|  |  | Wolfgang Sterneck
 
 DIE GRENZEN ÜBERWINDEN
 - Kunst, Vision und Psychedelika -
 
 - Zeitreisen
 - Vision und Abgrund
 - Klingende Farben
 - Revolution auf Acid
 - Psychedelic Trance
 - Die Welt im Wassertropfen
 - Psychoaktive Realitäten
 - Der schwarze Regenbogen
 - Die befreite Vision
 Die Sehnsucht nach dem inneren Gefühl des unblockierten Fließens, 
              nach der Erkenntnis eines tieferen Sinns und nicht zuletzt auch 
              nach der Befreiung des Bewusstseins von repressiven Vorgaben, ist 
              wohl so alt wie die Menschheit. Sie findet ihren Ausdruck in unzähligen 
              Ritualen und Praktiken verschiedenster Kulturen die ein Eintauchen 
              in andere Wirklichkeiten ermöglichen. BewusstseinsforscherInnen 
              wie Andrew Weil und Erika Bourguignon sprechen sogar von einem übergreifenden 
              menschlichen Grundbedürfnis nach Rausch, Ekstase und Transzendenz 
              als Überschreitungen der im Alltag vorgegebenen Grenzen, wobei 
              dieses Bedürfnis gerade in christlich geprägten Kulturkreisen 
              bis heute vielfach unterdrückt wird.
 
 Die Wege in die andere Wirklichkeit sind vielfältig. Meditation 
              kann ein solcher Weg sein, genauso wie der trancehafte Tanz, eine 
              ekstatische Sexualität oder der Gebrauch psychoaktiver Substanzen 
              wie Meskalin, Psilocybin und LSD in entsprechenden Dosierungen. 
              Ebenso vielfältig sind dabei die Erklärungs- und Deutungsmuster 
              derartiger außergewöhnlicher Bewusstseinszustände. 
              Angeführt wird teilweise der Kontakt mit Göttern und Geistwesen, 
              in anderen Fällen wird vorrangig auf die Erfahrung eines ansonsten 
              verschütteten Selbst oder den Zugang zu bestimmten Gefühlszuständen 
              verwiesen. Die Visionen der Innenwelt stehen dabei immer im Zusammenhang 
              mit der individuellen Entwicklung der entsprechenden Person wie 
              auch mit den Bedingungen der äußeren Lebensumstände. 
              Zumeist werden sie überhaupt erst in diesem Zusammenspiel verständlich 
              und eröffnen keineswegs im Rückzug in eine abgeschottete 
              Welt des Ichs, sondern in der Wechselwirkung von persönlicher 
              Entfaltung und einer damit verbundenen Veränderung gesellschaftlicher 
              Strukturen die Tiefe ihres eigentlichen Potenzials.
 
