle
Ritual-Objekte. (David Lewis-Williams). Wesentlich jünger
aber nicht weniger beeindruckend sind die rund 3.000 Jahre alten
Felsmalereien in Tassili im Süden Algeriens auf denen Pilze
eine wesentliche Rolle spielen. Zu sehen sind unter anderem Figuren
aus deren Körper Pilze sprießen, andere halten Pilze
in den Händen. Hier liegt die Darstellung eines schamanistischen
Gebrauchs psychoaktiver Pilze in einem kulturell verankerten Kontext
nahe. Auch in Texas und in Kalifornien wurden mehrere tausend Jahre
alte Felszeichnungen entdeckt, die neueren Untersuchungen zufolge
auf den Gebrauch von bewusstseinsverändernden Substanzen in
schamanischen Ritualen hinweisen. Die Anthropologin Carolyn Boyd
verweist dabei auf die Darstellungen von Schamanen, die von den
psychoaktiven Pflanzen Peyote und Stechapfel umgeben sind. Ebenfalls
erhaltene Gemälde von Tieren interpretiert sie in diesem Zusammenhang
als Übertragung von Visionen auf Lebewesen, denen besondere
Kräfte zugesprochen wurden. Die anfangs kritischen bis völlig
ablehnenden Reaktionen vieler etablierter WissenschaftlerInnen auf
derartige Entdeckungen erinnern rückblickend an die Auseinandersetzung
um die im Ötztal gefundene rund 5.000 Jahre alte Mumie eines
Mannes. Dieser hatte eine Schnur mit getrockneten Birkenporlingen,
einer psychoaktiven Pilzsorte, um den Hals getragen, was auf ein
Wissen über dessen Wirkungsspektrum und weitergehend auf einen
entsprechenden Gebrauch schließen lässt. Nachdem erste
Veröffentlichungen auf diese Zusammenhänge hinwiesen,
wurden sie später in den offiziellen Forschungsberichten ignoriert
oder gar bestritten. Der Umstand, dass der sogenannte Ötzi
als einer unserer Vorfahren vermutlich psychoaktive Substanzen genutzt
hat, entspricht weder dem vorherrschenden wissenschaftlichen Weltbild
noch den touristischen Vermarktungskonzepten der regionalen PolitikerInnen.
Ein unbestritten enger Zusammenhang besteht zwischen dem traditionellen
Gebrauch von Ayahuasca und künstlerischen Ausdrucksformen bei
einigen Stämmen im Amazonas-Gebiet. Der aus verschiedenen psychoaktiven
Pflanzen hergestellte Ayahuasca-Trank dient zum Übergang in
eine andere Wirklichkeit, die im Gegensatz zur Realität des
Alltags als die eigentlich wahre verstanden wird. Die dabei auftauchenden
charakteristischen Muster, Linien und Energiefelder dienen einem
tieferen Verständnis des Lebens und werden von Schamanen zur
rituellen Erkennung und Heilung von Krankheiten genutzt. Von
den schönen Tätowierungen und Körperbemalungen, die
durch die Schamanen aufgebracht werden wird vermutet, dass sie die
gesunden Abarten der Muster sind, die der Schamane auf
der Haut des Patienten sehen kann. Erkrankungen führen zu spezifischen
Störungen der Muster und Ayahuasca ist eine potente Hilfe für
den Schamanen, der den Patienten aufs Neue richtig bemalt
und so seine Gesundheit wiederherstellt. (Jonathan Ott). Die
Muster lassen sich als Abbild in zahlreichen Gegenständen der
Alltagsrealität wiederfinden. So sind Textilien und zum Teil
Hütten und Häuser mit den Mustern gestaltet, die in kodierter
Form Botschaften aus der anderen Wirklichkeit beinhalten. Die künstlerische
Umsetzung der entsprechenden Visionen dient nicht zuletzt auch einer
Nachbereitung und Einordnung der Erfahrungen. Zu berücksichtigen
ist hierbei, dass das westliche Kunstverständnis nur begrenzt
auf derartige Werke zu übertragen ist. Einen isolierten Kunstbegriff
kennen viele traditionelle Kulturen nicht, vielmehr sind oftmals
die Übergänge zwischen Alltagsgegenständen, künstlerischen
Artefakten und rituellen Kultobjekten fließend.
Seit der Eroberung und Christianisierung Südamerikas wird versucht
Ayahuasca zu dämonisieren und zu unterdrücken. Im Zuge
des War on Drugs drängt die US-amerikanische Regierung
Brasilien dazu, den Gebrauch von Ayahuasca, der zur Zeit noch für
verschiedene religiöse Gruppen in einem sakramentalen Zusammenhang
erlaubt ist, vollständig zu verbieten. Bezeichnender Weise
versuchen gleichzeitig pharmazeutische Unternehmen aus den USA sich
die Patentrechte für die entsprechenden Substanzen zu sichern,
um deren Potenzial kommerziell zu nutzen. Das von Ayahuasca geprägte
Weltbild basiert dagegen auf einem Verständnis, welches von
der Eingebundenheit des Menschen in seine natürliche Umwelt
ausgeht und schon dadurch den Gedanken an eine profitorientierte
Ausbeutung natürlicher Ressourcen ausschließt. Der peruanische
Künstler Yando Rios beschreibt entsprechend in seinen Gemälden
die wechselseitigen Abhängigkeiten indem er Figuren zeichnet,
deren Körper sich bei genauerer Betrachtung aus einer Vielzahl
von Tieren und Pflanzen zusammensetzen. Symbolisch wird hier ausgedrückt,
dass jeder einzelne Organismus wiederum einen Teil eines übergreifenden
Organismus bildet. Wenn ein Element in Mitleidenschaft gezogen wird
oder ganz verschwindet, dann hat dies zwangsläufig auch einen
Einfluss auf den gesamten Organismus. Die inzwischen gerade in der
Ökologie-Bewegung weit verbreitete ganzheitliche Gaia-Theorie,
welche den Planeten Erde als eine riesige lebendige Einheit beschreibt,
findet hier eine Entsprechung. Auch der Schamane Pablo Cesar Amaringo,
der seine Ayahuasca-Visionen in zahlreichen Gemälden dargestellt
hat, verurteilt scharf die vorherrschende Dominanz des Profites
über die Natur und beschreibt aus der Perspektive der Ayahuasca-Wirklichkeit
die Zerstörung der natürlichen Umwelt. Ich empfinde
eine tiefe Traurigkeit wenn ich sehe wie der Regenwald vernichtet
wird. Wenn jemand Ayahuasca zu sich nimmt, dann ist es manchmal
möglich die Bäume weinen zu hören wenn sie gefällt
werden. Die Geister müssen sich dann neue Plätze suchen
weil ihr physischer Teil in dem sie wie in einem Haus leben zerstört
wird. Zusammen mit dem Anthropologen Luis Eduardo Luna baute
Amaringo 1988 mit der Usko-Ayar Amazonian School of Painting ein
Projekt auf, das insbesondere Kindern und Jugendlichen aus ärmlichen
Verhältnissen kostenlos die Möglichkeit gibt unter Anleitung
und Bereitstellung der nötigen Materialien sich selbst künstlerisch
zu entfalten. Ein Bild zu malen ist ein Weg zu sehen und indem
du lernst zu sehen wirst du auch mehr verstehen. Bezeichnender
Weise wird Ayahuasca symbolisch im Logo der Schule als ein die verschiedenen
Welten verbindendes Element dargestellt.
VISION UND ABGRUND
Der Begriff der psychedelischen Kunst bezieht sich im engeren
Sinne auf Entwicklungen seit den sechziger Jahren in Nordamerika
und Westeuropa. Als Ausdruck, aber auch als prägendes Element
vielschichtiger gesellschaftlicher Veränderungsprozesse erlangten
Psychedelika gerade in den Jugendbewegungen dieser Zeit eine besondere
Bedeutung. Zwangsläufig drückte sich dies in der Literatur,
der Musik und der bildnerischen Kunst aus, wobei die psychedelische
Erfahrung in ihrer besonderen Dynamik für viele KünstlerInnen
eine stimulierende kreative Wirkung hatte. Robert Masters und Jean
Houston fassten die vorrangigen Merkmale der Psychedelischen Kunst
1968 folgendermaßen zusammen: Zugänglichkeit zu
unbewusstem Material, Auflockerung der Grenzen des Ich, Freiwerden
und Flexibilität der Gedanken, intensivierte Aufmerksamkeit
oder erhöhte Konzentration, Auflösung von Wahrnehmungskonstanten,
erhöhte Aufnahmefähigkeit für visuelle Bilderwelten
und Phantasien besonderer symbolischer und mythologischer Art, Verfeinerung
des Einfühlungsvermögens, Beschleunigung der Denkgeschwindigkeit,
regressive Ego-Funktionen, scheinbares Erkennen der Vorgänge
und Organe innerhalb des Körpers, das Erkennen tiefer psychischer
und geistiger Ebenen des Ich, in manchen Fällen verbunden mit
der Fähigkeit zu tiefem religiösen und mystischen Erleben.
Viele KünstlerInnen beschrieben ihre ersten psychedelischen
Erfahrungen als ein Erlebnis, welches ihre Kreativität nachhaltig
prägte oder sie überhaupt erst öffnete, nachdem sie
bis dahin weitgehend verschlossen war. Ein besonders prägnantes
Beispiel hierfür ist Isaac Abrams, dessen Leben sich nach einem
LSD-Trip 1965 grundlegend veränderte. Abrams charakterisierte
sich selbst rückblickend als einen kontrollierten und rationellen
Menschen, der weit entfernt vom Tanz des Lebens auf
seinen Verdienst und seine äußere Erscheinung fixiert
war und doch unterschwellig spürte, dass ihm etwas fehlte.