 Die Etappen auf diesen Wegen sind keineswegs geradlinig und einfach 
              zu beschreiten. Manche scheinen erst lange in ein Nichts zu führen, 
              um dann vielleicht doch einmal an das ersehnte Ziel zu gelangen. 
              Andere eröffnen sich erst durch die Erkenntnis, dass ihr Verlauf 
              nicht etwa zu einem Ort der Außenwelt, sondern tief ins Innere 
              führt. Psychedelika können eine Möglichkeit sein, 
              einen vergleichsweise schnellen und direkten Weg zu finden, wobei 
              dann unter günstigen Bedingungen in Folge eines komplexen Prozesses 
              neurochemischer, psychologischer und soziokultureller Faktoren die 
              Vision einer anderen Welt zur subjektiv erfahrenen Realität 
              wird. Vielfältig sind jedoch auch die Risiken, wenn dieser 
              Weg unreflektiert eingeschlagen wird oder die entsprechende Person 
              nicht in der Lage ist die Erfahrungen angemessen zu verarbeiten. 
              Die Pforten der Wahrnehmung, wie es Aldous Huxley einmal 
              formulierte, offenbaren keineswegs nur den Himmel von 
              Erkenntnis und Erfahrung, sondern können auch in die Hölle 
              des Bewusstseins führen. Nicht wenige Suchende sind auf ihrer 
              psychedelischen Suche in einer Sackgasse hängen geblieben, 
              an deren Ende Wahnvorstellungen oder die Einweisung in die Psychiatrie 
              stand. Der Mythos der Flower-Power-Kultur verschleiert vielfach 
              die offensichtliche, aber dennoch für viele GebraucherInnen 
              so ferne Erkenntnis, dass jede Blume, so farbenprächtig sie 
              zeitweise erblühen mag, auch ihren Schatten wirft. Der oftmals 
              völlig unreflektierte Konsum von psychedelischen Substanzen 
              auf unzähligen Techno-Partys zeigt bis in die Gegenwart nachdrücklich, 
              dass deren Gebrauch keineswegs zwangsläufig zu einer tiefen 
              Erfahrung führt. Vielen KonsumentInnen geht es schlichtweg 
              nur darum aus der Realität des Alltags für einige Stunden 
              auszusteigen und besonders druff zu sein, ohne sich 
              dabei über die Risiken des Drogengebrauchs im Klaren zu sein. 
              Gerade vor diesem Hintergrund ist es notwendig die Entwicklung einer 
              Drogenmündigkeit nachhaltig zu fördern, die als Grundlage 
              eines möglichst bewussten Umgangs mit Drogen gleichermaßen 
              die Möglichkeit eines reflektierten Gebrauchs wie eine abstinente 
              Haltung und auch gegebenenfalls das rechtzeitige Signalisieren eines 
              Hilfebedarfs einschließt.
 
 Die vorherrschende Drogenpolitik basiert jedoch im Wesentlichen 
              auf der Forderung nach Abstinenz gegenüber den gesetzlich als 
              illegal definierten Substanzen. Gleichzeitig werden diejenigen kriminalisiert, 
              die sich dieser Vorgabe verweigern. Offensichtlich ist jedoch, dass 
              diese Politik weder den Konsum von Drogen, noch die Zunahme der 
              Anzahl der Abhängigen verringern konnte. Besonders deutlich 
              wird die Widersprüchlichkeit der gegenwärtigen Politik 
              am Beispiel der Drogen Alkohol und Nikotin, die trotz ihrer schädlichen 
              gesundheitlichen Auswirkungen und ihres Suchtpotenzials legal sind. 
              Voraussetzung für einen bewussten und verantwortungsvollen 
              Umgang mit psychoaktiven Substanzen ist der Zugang zu umfassenden 
              Informationen über deren Zusammensetzung und Wirkung. Eine 
              Drogenpolitik, die an den realen Bedingungen, den eigentlichen Bedürfnissen 
              und nicht zuletzt an der Mündigkeit der Menschen ausgerichtet 
              ist, muss darüber hinaus die legale Möglichkeit einer 
              selbstbestimmten Entscheidung über den Gebrauch von Drogen 
              beinhalten. Es wäre ein Schritt auf dem langen Weg von einer 
              Gesellschaft der vorgegebenen Unmündigkeit und Passivität 
              zu einer tatsächlich in vielfacher Hinsicht psychoaktiven Kultur.
 