Psychoaktive Substanzen halfen ihm seine Blockaden zu erkennen und
im Zuge eines tiefgreifenden Prozesses aufzubrechen, wobei ihm eine
begleitende Psychotherapie bei der Aufarbeitung der Entwicklungen
nachhaltig unterstützte. Die psychedelischen Drogen haben
in mir den Sinn für Harmonie und Schönheit geweckt. Zum
ersten Mal in meinem Leben kann ich mich an der Schönheit eines
Blattes erfreuen und in den Vorgängen der Natur eine Bedeutung
erkennen. Würde ich ein hässliches Bild malen, es wäre
eine Lüge für mich. Ich habe entdeckt, dass ich durch
meine Feder und meinen Pinsel fließen kann; alles was ich
tue, wird ein Teil meiner selbst - ein Austausch von Energien.
Abrams ist auch später seinen Weg konsequent weitergegangen.
1996 setzte er nach jahrelangen Vorarbeiten die Vorstellung eines
fast zwanzig Meter hohen begehbaren Kaleidoskops um, welches er
selbst als erste Kathedrale des 3. Jahrtausends bezeichnete.
Auch Alex Grey, der zu den bekanntesten und zweifellos in seinem
Werk beeindruckendsten psychedelischen Künstlern gehört,
ermöglichte der Gebrauch psychoaktiver Substanzen einen Zugang
zu einem ihm in dieser Tiefe zuvor unbekannten ganzheitlichen Verständnis
von Liebe und Transzendenz. Als wesentlichen Ausdruck seines veränderten
Lebensentwurfs widmete er diesem Verständnis fortan sein künstlerisches
Schaffen. Alex Grey spricht dabei zumeist bewusst von einer entheogenen
Erfahrung, eine Beschreibung die sich frei übersetzt auf eine
durch psychaktive Substanzen eröffnete Erfahrung des Göttlichen
im Innern bezieht. Der von Jonathan Ott geprägte Begriff Entheogene
wird seit einiger Zeit verstärkt alternativ zur Bezeichnung
Psychedelika im Zusammenhang mit dem traditionellen schamanistischen
Gebrauch psychoaktiver Pflanzen, sowie für eine spirituell
orientierte Betrachtungsweise genutzt. Im Zentrum der Gemälde
von Grey steht der Mensch, den er gleichermaßen in physikalischen,
metaphysischen und spirituellen Dimensionen beschreibt. Die dargestellten
Personen sind zumeist als vielschichtige Energiefelder transparent
dargestellt. Zu sehen sind Körperbahnen, verschiedene Organe,
die Chakren und die Aura. Zudem tauchen im Hintergrund oder in den
Körpern immer wieder Augen als klassisch psychedelisches Symbol
der eröffnenden Transzendenz auf. Die einzelnen inneren Energiefelder
stehen in Wechselbeziehung zu äußeren Feldern und bilden
einen Bestandteil eines kosmischen energetischen Zusammenhanges.
In den Gemälden erscheint der Akt der Liebe dadurch genauso
wie die Geburt oder auch der Tod eingebettet in einen endlosen Fluss
von Energien.
In Anlehnung an verschiedene Theorien der Kreativität entwickelte
Grey eine eigene in sechs Schritte unterteilte Theorie des kreativen
Prozesses in der sich Elemente des I-Ging genauso finden lassen
wie die der Psychoanalyse. Die Entstehung eines Kunstwerkes als
Synonym für eine kreative Entwicklung überhaupt ist diesem
Verständnis zufolge immer auch mit einer Auseinandersetzung
mit der eigenen Persönlichkeit verbunden. Der kreative Prozess
geht dabei von einer anfänglichen Frage aus, die dann in die
Suche nach der Antwort mündet, wobei im Grunde die Fragestellung
auf einer tieferen unbewussten Ebene die Antwort schon in sich trägt.
Das Konzept lässt sich auch auf den Ablauf einer bewussten,
in einem rituellen Rahmen eingebetteten psychedelischen Erfahrung
übertragen, die zu einem tieferen Verständnis innerer
Prozesse führen soll: 1) Formulation: Entdeckung des
Themas oder des Problems des Künstlers. 2) Saturation: Eine
Periode intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema bzw. dem Problem.
3) Incubation: Dem Unbewussten Zeit lassen, um die Information zu
verarbeiten und eine Antwort zu entwickeln. 4) Inspiration: Die
Idee von einer eigenständigen Lösung des Problems aufkommen
lassen. 5) Translation: Der inneren Lösung eine äußere
Form geben. 6) Integration: Die gefundene Antwort kreativ mit Anderen
teilen und ein Feedback erhalten.
Einen visionären Gegenentwurf zu den glücksbetonten und
spirituellen Welten vieler psychedelischer KünstlerInnen bildet
das Werk von H. R. Giger. Fast durchgängig in dunklen Farben
gehalten beschreiben seine Bilder Alpträume und Horrorvisionen.
Metaphorisch werden die Abgründe der menschlichen Existenz
wie auch einer persönlich empfundenen tiefen Lebensangst in
eine apokalyptische Welt übertragen in der sich bizarre Kreaturen
tummeln, darunter bizarr mutierte Säuglinge genauso wie die
dämonenhaften Wesen aus den Werken H. P. Lovecrafts. Internationale
Bekanntheit erlangte Giger vor allem durch die Kreation des Alien
aus dem gleichnamigen Film. Ein gerade im Vergleich zu anderen Science-Fiction-
oder Horror-Filmen in seiner Wirkung nahezu perfekt gestaltetes
Wesen, welches die Besatzung eines Raumschiffs bis auf eine letzte
Überlebende dezimiert und als scheinbar übermächtige
äußere Bedrohung doch nur auf einer symbolhaften Ebene
Ausdruck innerer Abgründe ist. Die unterschwellige existenzialistische
Frage nach dem Sinn des Daseins wird in den Gemälden Gigers
vielfach mit Leid und Qual beantwortet, in anderen Bildern stellt
sich diese Fragestellung überhaupt nicht mehr. Hoffnung erscheint
dann nur als Sehnsucht, die jedoch unerfüllt bleibt, auch wenn
gerade diese den Landschaftsbildern und Frauenportraits eine tiefe
dunkle Schönheit verleiht. Das Licht, das in einige Bilder
fällt, ist jedoch keines, das wärmt oder gar auf eine
bessere Welt verweist. Der erste Gepfählte, der mich
als Kind fesselte, war eine lebendige Vogelscheuche aus einem Dialektmärchen,
welches meine Mutter mir immer wieder vorlesen musste. Ich glaube,
dieses durch diesen Pfahl fixierte Leben, für das es nur durch
einen möglichst schnellen Tod Erlösung gab, zeigte mir
nüchtern die Sinnlosigkeit eines Daseins. Eines Daseins, welches
man besser gar nicht erst angetreten hätte. In vielen meiner
Arbeiten widerspiegelt sich dieses Ausgeliefertsein, welches keinen
religiösen Glauben aufkommen lässt.
Auch ohne Drogenbezug gleichen viele Gemälde Gigers Erfahrungsebenen
die mit den Wahrnehmungen von Horrortrips vergleichbar sind, welche
wiederum keinen künstlich erzeugten Wirklichkeiten entsprechen,
sondern innere Abgründe als Teil einer entfremdeten Welt offenbaren.
Ein direkter Einfluss einer psychedelischen Betrachtungsweise auf
die Arbeiten von Giger ist für die frühen siebziger Jahre
belegt. Ausgehend von Fotos, welche die Arbeit der Müllabfuhr
zeigen, verfremdete er in seinen Passagen-Gemälden die Rückansicht
des Wagens und die Entleerung der Mülltonnen in zahlreichen
Bildern, und zwang ihnen, wie er selbst ausführte,
mit Hilfe der psychedelischen Malerei alle möglichen
Realitäten auf. In dieser Zeit setzte sich Giger auch
nachdrücklich dafür ein, Timothy Leary in seiner Schweizer
Heimat Asyl zu gewähren, wohin dieser sich nach der Verurteilung
wegen Vergehens gegen die US-amerikanische Drogengesetzgebung geflüchtet
hatte. Wohl in Anbetracht der Gefahr einer Stigmatisierung antwortete
Giger später in Interviews auf Fragen zum Einfluss von Psychedelika
auf sein Werk durchgängig mit der schlichten und doch vieldeutigen
Aussage Drogen sind verboten. Unabhängig von Überlegungen,
in welchem Umfang psychedelische Substanzen seine Arbeiten tatsächlich
direkt oder indirekt beeinflusst haben, sind die Gemälde ein
Synonym für die realen Abgründe des Lebens. Diese werden
durch Psychedelika nicht erzeugt, können aber gerade durch
sie in einer besonderen Tiefe offenbart werden. Giger, du
sezierst rasiermesserscharf Teile des Gehirns und überträgst
sie, noch pulsierend, auf die Leinwand. (Timothy Leary).
Die Werke von Isaac Abrams, Alex Grey und H. R. Giger geben in ihrer
Ausdruckskraft Pole menschlicher wie psychedelischer Erfahrungen
wieder. Augenfällig wird an Hand dieser Beispiele, dass Psychedelika
keineswegs zwangsläufig zu Halluzinationen oder gar zu einer
psychotischen Persönlichkeitsveränderung führen wie
von den VertreterInnen einer prohibitionistischen Drogenpolitik
bis heute immer wieder unterstellt wird. Aber auch die Annahme eines
mit dem Gebrauch von Psychedelika verbundenen Automatismus, der
geradlinig zu einer positiven Entwicklung führt, hat sich längst
als Illusion erwiesen. Eine differenzierte, von empirischen Untersuchungen
ausgehende Beschreibung des Wirkungsspektrums psychedelischer Substanzen
lieferte eine 1985 von Adolf Dittrich geleitete Studie, die sich
in ihren Ergebnissen tendenziell auf die Werke der drei beschriebenen
Künstler übertragen lässt. Hinsichtlich der Phänomenologie
außergewöhnlicher Bewusstseinszustände wurden
dabei nach einer Versuchsreihe mit 500 Probanden im wesentlichen
drei Erfahrungszustände unterschieden: Die sogenannte Ozeanische
Selbstentgrenzung beschreibt beglückende Erfahrungen
wie das Gefühl des Einsseins mit sich und der Welt. Die Angstvolle
Ichauflösung entspricht einem Horror-Trip, also den bedrohlichen
Aspekten wie der Angst vor einem Kontrollverlust, und der Zustand
der Visionären Umstrukturierung schließt
Veränderungen von Bedeutungsebenen, halluzinatorische Wahrnehmungen
und synästhetische Aspekte ein.