 ZEITREISEN
 
 Die künstlerische Verarbeitung von Visionen, die im Zusammenhang 
              mit dem Gebrauch psychoaktiver Substanzen entstehen, lässt 
              sich vermutlich bis in die Steinzeit vor rund 30.000 Jahren zurück 
              verfolgen. So wiesen die beiden Prähistoriker Jean Clottes 
              und David Lewis-Williams nach, dass viele Höhlenbildnisse einer 
              Wiedergabe visionärer Erfahrungen von SchamanInnen entsprechen, 
              die durch Trance-Rituale und dabei möglicherweise auch durch 
              den Gebrauch psychoaktiver Substanzen eröffnet wurden. Felsmalereien 
              in vielen Teilen der Welt sind eng mit Trance-Erfahrungen von SchamanInnen 
              verbunden. Diese Gemälde sind nicht nur Bilder sondern kraftvolle 
              Ritual-Objekte. (David Lewis-Williams). Wesentlich jünger 
              aber nicht weniger beeindruckend sind die rund 3.000 Jahre alten 
              Felsmalereien in Tassili im Süden Algeriens auf denen Pilze 
              eine wesentliche Rolle spielen. Zu sehen sind unter anderem Figuren 
              aus deren Körper Pilze sprießen, andere halten Pilze 
              in den Händen. Hier liegt die Darstellung eines schamanistischen 
              Gebrauchs psychoaktiver Pilze in einem kulturell verankerten Kontext 
              nahe. Auch in Texas und in Kalifornien wurden mehrere tausend Jahre 
              alte Felszeichnungen entdeckt, die neueren Untersuchungen zufolge 
              auf den Gebrauch von bewusstseinsverändernden Substanzen in 
              schamanischen Ritualen hinweisen. Die Anthropologin Carolyn Boyd 
              verweist dabei auf die Darstellungen von Schamanen, die von den 
              psychoaktiven Pflanzen Peyote und Stechapfel umgeben sind. Ebenfalls 
              erhaltene Gemälde von Tieren interpretiert sie in diesem Zusammenhang 
              als Übertragung von Visionen auf Lebewesen, denen besondere 
              Kräfte zugesprochen wurden. Die anfangs kritischen bis völlig 
              ablehnenden Reaktionen vieler etablierter WissenschaftlerInnen auf 
              derartige Entdeckungen erinnern rückblickend an die Auseinandersetzung 
              um die im Ötztal gefundene rund 5.000 Jahre alte Mumie eines 
              Mannes. Dieser hatte eine Schnur mit getrockneten Birkenporlingen, 
              einer psychoaktiven Pilzsorte, um den Hals getragen, was auf ein 
              Wissen über dessen Wirkungsspektrum und weitergehend auf einen 
              entsprechenden Gebrauch schließen lässt. Nachdem erste 
              Veröffentlichungen auf diese Zusammenhänge hinwiesen, 
              wurden sie später in den offiziellen Forschungsberichten ignoriert 
              oder gar bestritten. Der Umstand, dass der sogenannte Ötzi 
              als einer unserer Vorfahren vermutlich psychoaktive Substanzen genutzt 
              hat, entspricht weder dem vorherrschenden wissenschaftlichen Weltbild 
              noch den touristischen Vermarktungskonzepten der regionalen PolitikerInnen.
 
 Ein unbestritten enger Zusammenhang besteht zwischen dem traditionellen 
              Gebrauch von Ayahuasca und künstlerischen Ausdrucksformen bei 
              einigen Stämmen im Amazonas-Gebiet. Der aus verschiedenen psychoaktiven 
              Pflanzen hergestellte Ayahuasca-Trank dient zum Übergang in 
              eine andere Wirklichkeit, die im Gegensatz zur Realität des 
              Alltags als die eigentlich wahre verstanden wird. Die dabei auftauchenden 
              charakteristischen Muster, Linien und Energiefelder dienen einem 
              tieferen Verständnis des Lebens und werden von Schamanen zur 
              rituellen Erkennung und Heilung von Krankheiten genutzt. Von 
              den schönen Tätowierungen und Körperbemalungen, die 
              durch die Schamanen aufgebracht werden wird vermutet, dass sie die 
              gesunden Abarten der Muster sind, die der Schamane auf 
              der Haut des Patienten sehen kann. Erkrankungen führen zu spezifischen 
              Störungen der Muster und Ayahuasca ist eine potente Hilfe für 
              den Schamanen, der den Patienten aufs Neue richtig bemalt 
              und so seine Gesundheit wiederherstellt. (Jonathan Ott). Die 
              Muster lassen sich als Abbild in zahlreichen Gegenständen der 
              Alltagsrealität wiederfinden. So sind Textilien und zum Teil 
              Hütten und Häuser mit den Mustern gestaltet, die in kodierter 
              Form Botschaften aus der anderen Wirklichkeit beinhalten. Die künstlerische 
              Umsetzung der entsprechenden Visionen dient nicht zuletzt auch einer 
              Nachbereitung und Einordnung der Erfahrungen. Zu berücksichtigen 
              ist hierbei, dass das westliche Kunstverständnis nur begrenzt 
              auf derartige Werke zu übertragen ist. Einen isolierten Kunstbegriff 
              kennen viele traditionelle Kulturen nicht, vielmehr sind oftmals 
              die Übergänge zwischen Alltagsgegenständen, künstlerischen 
              Artefakten und rituellen Kultobjekten fließend.
 
 Seit der Eroberung und Christianisierung Südamerikas wird versucht 
              Ayahuasca zu dämonisieren und zu unterdrücken. Im Zuge 
              des War on Drugs drängt die US-amerikanische Regierung 
              Brasilien dazu, den Gebrauch von Ayahuasca, der zur Zeit noch für 
              verschiedene religiöse Gruppen in einem sakramentalen Zusammenhang 
              erlaubt ist, vollständig zu verbieten. Bezeichnender Weise 
              versuchen gleichzeitig pharmazeutische Unternehmen aus den USA sich 
              die Patentrechte für die entsprechenden Substanzen zu sichern, 
              um deren Potenzial kommerziell zu nutzen. Das von Ayahuasca geprägte 
              Weltbild basiert dagegen auf einem Verständnis, welches von 
              der Eingebundenheit des Menschen in seine natürliche Umwelt 
              ausgeht und schon dadurch den Gedanken an eine profitorientierte 
              Ausbeutung natürlicher Ressourcen ausschließt. Der peruanische 
              Künstler Yando Rios beschreibt entsprechend in seinen Gemälden 
              die wechselseitigen Abhängigkeiten indem er Figuren zeichnet, 
              deren Körper sich bei genauerer Betrachtung aus einer Vielzahl 
              von Tieren und Pflanzen zusammensetzen. Symbolisch wird hier ausgedrückt, 
              dass jeder einzelne Organismus wiederum einen Teil eines übergreifenden 
              Organismus bildet. Wenn ein Element in Mitleidenschaft gezogen wird 
              oder ganz verschwindet, dann hat dies zwangsläufig auch einen 
              Einfluss auf den gesamten Organismus. Die inzwischen gerade in der 
              Ökologie-Bewegung weit verbreitete ganzheitliche Gaia-Theorie, 
              welche den Planeten Erde als eine riesige lebendige Einheit beschreibt, 
              findet hier eine Entsprechung. Auch der Schamane Pablo Cesar Amaringo, 
              der seine Ayahuasca-Visionen in zahlreichen Gemälden dargestellt 
              hat, verurteilt scharf die vorherrschende Dominanz des Profites 
              über die Natur und beschreibt aus der Perspektive der Ayahuasca-Wirklichkeit 
              die Zerstörung der natürlichen Umwelt. Ich empfinde 
              eine tiefe Traurigkeit wenn ich sehe wie der Regenwald vernichtet 
              wird. Wenn jemand Ayahuasca zu sich nimmt, dann ist es manchmal 
              möglich die Bäume weinen zu hören wenn sie gefällt 
              werden. Die Geister müssen sich dann neue Plätze suchen 
              weil ihr physischer Teil in dem sie wie in einem Haus leben zerstört 
              wird. Zusammen mit dem Anthropologen Luis Eduardo Luna baute 
              Amaringo 1988 mit der Usko-Ayar Amazonian School of Painting ein 
              Projekt auf, das insbesondere Kindern und Jugendlichen aus ärmlichen 
              Verhältnissen kostenlos die Möglichkeit gibt unter Anleitung 
              und Bereitstellung der nötigen Materialien sich selbst künstlerisch 
              zu entfalten. Ein Bild zu malen ist ein Weg zu sehen und indem 
              du lernst zu sehen wirst du auch mehr verstehen. Bezeichnender 
              Weise wird Ayahuasca symbolisch im Logo der Schule als ein die verschiedenen 
              Welten verbindendes Element dargestellt.
 