KLINGENDE FARBEN
Der psychedelischen Erfahrung entsprach es, dass in den sechziger
Jahren in vielfältiger Weise die Zweidimensionalität eines
Gemäldes verlassen und mit neuen Ausdrucksformen experimentiert
wurde. Es ging darum, nicht länger nur etwas passiv zu betrachten,
sondern sich selbst in einem Raum zu bewegen, dessen Form nicht
starr ist, sondern in fließender Bewegung. Derartige Ansätze
waren zweifellos nicht auf die psychedelische Bewegung, die in der
zweiten Hälfte des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erlebte,
beschränkt, oder ausschließlich auf den Gebrauch von
Psychedelika zurückzuführen. Sie wurzelten vielmehr in
einer übergreifenden soziokulturellen Strömung, die sich
in unterschiedlichen Bereichen verkrusteten Strukturen entgegenstellte
und zum Teil auch aufbrach. Der massenhafte Gebrauch von Psychedelika
war ein Ausdruck dieser Entwicklungen und prägte sie an einigen
Punkten zugleich nachhaltig.
Ein verstärkt genutztes künstlerisches Element war der
Einsatz von Projektionen und besonderen Lichteffekten. KünstlerInnen
wie Don Snyder, Glenn McKay und insbesondere dem Duo Jackie Cassen
und Rudi Stern gelang es dadurch Aspekte der psychedelischen Erfahrung
eindrucksvoll widerzuspiegeln und gleichzeitig eine Umgebung zu
schaffen, die einen Trip als psychedelische Reise in einer positiven
Weise unterstützt. Farbe und Formen gingen dabei fließend
und pulsierend ineinander über, kaleidoskopartig wurde eine
andere Wirklichkeit beschrieben. Eingesetzt wurden dabei neben abstrakten
Motiven auch Dias mit Aufnahmen, die von schemenhaften Figuren bis
zu kosmischen Bildern oder Mikroorganismen reichten. KünstlerInnen,
die betont auf gesellschaftliche Zusammenhänge verwiesen, integrierten
auch Kriegsszenen oder Bilder von Demonstrationen. Vielbeachtet
waren die Psychedelic Celebrations bei denen Cassen und Stern Vorträge
von Timothy Leary visuell begleiteten. Das Publikum war komplett
high. Timothy saß da im Schneidersitz mit einem wunderbaren
Ausdruck. Wir richteten eine Projektion auf ihn und er begann über
Tune in, turn on, drop out zu sprechen und wir alle
begaben uns auf einen Trip in die Welt des magischen Theaters von
Hermann Hesses Steppenwolf. Wir verdunkelten den Raum und begannen
die verschiedenen Leinwände mit Projektionen zu bestrahlen,
einmal setzten wir hunderte Fotografien von schönen Frauen
ein, auf den Leinwänden spielten Gesichter, Münder und
Augen miteinander. (Rudi Stern). Unter dem Überbegriff
Mixed Media wurden diese Techniken insbesondere in Diskotheken
und auf Konzerten mit anderen Ausdrucksformen verbunden, um so die
Idee einer umschließenden künstlerischen bzw. psychedelischen
Erfahrung weiterzuentwickeln, die nachhaltig auf Sinne und Bewusstsein
einwirkt.
Der zunehmende Einfluss fernöstlicher Religionsentwürfe
auf die psychedelische Bewegung, der nicht zuletzt auch von Leary
repräsentiert wurde, schlug sich im künstlerischen Bereich
insbesondere in den Werken des Projektes USCO (The Us Company) nieder.
Die Mitglieder der zeitweise kommuneartig in einer ehemaligen Kirche
zusammenlebenden Gruppe schufen unter anderem Installationen in
denen Buddha und hinduistische Gottheiten in psychedelischen Farben
dargestellt wurden. Umgeben wurden diese Motive von spirituellen
Symbolen und Lichteffekten, die den Zustand der Erleuchtung bzw.
positive Energiefelder symbolisierten. Die psychedelische Erfahrung
tiefer Zusammenhänge und einer Wirklichkeit die über das
Alltagsbewusstsein hinausgeht, korrespondierte dabei mit spirituellen
Erklärungsmustern. Bis heute machen zahllose Beispiele deutlich,
dass die Einordnung in religiöse Systeme die Auseinandersetzung
mit den teilweise äußerst schwer zu verarbeitenden Trip-Erlebnissen
erleichtert. Gleichzeitig nimmt sie ihnen aber wesentlich an Tiefe
indem sie der potenziell befreienden Auflösung von Grenzen
wieder einen Rahmen gibt. Diese können gerade im Zusammenhang
mit autoritär strukturierten Religionsmodellen oftmals zu einer
die eigene Entfaltung einschränkenden Mauer werden. Der Übergang
von der Suche nach Erkenntnis zur Flucht in eine spirituelle Scheinwelt
ist dabei fließend. Vor diesem Hintergrund ermöglichten
die Blumenkinder manch einem indischen Guru in seiner vorgeblichen
Losgelöstheit von irdischen Begierden ein Leben in Luxus.
Der Einfluss psychedelischer Substanzen durchzog in den späten
sechziger Jahren nahezu alle Bereiche künstlerischen Ausdrucks.
Besonders deutlich war dies im Bereich der Pop- und Rock-Musik.
Unzählige Song-Texte waren deutlich LSD-getränkt und nicht
zuletzt die Beatles als herausragende Band der sechziger Jahre kreierten
mit Stücken wie Tomorrow never knows und A
day in the life psychedelische Klassiker. John Lennon bekannte
später einmal, dass er wohl tausend Trips eingeworfen habe.
Die Doors beschworen gleichzeitig den Schrei des Schmetterlings
und verkörperten dabei einen vergleichsweise düsteren,
dionysischen Weg in die andere Wirklichkeit. Jefferson Airplane
besangen die Abenteuer von Alice im Wunderland und Grateful
Dead zelebrierten bis in die neunziger Jahre ihre Auftritte als
betont gemeinschaftliche psychedelische Manifestation. Andere Gruppen
wie Pink Floyd schufen anfangs einen neuen Klangkosmos der bewusst
an psychoaktiven Erfahrungen ausgerichtet war. Einige Veranstaltungsorte
waren dabei im Stile eines psychedelischen Environments unter anderem
mit besonderen Lichtinstallationen und Bildprojekten ausgestattet.
Zwangsläufig spiegelten sich diese Entwicklungen auch in zahllosen
Schallplattencovern, wobei bis heute insbesondere die von Mati Klarwein
gestalteten Cover für Santana als Inbegriff psychedelischer
Cover-Kunst gelten. Im Bereich der Konzertplakate erlangten vor
allem die von Rick Griffin und Wes Wilson gestalteten Motive für
das Fillmore Auditorium in San Francisco Kultcharakter, wobei es
Wilson gelang Jugendstil-Einflüsse ausdrucksstark in einen
psychedelischen Kontext zu integrieren.
Das Londoner Oz-Magazin gehörte zu den herausragenden Underground-Magazinen
der Zeit. Insbesondere die Cover waren häufig psychedelisch
inspiriert und setzen sich experimentierfreudig mit den Utopien
und gesellschaftlichen Widersprüchen der Zeit auseinander.
Von einem Oz-Cover blickte ein verfremdeter Bob Dylan, der sich
als der von ihm selbst besungene Mr. Tambourine Man
auf einen Trip befindet. Auf einem anderen schweben zwei Frauen
in einer Badewanne durch ein psychedelisches Universum. Die beständige
Abbildung nackter Frauenkörper als Blickfang gehörte dabei
nicht nur bei Oz zu einer von Männern geprägten Normalität.
Oz bezog aber auch politisch klar Stellung. So symbolisierte auf
einem Titelbild ein roter verlaufener Farbfleck auf einem Schwarz-Weiß-Foto,
welches die Erschießung eines Gefangenen zeigt, den menschenverachtenden
Wahn des imperialistischen Vietnam-Krieges. Neben vergleichbaren
Zeitschriften wurde auch in den Underground-Comix von Robert Crumb
und Gilbert Shelton der Gebrauch von Drogen für die skurril
gezeichneten Figuren zu einer Selbstverständlichkeit. Mit einem
eigenwilligen Humor illustrierten die Storys einen freakigen Alltag,
wobei Trip-Erfahrungen oftmals ironisch persifliert wurden, indem
sich beispielsweise Gesichter Bild für Bild immer weiter auflösten.
Rückblickend ist der Zusammenhang mit persönlichen psychedelischen
Erfahrungen offensichtlich: Ich nahm diese abgedrehte Droge
und sie würfelte mein Hirn völlig durcheinander. Die Auswirkungen
hielten monatelang an. Ich gab jede fixierte, zusammenhängende
Vorstellung von dem auf, was ich gerade machte, und begann diese
Comic-Strips zu malen, die direkt aus dem Unterbewusstsein kamen.
All die Charaktere, die ich in den nächsten Jahren malte, entstanden
in dieser Phase in mir. (Robert Crumb).
Psychedelische Erfahrungen fanden zwangsläufig auch im Bereich
des Films ihren Niederschlag. Das Spektrum reichte von den okkult-psychedelischen
Experimenten Kenneth Angers über die Bilderfluten eines Jud
Yalkut, der versuchte Trip-Erlebnisse visuell umzusetzen, bis zu
dem abgedrehten Pop-Art-Film Yellow Submarine oder Stanley
Kubricks Klassiker 2001 - A Space Odyssey der offensichtlich
von der Ästhetik der Zeit geprägt war. Wenn in einer Schlüsselszene
der Astronaut Dave in das Innere eines mysteriösen schwarzen
Monolithen blickt, dann gleicht seine Erkenntnis einer psychedelischen
Vision: Mein Gott, es ist voller Sterne! Auch das wichtigste
Theaterprojekt der sechziger Jahre, das Living Theatre, bezog sich
auf Psychedelika. Die Gruppe um Judith Malina und Julian Beck durchbrach
mit ihren Aufführungen die Barrieren zwischen SchauspielerInnen
und Publikum, beteiligte sich dabei mit eigenen Performance-Aktionen
an Friedensdemonstrationen und provozierte mit Liebesszenen in Fußgängerpassagen.
In einer berühmten Szene ihres Stückes Paradise
Now entkleideten sich die Akteure während sie verbal
repressive gesellschaftliche Strukturen angriffen und dabei beispielhaft
auch das Marihuana-Verbot aufführten. Wir waren gewillt
mit allem zu experimentieren, was zur Befreiung unseres Bewusstseins
beitragen kann. LSD trägt eine bestimmte messianische Vision
in sich, ein besonderes Verständnis der Bedeutung von Freiheit,
eine erotische Fantasie, eine politische Fantasie, eine soziale
Fantasie ...
REVOLUTION AUF ACID
Gerade in den späten sechziger Jahren offenbarte sich ein
weit über den gängigen Kunstbegriff hinausgehendes Verständnis
von psychedelischer Kunst als Lebensentwurf. Der Schriftsteller
Ken Kesey, der einst als Kopf der Merry Pranksters mit dem in psychedelischen
Farben bemalten Further-Bus durch die USA zog und die
sogenannten Acid-Tests als ritualhafte LSD-Partys organisierte,
sprach von LSD als Wegbereiter einer besseren Welt. Kesey zufolge
kann LSD jemanden dazu befähigen, das Leben zu einem Kunstwerk
zu machen, weit mehr als es ihn dazu befähigt mit Kunst das
Leben abzubilden. John Sinclair, der später als Manager der
einflussreichen Polit-Rock-Band MC5 auf Grund des Verschenkens von
zwei Joints zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sprach
schon 1964 von der Entwicklung bewusster Gemeinschaften von
KünstlerInnen und Liebenden, die zusammen leben und alles miteinander
teilen, die zusammen Dope rauchen, tanzen, ficken und gemeinsam
die Botschaft der Veränderung verbreiten. Derartige Visionen
bildeten die Grundlage der Yippies, dem radikalisierten Flügel
der Hippie-Kultur, im Sinne eines umfassenden Politikverständnisses,
welches die Eingrenzungen des Kunstbegriffs aufhob und ihn als Teil
einer gelebten Widerstandskultur neu definierte, die auch den Gebrauch
von Psychedelika einschloss: Unsere Politik ist unsere Musik,
unser Geruch, unsere Haut, unser Haar, sind unsere warmen Körper,
unsere Drogen, unsere Underground-Zeitungen; unsere Politik ist
unsere Energie, unsere Vision. (Jerry Rubin). Im viel beschworenen
Summer of Love des Jahres 1967 schienen derartige Träume
greifbar zu werden und nicht zuletzt das längst legendäre
Woodstock-Festival im folgenden Jahr machte zumindest in Ansätzen
deutlich, dass das psychedelische Utopia im Hier und Jetzt verwirklichbar
ist. Es ist kaum möglich dieses Gefühl einer friedlichen
Gemeinschaft von 400.000 Menschen zu beschreiben, in der alle irgendwie
high sind... (Abbie Hoffman).
Doch langfristig überlebten derartige kulturrevolutionären
Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens als Kunstwerk nur in
einigen gesellschaftlichen Nischen. Auch wenn die gegenkulturellen
Bewegungen der späten sechziger Jahre viele Bereiche nachhaltig
veränderten, darunter das Verhältnis zur Sexualität,
das Verständnis der Erziehung und nicht zuletzt den Umgang
mit Autoritäten, so scheiterten sie als Ganzes in ihrem umfassenden
Ziel einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung. Das System
reagierte zum einen mit repressiven Maßnahmen, die sich in
den Versuchen niederschlugen einflussreiche Organisationen der Gegenkultur
bzw. darüber hinausgehend die Praxis eines anderen Lebens zu
zerschlagen. Der ohnehin repressive Charakter der Drogenpolitik
wurde dabei durch das Verbot von LSD weiter verschärft. Zugleich
setzte der Prozess der Vereinnahmung und Entschärfung kritischer
Inhalte im Zuge der Kommerzialisierung weiter Teile der Bewegungen
ein. Bezeichnender Weise empfahl schon 1968 sogar das Wall Street
Magazine in einen Leitartikel seinen LeserInnen Nennen Sie
ihre Ware psychedelisch und sie verkauft sich rasend. Die
vormals zutiefst verurteilte Jugendkultur war inzwischen in ihrem
kommerziellen Potenzial als neuer Absatzmarkt erkannt worden. Die
farbenfrohe psychedelisch inspirierte Kleidung wurde genauso wie
entsprechende Musikveröffentlichungen zu einer auf das Klischee
reduzierten, industriell produzierten Massenware. Bis heute lebt
Haight-Ashbury, das einstige Zentrum der Hippie-Bewegung im Herzen
von San Francisco, von der profitablen Ausschlachtung des psychedelischen
Mythos. Das System, das selbst seine Antithese zu einer Ware macht,
hatte sich in seiner verschlingenden Dynamik einmal mehr als stärker
erwiesen.
Es war jedoch nicht nur der Druck von außen der die psychedelische
Bewegung wie auch die Gegenkultur der späten sechziger Jahre
als Ganzes scheitern ließ. Ein beträchtlicher Teil derer,
die daran glaubten, dass LSD die Welt befreien würde, verlor
sich später in persönlichen Widersprüchen. Der Gebrauch
von Psychedelika macht die andere Welt nur sichtbar, sich darin
zu bewegen und die Erfahrungen über einen längeren Zeitraum
im eigenen Alltag zu integrieren oder gar eine soziale Alternative
zu entwickeln, setzt wesentlich mehr voraus als das Einwerfen eines
Trips oder das Verfassen eines Flugblattes. So ließen sich
immer mehr der einstigen Blumenkinder und Polit-AktivistInnen auf
Kompromisse mit dem ehemals bekämpften System ein. Wir
sind die vor denen uns unsere Eltern gewarnt haben lautete
der längst sprichwörtliche Titel eines zeitgenössischen
Buches über die Gegenkultur der späten sechziger Jahre.
Wir gehören nun zu denen, die wir einst bekämpften
hätte es rund zwei Jahrzehnte später vielfach heißen
können.
PSYCHEDELIC TRANCE
Zu einem Revival psychedelisch beeinflusster Ausdrucksformen
kam es seit den neunziger Jahren im Rahmen der Techno-Kultur, wobei
der Gebrauch von LSD und psychoaktiven psilocybinhaltigen Pilzen
insbesondere in der Psychedelic-Trance-Szene verankert ist. Deren
Entwicklung wurzelt im indischen Goa, das seit den siebziger Jahren
als Treffpunkt für Freaks und AussteigerInnen aus der ganzen
Welt gilt. In den späten achtziger Jahren öffnete sich
diese Szene zunehmend der aufkommenden Techno-Musik. Es entstand
ein eigenständiger musikalischer Stil, sowie eine besondere
Kultur, die bis heute sowohl stark von spirituellen wie auch von
psychedelischen Elementen der Hippie-Bewegung beeinflusst ist. Kennzeichnend
für zahlreiche Psychedelic-Trance-Partys sind neben der Musik
auch vielfältige visuelle und künstlerische Elemente,
wobei das Gestaltungskonzept in dieser Hinsicht an die Mixed-Media-Shows
der späten sechziger Jahre anknüpfte. Charakteristisch
sind pulsierende Diaprojektionen und fluoreszierende Gemälde
mit zumeist trippigen oder spirituellen Motiven. Zum Teil werden
auch entsprechende Video-Projektionen und großflächige
Lichteffekte eingesetzt, um eine entsprechende Atmosphäre zu
gestalten und gegebenenfalls dadurch die PsychonautInnen auf ihren
Reisen in den Weltraum des eigenen Bewusstseins zu begleiten. Eine
gute Party wird vielfach gleichermaßen als ein riesiges Trance-Ritual
wie auch als ein buntes Happening verstanden, in dem die Grenzen
von Kunst und Leben aufgehoben sind. Die Leute sind alle phantasievoll
in bunten Farben gekleidet. Sie stellen immer wieder verschiedene
Charaktere dar. Es ist eine Zusammenkunft verschiedener Realitäten.
Die ursprünglichen tiefen Energien sind ein Teil eines Kreises,
der von den SchamanInnen der alten Stammeskulturen über die
Hexen und ihrer Magie bis zu den Hippies und ihrem Ruf nach Frieden,
Freiheit und Liebe reicht. (Pavan W. Ananta).
In ihrer Gesamtheit wurde die Techno-Kultur jedoch noch schneller
kommerziell vereinnahmt als die Jugendbewegungen zuvor. Alternative
Ansätze wurden bald in den Underground verdrängt, während
auch in weiten Teilen der Psychedelic-Trance-Szene eine völlig
entpolitisierte, konsumorientierte Haltung und ein unreflektierter
Drogengebrauch zu einer Normalität wurden. Dennoch spiegeln
immer wieder Underground-Partys und Free-Raves in ihrer betont gegenkulturellen
und zum Teil offensichtlich psychedelisch ausgerichteten Praxis
eine Verbindung von Kultur, Politik und Leben. Entsprechend beschrieb
das Sonics-Cybertribe-Netzwerk in einer Selbstdarstellung das Bestreben
Räume zu entwickelten als ein zentrales Ziel seiner
Mitglieder: Räume in denen wir gemeinschaftlich tanzen,
lachen und lieben. Räume die für kreative Entfaltung und
Ekstase stehen. Räume in denen wir im Alltag gleichberechtigt
Neues entwickeln. Räume mit denen wir uns widersetzen. Räume
als phantasievolles Experiment. Räume als Ausdruck von Veränderung.