 VISION UND ABGRUND
 
 Der Begriff der psychedelischen Kunst bezieht sich im engeren 
              Sinne auf Entwicklungen seit den sechziger Jahren in Nordamerika 
              und Westeuropa. Als Ausdruck, aber auch als prägendes Element 
              vielschichtiger gesellschaftlicher Veränderungsprozesse erlangten 
              Psychedelika gerade in den Jugendbewegungen dieser Zeit eine besondere 
              Bedeutung. Zwangsläufig drückte sich dies in der Literatur, 
              der Musik und der bildnerischen Kunst aus, wobei die psychedelische 
              Erfahrung in ihrer besonderen Dynamik für viele KünstlerInnen 
              eine stimulierende kreative Wirkung hatte. Robert Masters und Jean 
              Houston fassten die vorrangigen Merkmale der Psychedelischen Kunst 
              1968 folgendermaßen zusammen: Zugänglichkeit zu 
              unbewusstem Material, Auflockerung der Grenzen des Ich, Freiwerden 
              und Flexibilität der Gedanken, intensivierte Aufmerksamkeit 
              oder erhöhte Konzentration, Auflösung von Wahrnehmungskonstanten, 
              erhöhte Aufnahmefähigkeit für visuelle Bilderwelten 
              und Phantasien besonderer symbolischer und mythologischer Art, Verfeinerung 
              des Einfühlungsvermögens, Beschleunigung der Denkgeschwindigkeit, 
              regressive Ego-Funktionen, scheinbares Erkennen der Vorgänge 
              und Organe innerhalb des Körpers, das Erkennen tiefer psychischer 
              und geistiger Ebenen des Ich, in manchen Fällen verbunden mit 
              der Fähigkeit zu tiefem religiösen und mystischen Erleben.
 
 Viele KünstlerInnen beschrieben ihre ersten psychedelischen 
              Erfahrungen als ein Erlebnis, welches ihre Kreativität nachhaltig 
              prägte oder sie überhaupt erst öffnete, nachdem sie 
              bis dahin weitgehend verschlossen war. Ein besonders prägnantes 
              Beispiel hierfür ist Isaac Abrams, dessen Leben sich nach einem 
              LSD-Trip 1965 grundlegend veränderte. Abrams charakterisierte 
              sich selbst rückblickend als einen kontrollierten und rationellen 
              Menschen, der weit entfernt vom Tanz des Lebens auf 
              seinen Verdienst und seine äußere Erscheinung fixiert 
              war und doch unterschwellig spürte, dass ihm etwas fehlte. 
              Psychoaktive Substanzen halfen ihm seine Blockaden zu erkennen und 
              im Zuge eines tiefgreifenden Prozesses aufzubrechen, wobei ihm eine 
              begleitende Psychotherapie bei der Aufarbeitung der Entwicklungen 
              nachhaltig unterstützte. Die psychedelischen Drogen haben 
              in mir den Sinn für Harmonie und Schönheit geweckt. Zum 
              ersten Mal in meinem Leben kann ich mich an der Schönheit eines 
              Blattes erfreuen und in den Vorgängen der Natur eine Bedeutung 
              erkennen. Würde ich ein hässliches Bild malen, es wäre 
              eine Lüge für mich. Ich habe entdeckt, dass ich durch 
              meine Feder und meinen Pinsel fließen kann; alles was ich 
              tue, wird ein Teil meiner selbst - ein Austausch von Energien. 
              Abrams ist auch später seinen Weg konsequent weitergegangen. 
              1996 setzte er nach jahrelangen Vorarbeiten die Vorstellung eines 
              fast zwanzig Meter hohen begehbaren Kaleidoskops um, welches er 
              selbst als erste Kathedrale des 3. Jahrtausends bezeichnete.
 