Eine besondere Bedeutung erlangte in der Techno-Kultur auf vielen
Partys und Raves der Chill-Out-Bereich. Im Gegensatz zum Tanzbereich
steht der Chill-Out für eine Räumlichkeit die Entspannung
und Erholung ermöglicht und gegebenenfalls auch ein Setting
bietet, welches einen vergleichsweise risikoarmen Drogenkonsum ermöglicht.
Ein guter Chill-Out bietet Sitz- und Liegegelegenheiten, ist zumeist
visuell besonders ansprechend gestaltet und entspricht vielfach
dadurch einem psychedelischen Environment. Von diesem Ansatz ausgehend
konzentrierte sich Hans Cousto im Rahmen der von ihm konzipierten
Orpheus-Brain-Box auf die Intensivierung der momentanen Erfahrung
innerhalb eines von besonderen optischen und akustischen Stimulationen
bestimmten psychoaktiven Erlebnisraumes. Die von Cousto als ein
dionysischer High-Tech-Tempel beschriebene Installation
ist als großflächiges Zelt angelegt, das zahlreiche Sitz-
und Liegegelegenheiten bietet und von besonderen Diaprojektionen
und Lichtinstallationen beleuchtet wird. Cousto verbindet dabei
Erkenntnisse der Bewusstseinsforschung mit Erfahrungen aus dem Bereich
der Synästhesie und Experimenten psychedelischer Kunst- und
Musikprojekte. Zu Beginn einer Session wird eine Atmosphäre
geschaffen, die für ruhige Entspannung und gelassene Aufmerksamkeit
sorgt, danach sollen die vielschichtigen visuellen und akustischen
Einflüsse die bildhafte Vorstellung der anwesenden Personen
fördern, um dann in einen trancehaften Zustand überzuleiten.
Nach einem sanften Ausklang wird die Möglichkeit gegeben sich
auszuruhen und die Erlebnisse zu reflektieren.
DIE WELT IM WASSERTROPEN
Eine immer wieder aufbrechende Diskussion besteht hinsichtlich
des Verhältnisses zwischen dem Gebrauch von Psychedelika und
künstlerischer Kreativität. Charakteristisch ist eine
in den Tagebüchern von Anais Nin wiedergegebene Kontroverse
zwischen der Schriftstellerin und Aldous Huxley, die fernab von
oberflächlichen Verurteilungen oder Beschönigungen des
Drogenkonsums, zwei zentrale Positionen der Diskussion vertraten.
Beide hatten in den fünfziger Jahren prägende Erfahrungen
mit psychedelischen Substanzen gemacht und sich literarisch damit
auseinandergesetzt. Nin ging allerdings davon aus, dass es möglich
ist, die durch Meskalin und LSD eröffneten inneren Räume
auch ohne den Gebrauch von Drogen zu betreten. Wir sind alle
nicht auf Drogen angewiesen, wenn wir richtig angeleitet und dazu
erzogen wären Musik, Malerei, Dichtung, Meditation und Träume
zu verstehen. Huxley widersprach, indem er sinngemäß
darauf verwies, dass Nin einen Zugang zu ihrem Unterbewusstsein
besitzt, der den meisten Menschen nicht gegeben ist und diese deshalb
Werkzeuge wie Psychedelika benötigen. Neben der inhaltlichen
Differenz spiegelten die beiden Positionen auch die unterschiedlichen
Persönlichkeiten wider. Im Gegensatz zu Nin war Huxley ein
intellektuell geprägter und äußerst kontrollierter
Mensch, dem seine Experimente mit Meskalin ermöglichten loszulassen
und einen neuen Zugang zu sich selbst zu finden. Noch entschiedener
als Huxley betonten Robert Master und Jean Houston, dass es kaum
möglich ist ohne den Gebrauch von Drogen eine Erfahrung zu
durchleben die mit einer psychedelischen vergleichbar ist. Einzig
wahren Mystikern seien derartige Wahrnehmungen und die damit verbundenen
Erkenntnisse vorbehalten. Der Beatnik-Poet Allen Ginsberg stellte
derartigen Positionen seine eigene Lebenserfahrung gegenüber
indem er darauf verwies, dass die veränderten Bewusstseinszustände
die er durch Meditationen und Yoga erlangt hatte, durchaus den Zuständen
glichen, in die er durch den Gebrauch von Psychedelika eintauchte.
Von Seiten der akademisch geprägten Museumskultur wird den
psychedelischen Kunstströmungen bis heute oftmals der Kunstbegriff
abgesprochen, sofern sie überhaupt als solche wahrgenommen
werden. Ohnehin war der Begriff der Psychedelischen Kunst lange
weitgehend auf die späten sechziger Jahre begrenzt. Mit der
Auflösung der psychedelischen Bewegung fand auch die Psychedelische
Kunst in einer größeren öffentlichen Wahrnehmung
wie im eigenen Selbstverständnis als eine eigenständige
Strömung ein Ende. Gleichzeitig vermieden auch KünstlerInnen
die psychoaktive Substanzen nutzten,von ihrem Gebrauch zu sprechen,
um sich nicht einer Kriminalisierung bzw. einer gesellschaftlichen
Stigmatisierung auszusetzen. Der Begriff psychedelisch,
der sich frei als die Psyche offenbarend übersetzen
lässt wurde 1956 von dem Psychiater und Bewusstseinsforscher
Humphry Osmond in einem Briefwechsel mit Aldous Huxley entwickelt,
als die beiden nach einer unbelasteten Bezeichnung für psychoaktive
Drogen suchten. Auch wenn der Begriff über diese Definition
auf Erfahrungen begrenzt ist, die durch die entsprechenden Substanzen
erzeugt werden, so lässt sich von einem psychedelischen Empfinden
sprechen, welches ohne Drogen durch andere Techniken der Bewusstseinsveränderung
oder auch direkt aus dem Wahrnehmungsvermögen einer Person
heraus entstehen kann. Gerade hinsichtlich einer kategorisierenden
Beschreibung psychedelischer Kunst lässt dieses Verständnis
einen notwendigen Spielraum.
Ein weiterer beschreibender Ansatz ist der Begriff der Visionären
Kunst, der sich von seinem übergreifenden Verständnis
ausgehend nicht auf eine äußere Form bezieht, sondern
auf das Erleben einer Vision, die in einem Kunstwerk dargestellt
wird. Die visionäre Kunst verdankt ihre Existenz kurzzeitigen
Ein- und Ausblicken ihrer Schöpfer in übersinnliche Dimensionen;
Erkenntnissen zu den elementaren Menschheitsfragen: Woher
kommen wir?, Wer sind wir? und Wohin gehen
wir? Wie solche Visionen, die in Bilder, Ornamente oder Objekte
gebannt wurden, zustande gekommen sind, ist dabei relativ unerheblich.
Eine solche Malerei ist nicht an bestimmte Stile, Epochen oder Kulturen
gebunden.(...) (Claudia Müller-Ebeling). Die Bezeichnung
ist dort schlüssig, wo sie sich klar auf einen Bewusstseinsprozess
bezieht. Auch ermöglicht sie eine sinnige Einbeziehung von
Künstlern wie Hieronymus Bosch und William Blake, die in ihren
visionären Werken oft in einen schwammigen Zusammenhang mit
der Psychedelischen Kunst gestellt werden, ohne jedoch nachweislich
psychoaktive Substanzen genutzt zu haben. Längst ist die Bezeichnung
Visionäre Kunst jedoch zu einem Überbegriff geworden,
der kitschig-esoterische Gemälde genauso einschließt
wie Darstellungen psychedelischer Erlebnisse oder auch Computergraphiken,
die vorrangig auf optische Effekte ausgerichtet sind. Ein Blick
in die größte Internet-Galerie Visionärer Kunst
auf der Arts-Seite von erowid.org verdeutlicht dies nachhaltig.
Zudem lässt sich der Begriff im Grunde nur auf einer universellen
Ebene sinnvoll einsetzen, in der eine visionäre Erfahrung losgelöst
von den umgebenden Bedingungen betrachtet wird. Tatsächlich
entsteht keine Vision in einem luftleeren Raum. Sie selbst und ihre
Interpretation bzw. schon die Definition als eine Vision ist immer
eng mit der entsprechenden Persönlichkeit, mit bestimmten Glaubensystemen
und auch mit dem soziokulturellen Umfeld verbunden. So werden beispielsweise
die Erfahrungen von klinisch toten Menschen, die später wieder
ins Leben zurückgeholt wurden, mit ihren visionären Wahrnehmungen
von langen Gängen und Lichterscheinungen von christlicher Seite
als Beleg für ein Leben nach dem Tod oder gar für die
Existenz eines Himmelreiches gedeutet. Eine esoterische Betrachtung
könnte sie dagegen im Sinne eines Reinkarnationsprozesses als
Übergang in ein folgendes Leben erklären. Ein medizinisch
oder biochemisch ausgebildeter Wissenschaftler wird diese Vision
allerdings eher in einen Zusammenhang mit vergleichbaren Erlebnissen
in Folge eines Sauerstoffmangels oder einer Epilepsie stellen. Während
sicher viele PsychonautInnen in Anklang an die Forschungen des Psychologen
Karl Jansen darauf verweisen würden, dass die Injektion einer
bestimmten Menge Ketamin die charakteristischen Aspekte einer Nahtoderfahrung
reproduzieren kann, ohne notwendiger Weise die entsprechende Person
körperlich in einen todesartigen Zustand zu versetzen.
Ein anderer zumeist nicht beachteter Zugang zu einem Verständnis
psychedelischer Kunst liegt in der Abkehr von der Konzentration
auf den Kunstgegenstand zugunsten einer Betrachtung des Prozesses
der Wahrnehmung an sich. Die psychedelische Erfahrung verändert
nicht den Gegenstand der Betrachtung, vielmehr verändert sich
die Wahrnehmung des Betrachtenden. Entsprechend wandelt sich weder
die viel beschriebene Blume, deren Ausdruck im Gegensatz zur flüchtigen
Wahrnehmung des Alltags nun plötzlich in ihrer erblühenden
Schönheit erkannt wird, noch der Wassertropfen in dem sich
für den Betrachtenden während seiner psychedelischen Reise
die Welt widerspiegelt. Und so ist es auch nicht das Kunstwerk sondern
die Betrachtungsweise, die über die äußere Beschreibung
hinausgehend eine tiefere, als psychedelisch empfundene Ebene eröffnet.