 Auch Alex Grey, der zu den bekanntesten und zweifellos in seinem 
              Werk beeindruckendsten psychedelischen Künstlern gehört, 
              ermöglichte der Gebrauch psychoaktiver Substanzen einen Zugang 
              zu einem ihm in dieser Tiefe zuvor unbekannten ganzheitlichen Verständnis 
              von Liebe und Transzendenz. Als wesentlichen Ausdruck seines veränderten 
              Lebensentwurfs widmete er diesem Verständnis fortan sein künstlerisches 
              Schaffen. Alex Grey spricht dabei zumeist bewusst von einer entheogenen 
              Erfahrung, eine Beschreibung die sich frei übersetzt auf eine 
              durch psychaktive Substanzen eröffnete Erfahrung des Göttlichen 
              im Innern bezieht. Der von Jonathan Ott geprägte Begriff Entheogene 
              wird seit einiger Zeit verstärkt alternativ zur Bezeichnung 
              Psychedelika im Zusammenhang mit dem traditionellen schamanistischen 
              Gebrauch psychoaktiver Pflanzen, sowie für eine spirituell 
              orientierte Betrachtungsweise genutzt. Im Zentrum der Gemälde 
              von Grey steht der Mensch, den er gleichermaßen in physikalischen, 
              metaphysischen und spirituellen Dimensionen beschreibt. Die dargestellten 
              Personen sind zumeist als vielschichtige Energiefelder transparent 
              dargestellt. Zu sehen sind Körperbahnen, verschiedene Organe, 
              die Chakren und die Aura. Zudem tauchen im Hintergrund oder in den 
              Körpern immer wieder Augen als klassisch psychedelisches Symbol 
              der eröffnenden Transzendenz auf. Die einzelnen inneren Energiefelder 
              stehen in Wechselbeziehung zu äußeren Feldern und bilden 
              einen Bestandteil eines kosmischen energetischen Zusammenhanges. 
              In den Gemälden erscheint der Akt der Liebe dadurch genauso 
              wie die Geburt oder auch der Tod eingebettet in einen endlosen Fluss 
              von Energien.
 
 In Anlehnung an verschiedene Theorien der Kreativität entwickelte 
              Grey eine eigene in sechs Schritte unterteilte Theorie des kreativen 
              Prozesses in der sich Elemente des I-Ging genauso finden lassen 
              wie die der Psychoanalyse. Die Entstehung eines Kunstwerkes als 
              Synonym für eine kreative Entwicklung überhaupt ist diesem 
              Verständnis zufolge immer auch mit einer Auseinandersetzung 
              mit der eigenen Persönlichkeit verbunden. Der kreative Prozess 
              geht dabei von einer anfänglichen Frage aus, die dann in die 
              Suche nach der Antwort mündet, wobei im Grunde die Fragestellung 
              auf einer tieferen unbewussten Ebene die Antwort schon in sich trägt. 
              Das Konzept lässt sich auch auf den Ablauf einer bewussten, 
              in einem rituellen Rahmen eingebetteten psychedelischen Erfahrung 
              übertragen, die zu einem tieferen Verständnis innerer 
              Prozesse führen soll: 1) Formulation: Entdeckung des 
              Themas oder des Problems des Künstlers. 2) Saturation: Eine 
              Periode intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema bzw. dem Problem. 
              3) Incubation: Dem Unbewussten Zeit lassen, um die Information zu 
              verarbeiten und eine Antwort zu entwickeln. 4) Inspiration: Die 
              Idee von einer eigenständigen Lösung des Problems aufkommen 
              lassen. 5) Translation: Der inneren Lösung eine äußere 
              Form geben. 6) Integration: Die gefundene Antwort kreativ mit Anderen 
              teilen und ein Feedback erhalten.
 