Das Grundproblem welches dabei deutlich wird, lässt sich jedoch
in seiner Wurzel nicht durch den Gebrauch psychoaktiver Substanzen
lösen. Das Ziel sollte weit darüber hinausgehend in einer
eigenständigen Wiederbelebung einer bewussten Wahrnehmung liegen.
Im Wesen der Pflanzen offenbart sich die gleiche geheimnisvolle,
unerschöpfliche, ewige Lebenskraft, die auch uns hervorgebracht
hat. Es geht hier jedoch nicht um eine sentimentale Naturschwärmerei.
Was heute Not tut, ist ein elementares Wiedererleben der Einheit
alles Lebendigen, ein umfassendes Wirklichkeitsbewusstsein, das
sich spontan immer seltener entfaltet, je mehr die ursprüngliche
Flora und Fauna einer toten technischen Umwelt weichen muss.
(Albert Hofmann).
PSYCHOAKTIVE REALITÄTEN
Längst bestehen vielfältige Ansätze der künstlerischen
Aufarbeitung psychedelischer Erfahrungen und Betrachtungsweisen.
Die im Folgenden vorgestellten KünstlerInnen stehen zumindest
in Teilbereichen beispielhaft für bestimmte Tendenzen der Gegenwart
im Bereich der bildnerischen Kunst. Ihre Werke sind dabei aber keineswegs
ein durchgängig direkter oder indirekter Ausdruck psychedelischer
Erfahrungen. Zum Teil entsprechen die dargestellten Motive vielmehr
Chiffren, die sich auf psychedelische Erfahrungen übertragen
lassen, aber auch für andere Erlebnisse und Zustände stehen
können.
Mit einem zumeist humorvoll-ironischen Unterton setzt sich der Japanische
Künstler Naoto Hattori mit all dem auseinander, was in
meinem Kopf vor sich geht. Meine Bilder sind meine Leidenschaften,
meine Wünsche oder auch nur meine verdrehten Gedanken.
Viele Bilder haben dabei einen psychedelischen Bezug. So stellt
Hattori einen Jesus dar, der mit einer Leiter vom Kreuz herabgestiegen
nun glücklich in den Armen eines Fliegenpilzes liegt. In seiner
Variation der Mona Lisa, dem wohl berühmtesten Bild der Welt,
blickt diese die BetrachterInnen in einem verpeilten Gesichtsausdruck
mit zwei Mündern an. In einem anderen Motiv schiebt der ehemalige
US-amerikanische Präsident Nixon breit grinsend eine Studie
über die Verträglichkeit von Marihuana in den Reißwolf.
Mehrfach greift Hattori zudem mit dem verzerrten Gesicht, aus dem
an langen Nervensträngen die Augen treten, ein geradezu klassisches
psychedelisches Motiv auf, welches die psychischen Zustände
und Reizüberflutungen während eines Horror-Trips wiedergibt.
Eine ganze Menge Leute halten meine Bilder für seltsam
und verrückt, aber ich finde sie schön. Es ist meine Art
zu meditieren, ich atme meine Gedanken auf die Leinwand aus.
In Form und Inhalt geradezu beispielhaft für verschiedene zentrale
Elemente der psychedelischen Malerei ist die Magic Mushrooms-Reihe
von Fred Weidmann. Die in ausdrucksstarken Farben gestalteten Gemälde
sind geprägt von teilweise ornamenthaften Strukturen, fließend
ineinander übergehenden Formen und vielfältigen Details.
Inhaltlich zeigen sie verschiedene Aspekte der kulturellen Bedeutung
psychoaktiver Pilze und der mit ihnen verbundenen Visionen. Weidmann
selbst sagt dazu: Pilze, die unser Bewusstsein beeinflussen
sind Kulturfolger des Menschen, echte Symbioten. Sie korrigieren
unsere Überzeugungen. Bezeichnend für die fortbestehende
Stigmatisierung psychedelischer Erfahrungen bzw. entsprechender
künstlerischer Ausdrucksformen waren die Reaktionen auf die
Veröffentlichung der Bilder in einem Kalender: Mit diesem
Kalender habe ich mir wirklich geschadet. Die Kunsthistoriker wollen
jemanden, der einmal Magic Mushrooms oder Muschis gemalt hat, gar
nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Allerdings weiß ich nicht,
ob man auf deren Meinung wirklich so viel Wert legen sollte...
Wie sehr gerade in der Zeit des War on Drugs der Gebrauch
psychoaktiver Substanzen auch in einem künstlerischen Kontext
stigmatisiert ist, macht beispielhaft die Biographie von Keith Haring
deutlich. Der 1990 verstorbene Künstler erlangte durch seine
minimalistischen Graffities und Gemälde wie auch durch seinen
Einsatz gegen die Tabuisierung von AIDS weltweite Anerkennung. In
kaum einer der zahlreichen Veröffentlichungen über Haring
wird jedoch erwähnt, dass der Künstler selbst eine psychedelische
Erfahrung als eine Initiation für seine kreative Entwicklung
ansah. Mein erstes LSD-Erlebnis hatte ich mit fünfzehn,
die anschließenden Trips nahm ich auf den Feldern in der Umgebung
der Kleinstadt in Pennsylvania, wo ich aufgewachsen bin. Die Zeichnung,
die ich während des ersten Trips machte, wurde zum Keim aller
folgenden Arbeiten und hat sich zu einer ganzen ästhetischen
Weltanschauung (und Arbeitsweise) entwickelt.
Einen Reichtum an Details offenbaren auch die Gemälde von Markus
Fleck. In teilweise von Mandalas beeinflussten Strukturen tummeln
sich miteinander verwobene fratzenhafte Wesen aus einer anderen
Welt, die letztlich doch im Inneren des Künstlers und möglicherweise
auch im Innern der BetrachterInnen beheimatet. Fleck spricht von
seinen Gemälden wie auch von seinen zumeist düster anmutenden
Zeichnungen in zahlreichen Notizbüchern als ein Trip
durch geistigen Müll oder irgendwelche hochtrabende Erkenntnisse.
Surreal, irreal. Gemalt in allen Techniken, in allen geistigen Zustandslagen.
Mit einem ironischen Unterton verweist er darauf, dass der Ursprung
der Bilder keineswegs immer den Erwartungen der BetrachterInnen
entspricht. Zum Teil sind die Motive von vergleichsweise banal erscheinenden
Zusammenhängen geprägt: Hier habe ich gerade an
die fucking Hausordnung gedacht, die ich noch machen muss...
Im von ihm mit aufgebauten Hanauer Kulturprojekt Matrax gestaltete
Fleck unter anderem die Männertoilette als ein komplett bemaltes
spaceiges Environment. Nervenbahnen und zelluläre Organismen
gehen in einen kosmischen Cyberspace über, wobei in angedeuteten
Computer-Bildschirmen ältere Gemälde von Fleck zu erkennen
sind. Regelmäßig lässt sich der Künstler im
Café des Projektes direkt von der Atmosphäre inspirieren
und setzt diese beim Live-Painting direkt in seinen Bildern um.
Eine völlig andere Welt beschreibt Stevee Postman in seinen
Motiven, die er ausgehend von bearbeiteten Fotografien am Computer
kreiert. Vielfach stehen sinnliche nackte Männer im Zentrum
der farbenfrohen Bilder, umgeben von spirituellen und psychedelischen
Symbolen, wie auch von Blumen und Schmetterlingen. Deutlich ist
der Bezug zu der in Kalifornien verwurzelten schwulen Subkultur
der Radical Faeries, die sich in ihrem mystisch-erotischen Ansatz
zwischen Selbstentfaltung, Party und Verklärung bewegt. Ich
möchte mit meiner Kunst die Technologie mit dem Organischen
und dem Heiligen in einer Art Techno-Paganismus vereinen.
Bei der Kreation seines vielbeachteten Cosmic Tribe-Tarots
wurde Postman, seinen Beschreibungen zufolge, selbst zum Teil
eines größeren Bildes aus dem er intuitiv seine
Ideen bezog. Wenn ich das Vertrauen habe, mich zum richtigen
Zeitpunkt zu öffnen, dann kommt alles von alleine. In
der für Postman typischen symbolhaften und pathetischen Weise,
die sich oftmals an der Grenze zum Kitsch bewegt, zeigt das von
ihm gestaltete Plakat für die Konferenz Mind States 2001
mehrere aus den Stielen einer Pflanze aufblühende Hände.
In der Tradition spirituell geprägter psychedelischer Kunst
entweicht aus ihnen als Blüte ein Gehirn aus dessen Zentrum
wiederum das Licht der Erkenntnis und Erleuchtung strahlt.
Der Berliner Künstler Gerhard Seyfried wurde in den siebziger
Jahren durch seine Comix bekannt, die auf eine sehr humorvolle Weise
gesellschaftliche Missstände wie auch Eigenarten der linken
Szene karikierten. Später beschrieb er in mehreren Hanf-Cartoons
ironisch den Alltag von KifferInnen und kritisierte die bestehende
Drogenpolitik. So geht Seyfried sarkastisch in einer Zeichnung auf
die zunehmend verbreitete Praxis polizeilich verordneter Urinkontrollen
zur Ermittlung von Drogenwerten ein, die nun beim Harnleiter
unter Videoüberwachung durchgeführt werden müssen.
In einem anderen Cartoon verfolgt ein Freak mit einem Joint im Mundwinkel
das Fernsehprogramm in dem davon gesprochen wird, dass Kiffen gleichgültig
macht. Seine lapidare Antwort lautet Na und?. Zu den
bekanntesten Motiven Seyfrieds gehört daneben eine Darstellung
von Jesus, der seinen ehrfürchtig aufblickenden Jüngern
im Stile eines Dealers Stoff anbietet: Tag Leute,
braucht ihr was: Speed, Acid, Gras?
Im Mittelpunkt der autobiographisch beeinflussten Comix von Pete
Loveday stehen die zum Teil ganz banalen, dann aber auch sehr skurrilen
und abenteuerlichen Erlebnisse des Freaks Russell. Dieser fühlt
sich in der Kneipe in seiner Nachbarschaft genauso wohl wie bei
den umherreisenden New-Age-Travellers oder bei den Techno-Hippies
mit ihren rauschhaften Trance-Partys. In den meist ironisch-humorvollen
bis sarkastischen Anekdoten nehmen dabei immer wieder Drogen eine
handlungsbestimmende Rolle ein. So wird beispielsweise im Alptraum
eines Kiffers dieser selbst in einen überdimensionalen Joint
eingerollt und gerade noch rechtzeitig geweckt, bevor er angeraucht
wird. Eine andere Geschichte beschreibt die Suche nach dem idealen
Zeltplatz auf einem großen Festival. Der ursprünglich
idyllisch anmutende Ort erweist sich später aber als ein zentraler,
überlauter Durchgangsbereich. Im Dunkel der Nacht erübrigen
sich dann ohnehin alle Überlegungen, wenn nach zahllosen Joints
und unablässigem Bierkonsum niemand mehr sein eigenes Zelt
findet.
Das Hanfblatt als Symbol der Bewegung zur Cannabis-Legalisierung
lässt sich auf unzähligen Veröffentlichungen zur
Thematik finden. Nicht selten erscheint es, von Glanz und erstrahlendem
Licht umgeben, als verheißungsvoller Verweis auf eine bessere
Welt. Eine symbolhafte Berechtigung haben derartige Motive im Zusammenhang
mit den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die von der
Bedeutung als psychoaktive Droge über den medizinischen Gebrauch
als Medikament bis etwa zur ökologisch sinnvollen Verwendung
als alternativer Rohstoff für die Papierherstellung reichen.
Derartige Darstellungen stehen jedoch auch für eine Tendenz
in der Hanfbewegung, die gesellschaftliche Widersprüche vorrangig
auf das Verhältnis zum Konsum psychoaktiver Substanzen reduziert
und unterschwellig davon ausgeht, dass in einer bekifften Welt automatisch
alles gut wird. Auf die Spitze getrieben spiegelt sich ein derartiger
Ansatz in dem Motiv eines über Headshops vertriebenen T-Shirts,
auf dem als Symbol ein gelber David-Stern abgedruckt ist. In diesem
befindet sich wiederum das Hanfzeichen und in altdeutscher Schrift
das Wort Kiffer. Die Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens
während der faschistischen Terrorherrschaft wird dadurch in
einen direkten Bezug zur Situation von KifferInnen im heutigen Deutschland
gestellt. Zweifellos herrscht derzeit eine weitgehend repressive
Drogenpolitik, doch sie ist in keinster Weise auch nur im Ansatz
mit dem Holocaust zu vergleichen, dem mehrere Millionen Menschen
in den Konzentrationslagern zum Opfer fielen. Vielmehr verharmlost
letztlich ein derartiger Bezug, so lustig oder ironisch
er auch gemeint sein mag, völlig die Barbarei des Faschismus.
DER SCHWARZE REGENBOGEN
Die psychedelische Erfahrung kennt viele Ausdrucksformen, die
je nach Persönlichkeit, Umfeld, Substanz und Dosierung von
konkreten Visionen über die Auflösung der Welt in ihre
atomaren Bestandteile bis zu einem völlig veränderten
Wirklichkeitsverständnis reichen kann. So beschreibt die Künstlerin
3T vakil weitgehend gegenstandslos in zumeist dunkelrot gehaltenen
Bildern die abstrakten Wahrnehmungsebenen ihrer Ketamin-Erfahrungen.
Es geht dabei nicht um eine konkrete Botschaft oder eine mit Worten
fassbare Vision, sondern um eine völlig verändernde Ebene
der Erfahrung und Realität. Im Vordergrund der Bilder steht
eine Struktur in der Linien schlauchartig ohne erkennbare Systematik
miteinander verbunden sind, wobei sich die Struktur unscharf im
Hintergrund zu spiegeln scheint.
Geradezu klassisch sind in diesem Sinne die Zeichnungen des französischen
Schriftstellers und Malers Henri Michaux, die in den fünfziger
und sechziger Jahren im Zusammenhang mit seinen Meskalin-Erfahrungen
entstanden. Zumeist sind es äußerst abstrakte Gebilde,
oftmals furchenartige Strukturen oder Strich- und Punktornamente,
die das ganze Blatt ausfüllen. Die Welt dort ist ein
anderes Bewusstsein. Wenn Sie dann zum Beispiel hier auf den Erdboden
sehen, dann haben Sie hunderte, tausende von Punkten vor sich. Die
Zersplitterung der Zeit durch das Meskalin ermöglicht es alle
einzeln zu empfinden, jeden in seiner Individualität.
Auch in den Bildern von M-L gehen Farben und Formen fließend
ineinander über, ohne einen konkreten Gegenstand abzubilden.
Auch wenn sie nicht in einem direkten psychoaktiven Kontext wurzeln,
geben sie eine psychedelische Erfahrungsebene wieder, in der sich
die ansonsten wahrgenommenen Strukturen auflösen und die Welt
nur noch in Energiefeldern und molekularen Zusammenhängen erfahren
wird. Die Entstehung der Bilder selbst geht nur zum Teil auf einen
bewussten Akt zurück, in ihrem Ergebnis sind sie nur eingeschränkt
voraussehbar. Etwas Glasfarbe auf ein leeres Dia geträufelt.
Ein wenig Kleber dazu, ein paar Salzkörner oder irgendwas Kleines
(Haare, Fusseln, Pflanzenteile) und der Zufall entscheidet über
das Bild. - Stell dir eine von der Sonne bestrahlte Wand vor, auf
der sich dann quasi als Live-Act das Bild herausschält...
Während das klassische psychedelische Bild die bunten Farben
des Regenbogens beschwört, so erscheint dieser im übertragenden
Sinne in den Gemälden Nik Fiends in dunklen bedrückenden
Tönen. Fiend gehörte in den achtziger Jahren als Kopf
von Alien Sex Fiend zu den herausragenden Persönlichkeiten
der Independent-Musik. Der inhaltliche Bezugspunkt der Veröffentlichungen
lag zumeist in der Auseinandersetzung mit extremen psychischen Zuständen
und dabei teilweise auch mit psychedelischen Erfahrungen. Album-Titel
wie Whos been sleeping in my brain oder Acid
Bath machen dies in ihrer Symbolik genauso deutlich wie die
Bühnenshow des zum Teil offensichtlich tripenden Sängers.
Die Thematik prägte auch die Gemälde Nik Fiends in denen
in alptraumhaften Bilderwelten immer wieder verzerrte, leidende
oder bedrohliche Figuren auftauchen. Stärker von einem schwarzen
Humor getragen sind dagegen die Comic-artigen Zeichnungen Nick Fiends.
Sie beschreiben als Reisen durch die innere Schattenwelt tiefgreifende
Zerrissenheiten und Zerfallsprozesse.
Die Bilderreihe Feurio von Cédric Lerouley ist
ein Chiffre für einen extremen psychischen Zustand und dabei
auch für einen verstörenden Horrortrip, ohne dass sich
der Künstler direkt darauf bezieht. Der nackte ungeschützte
Körper ist verzerrt dargestellt, das Gesicht auf einigen Bildern
von der Hand verdeckt, in anderen voller Schmerz oder mit einem
schreienden Ausdruck dargestellt. Die Aufnahmen selbst wurden als
prozesshafter Ausdruck dieses Zustandes mit ätzenden chemischen
Stoffen bearbeitet, teilweise auch zerkratzt und angebrannt.
Der in Los Angeles lebende Danger leitet mit Koma/Amok-Books einen
der wohl skurrilsten Buchvertriebe der Welt. Seine vielschichtigen,
meist intuitiv zusammengesetzten Collagen beschäftigen sich
mit Obskuritäten und Abgründen des Lebens. Eine Ausnahme
hinsichtlich einer klaren psychedelischen Thematik bildet eine ausdrucksstarke
titellose Collage in der assoziativ über die Motive wie auch
durch den Kontrast der Signalfarben eine Reise in die Tiefen der
Psyche beschrieben wird. Im Zentrum steht eine Figur, die ein weißes,
die Reinheit verkörperndes Hochzeitskleid trägt. Ihr Gesicht
ist mit einem Tuch verhüllt, welches in seinem leuchtenden
Rot Lust und Versuchung symbolisiert. In diesem Gegensatz wird sie
von psychoaktiven Pilzen und Peyote-Kakteen umgeben, die vor einem
düsteren Hintergrund ihren Weg beschützend wie bedrohend
umranden.
Zahlreiche Bilder des in Berlin lebenden Künstlers Der Träumer
zeigen Sex als eine die Grenzen des Körpers und im weiterführenden
Sinne auch des Bewusstseins überschreitende Erfahrung. Stilisierte
Körper mit zum Teil überdimensionierten Geschlechtsorganen
gehen zusammen in einem ekstatischen Orgasmus auf, der in einem
umgebenden Meer wellenförmig ineinander übergehender Formen
und Farben seine Entsprechung findet. Teilweise erscheint die Lust
jedoch auch als erdrückende Gier. Die Sehnsucht nach der sexuellen
Befriedigung offenbart sich dann in geifernden Blicken als Zwang,
selbst im Orgasmus wirken in einigen Gemälden gerade die männlichen
Figuren einsam und unerlöst. In seinen Computerworx
spielt der Träumer in Collagen und kaleidoskopartigen Bildern
mit den Codes der Porno-Industrie. Wenn in einigen collagenhaften
Graphiken zahllose erregte Glieder in weit geöffnete spermaverschmierte
Münder dringen, dann erscheinen diese Motive in einer ambivalenten
Weise als potenziell anregende Schlüsselreize, offenbaren aber
auch die Reduzierung der abgebildeten Frauen auf identitätslose
Lustobjekte. Den Ausführungen des Träumers zufolge wurzelt
die intensive künstlerische Auseinandersetzung mit den sexuellen
Realitäten in einer erotischen LSD-Vision. Ein organisches
Wesen führte ihn dabei zu einem gewaltigen Berg aus verschlungen
Leibern. Wesen aus allen Welten waren in diesem Berg in ewiger Lust
und Ekstase verschmolzen. Ich wurde für ein Wesen ausgetauscht,
von dem Fleischberg absorbiert und erlebte Jahrzehnte Orgasmen.
Nach dem Trip bewegte sich mein gesamtes künstlerisches Streben
fortan in eine Richtung: Ich wollte diesen Fleischberg, diese Verschmelzung
von Leibern visuell umsetzen. Seinem Lebensverständnis
zufolge markierte diese Vision eine Lebensetappe, die dann eine
künstlerische Umsetzung fand, bis sie irgendwann von einer
neuen Etappe abgelöst wurde. Wie immer in meinem Leben,
wird mir Etwas sagen, wann das Bild reif ist gepflückt zu werden.
Insbesondere in den sechziger Jahren wurden in der mit Psychedelika
arbeitenden Psychotherapie (Psycholyse) die beteiligten Personen
dazu angeregt ihre Empfindungen auf LSD in Bildern auszudrücken,
die später besprochen wurden. Eine Testperson hatte beispielsweise
das Gefühl, die abstrakten Bilder erinnerten an die weiche,
warme und sinnliche Welt des gesättigten Säuglings. Eine
solche Situation stellt einen Übergang von der abstrakten zur
psychodynamischen Ebene des LSD-Erlebnisses dar. Die Emotionen,
welche die abstrakten inneren Bilder modifizieren und färben,
gehören zum relevanten biographischen Material des Erlebenden.
(Stanislav Grof). Die meisten von Psychedelika beeinflussten Kunstwerke
entstehen jedoch nicht direkt während einer derartigen Erfahrung.
Dies liegt in der Regel an der gerade bei höheren Dosierungen
beeinträchtigten Feinmotorik, wesentlicher ist jedoch vielfach
das Gefühl einen Teil des Potenzials der Erfahrung zu verschenken,
wenn die Konzentration auf einen künstlerischen Vorgang den
inneren Fluss unterbricht. Die Lebendigkeit meiner Bilder
auf Droge konnte sehr anstrengend werden. Ein regelrechter Kampf
mit den Wesen, die durch mich auf die Leinwand flossen. Ich zog
es vor, diese Wesen in mir zu beobachten, und später zu porträtieren.
(Der Träumer).
DIE BEFREITE VISION
Einen immensen Einfluss hatte die psychedelische Bewegung der
späten sechziger Jahre langfristig auf die Entwicklung der
Cyber-Kultur, auch wenn die einstige subversive Ausrichtung zumeist
neoliberalen Zwängen weichen musste. Vermutlich wären
die virtuellen Realitäten des Cyberspace wie beispielsweise
auch viele Graphikprogramme ohne psychedelische Bewusstseinsveränderungen,
die zu einem mehrdimensionalen Denken führten, nicht entstanden.
Mehrere Spezialisten, die an den Entwicklungen beteiligt waren,
verweisen bis heute auf derartige Zusammenhänge in ihrer Biographie.
Gerade die Graphikprogramme eröffneten in ihren scheinbar kaum
begrenzten Möglichkeiten neue Ansätze psychoaktiv erzeugte
Visionen künstlerisch wiederzugeben. Sie machten aber auch
deutlich, dass ein Computer allein nicht ausreicht, sondern individuelle
Kreativität, Phantasie und selbstverständlich auch die
Bereitschaft die Bedienung eines derartigen Programms zu erlernen,
unverzichtbare Voraussetzungen sind. Zudem wirken bis heute viele
Computerbilder in ihrer Perfektion steril oder kalt. Sie können
dadurch eine visionäre Erfahrung zwar über Motive vermitteln,
aber meist nur begrenzt über den Gesamtausdruck oder gar über
eine tiefe Emotion. Eine neue Perspektive eröffnete das Verständnis
von Fraktalen als komplexe Strukturen, deren Entsprechungen sich
selbst in ihren kleinsten Einheiten wiederfinden und sich bis ins
Unendliche vervielfältigen lassen. In ihrer Symbolik als endlose
Einheit von ineinander übergehenden Teilbereichen stehen die
Fraktale in einem engen strukturellen Verhältnis zu visionären
Ganzheitserfahrungen.
Die Idee des Cybertribes als ein gegenkulturelles Netzwerk von dezentral
organisierten kleinen Gemeinschaften, die sich auf das Wissen alter
Kulturen ebenso wie auf die Entwicklungen der Gegenwart beziehen,
fand auch in künstlerischen Darstellungen eine Entsprechung.
So stehen in einer Computergraphik von trigger.ch (Claude Steiner
und Nadia Honarchian) eine psychoaktive Pflanze, ein rituell bemalter
Totenkopf und ein Musikcomputer in einem verbindenden Zusammenhang,
während eine Cyber-Matrix in die kosmische Unendlichkeit übergeht.
Die Computerarbeiten von Tush Gun nehmen Bezug auf die Barrelful
of Monkeys, einer cybertribeartigen, australischen Gruppe. Ein Bild
zeigt in einem bewussten Gegensatz ein psychedelisch-buntes Zeltlager
und ein riesiges futuristisches Gebäude in einer apokalyptischen
Landschaft. Andere Graphiken sind vom Widerstand gegen die menschenverachtenden
Auswüchse der sogenannten Globalisierung getragen. Eine Gruppe
von DemonstrantInnen, die in ihren Gesichtern im Bezug zum Namen
der Gruppe als Affen zu erkennen sind, steht dabei Panzern gegenüber.
Verwurzelt ist das Konzept des Cybertribes in einigen Projekten
der Techno-Kultur und der Psychedelic-Trance-Szene. Die Atmosphäre
entsprechender Underground-Partys kommt besonders ausdrucksvoll
in den Fotos der Fotografin Hadley Kincade zur Geltung. Mit Überblendungen,
speziellen Belichtungszeiten und experimentierfreudigen Einstellungen
hält sie eine derartige Nacht in Bildern fest, die trotz ihrer
Statik die Dynamik trancehafter und psychedelischer Zustände
in einem gegenkulturellen Kontext wiedergeben.
Eine Kunstform für sich bilden seit jeher die Acid-Trips selbst.
Die mit LSD beträufelten perforierten Papierstücke werden
immer wieder mit Motiven bedruckt, die in ihrer Gesamtheit einer
Beschreibung verschiedener Ebenen der LSD-Erfahrung in ihren künstlerischen
Bezügen entsprechen. Allerdings fanden die dunklen Seiten der
Erfahrung kaum eine Entsprechung, oftmals erscheint das Gefahrenpotenzial
durch allzu unbeschwerte Zeichnungen geradezu verharmlost. Berühmt
wurden die besonderen Editionen zu den Tourneen der Grateful Dead
oder die sogenannten Hofmann-Trips, die zum fünfzigsten Jahrestag
der Entdeckung von LSD erschien. Dargestellt ist eine Zeichnung
von Albert Hofmann, der während einer legendären Fahrradfahrt
erstmals die Wirkung von LSD erlebte. Daneben gab es Trips mit Abbildungen
der energetischen Gemälden von Alex Grey, den freakigen Figuren
von Robert Crumb oder auch mit dem betripten Druiden Miraculix aus
den Asterix-Comics. Vielfach zu finden sind zudem spirituelle Symbole,
farbenfrohe Ornamente oder Augen als klassisches psychedelisches
Motiv. Wie kaum eine andere Darstellung auf den Papier-Trips symbolisieren
jedoch die Zeichnungen zu den Abenteuern von Lewis Carrolls Alice
im Wunderland den Übergang in eine andere Wirklichkeit.
Der Spiegel, den Alice durchschreitet, führt aber letztlich
in eine Welt die sie breits in sich trägt, wie auch Psychedelika
nichts von außen in eine Person hineintragen, sondern nur
Türen in bereits bestehende innere Räume öffnen.
In diesem Sinne können sie, wie beschrieben, gleichermaßen
in Abgründe und Visionen führen, und dabei auch eine zuvor
verschüttete Kreativität freisetzen, was die Arbeiten
zahlreicher KünstlerInnen nachhaltig belegen. In welcher Form
dieses Potenzial genutzt wird, entscheiden jedoch selbstverständlich
nicht psychoaktive Substanzen, sondern wechselwirkend die umgebenden
Bedingungen und vor allem die entsprechende Person selbst. Die Vision
der anderen Welt kann dabei erst dann über den Moment hinaus
zur persönlichen und weitergehend zur gesellschaftlichen Realität
werden, wenn als einer der ersten Schritte bewusst wird, dass sie
schon jetzt in uns auf ihre Befreiung wartet.
Wolfgang Sterneck
Literatur (Auswahl): - Amaringo, Pablo; Luna, Luis Eduardo /
Ayahuasca Visions (1991). - Clottes, Jean; Lewis-Williams, David
/ Les Chamanes de la Préhistoire (1996). - Dittrich, Adolf;
Scharfetter, Christian / Phänomenologie außergewöhnlicher
Bewusstseinszustände (1987). - Giger, H. R. / ARh+ (1991).
- Grey, Alex / The Mission of Art (1998). - Hofmann, Albert / LSD
- Mein Sorgenkind (1979). - Huxley, Aldous / Doors of Perception
(1954). - Huxley, Aldous / Heaven and Hell (1956). - MAPS (Ed.)
/ Psychedelics and Creativity (2000). - Masters, Robert; Houston,
Jean (Ed.) / Psychedelic Art (1968). - Müller-Ebeling, Claudia
/ Visionäre Kunst (1993). - Ott, Jonathan / Ayahuasca Analoge
(1994). - Rätsch, Christian (Hg.) / Das Tor zu inneren Räumen
(1992). - Sterneck, Wolfgang (Hrsg.) / Cybertribe-Visionen (1995).
www.sterneck.net
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