 Einen visionären Gegenentwurf zu den glücksbetonten und 
              spirituellen Welten vieler psychedelischer KünstlerInnen bildet 
              das Werk von H. R. Giger. Fast durchgängig in dunklen Farben 
              gehalten beschreiben seine Bilder Alpträume und Horrorvisionen. 
              Metaphorisch werden die Abgründe der menschlichen Existenz 
              wie auch einer persönlich empfundenen tiefen Lebensangst in 
              eine apokalyptische Welt übertragen in der sich bizarre Kreaturen 
              tummeln, darunter bizarr mutierte Säuglinge genauso wie die 
              dämonenhaften Wesen aus den Werken H. P. Lovecrafts. Internationale 
              Bekanntheit erlangte Giger vor allem durch die Kreation des Alien 
              aus dem gleichnamigen Film. Ein gerade im Vergleich zu anderen Science-Fiction- 
              oder Horror-Filmen in seiner Wirkung nahezu perfekt gestaltetes 
              Wesen, welches die Besatzung eines Raumschiffs bis auf eine letzte 
              Überlebende dezimiert und als scheinbar übermächtige 
              äußere Bedrohung doch nur auf einer symbolhaften Ebene 
              Ausdruck innerer Abgründe ist. Die unterschwellige existenzialistische 
              Frage nach dem Sinn des Daseins wird in den Gemälden Gigers 
              vielfach mit Leid und Qual beantwortet, in anderen Bildern stellt 
              sich diese Fragestellung überhaupt nicht mehr. Hoffnung erscheint 
              dann nur als Sehnsucht, die jedoch unerfüllt bleibt, auch wenn 
              gerade diese den Landschaftsbildern und Frauenportraits eine tiefe 
              dunkle Schönheit verleiht. Das Licht, das in einige Bilder 
              fällt, ist jedoch keines, das wärmt oder gar auf eine 
              bessere Welt verweist. Der erste Gepfählte, der mich 
              als Kind fesselte, war eine lebendige Vogelscheuche aus einem Dialektmärchen, 
              welches meine Mutter mir immer wieder vorlesen musste. Ich glaube, 
              dieses durch diesen Pfahl fixierte Leben, für das es nur durch 
              einen möglichst schnellen Tod Erlösung gab, zeigte mir 
              nüchtern die Sinnlosigkeit eines Daseins. Eines Daseins, welches 
              man besser gar nicht erst angetreten hätte. In vielen meiner 
              Arbeiten widerspiegelt sich dieses Ausgeliefertsein, welches keinen 
              religiösen Glauben aufkommen lässt.
 
 Auch ohne Drogenbezug gleichen viele Gemälde Gigers Erfahrungsebenen 
              die mit den Wahrnehmungen von Horrortrips vergleichbar sind, welche 
              wiederum keinen künstlich erzeugten Wirklichkeiten entsprechen, 
              sondern innere Abgründe als Teil einer entfremdeten Welt offenbaren. 
              Ein direkter Einfluss einer psychedelischen Betrachtungsweise auf 
              die Arbeiten von Giger ist für die frühen siebziger Jahre 
              belegt. Ausgehend von Fotos, welche die Arbeit der Müllabfuhr 
              zeigen, verfremdete er in seinen Passagen-Gemälden die Rückansicht 
              des Wagens und die Entleerung der Mülltonnen in zahlreichen 
              Bildern, und zwang ihnen, wie er selbst ausführte, 
              mit Hilfe der psychedelischen Malerei alle möglichen 
              Realitäten auf. In dieser Zeit setzte sich Giger auch 
              nachdrücklich dafür ein, Timothy Leary in seiner Schweizer 
              Heimat Asyl zu gewähren, wohin dieser sich nach der Verurteilung 
              wegen Vergehens gegen die US-amerikanische Drogengesetzgebung geflüchtet 
              hatte. Wohl in Anbetracht der Gefahr einer Stigmatisierung antwortete 
              Giger später in Interviews auf Fragen zum Einfluss von Psychedelika 
              auf sein Werk durchgängig mit der schlichten und doch vieldeutigen 
              Aussage Drogen sind verboten. Unabhängig von Überlegungen, 
              in welchem Umfang psychedelische Substanzen seine Arbeiten tatsächlich 
              direkt oder indirekt beeinflusst haben, sind die Gemälde ein 
              Synonym für die realen Abgründe des Lebens. Diese werden 
              durch Psychedelika nicht erzeugt, können aber gerade durch 
              sie in einer besonderen Tiefe offenbart werden. Giger, du 
              sezierst rasiermesserscharf Teile des Gehirns und überträgst 
              sie, noch pulsierend, auf die Leinwand. (Timothy Leary).
 
 Die Werke von Isaac Abrams, Alex Grey und H. R. Giger geben in ihrer 
              Ausdruckskraft Pole menschlicher wie psychedelischer Erfahrungen 
              wieder. Augenfällig wird an Hand dieser Beispiele, dass Psychedelika 
              keineswegs zwangsläufig zu Halluzinationen oder gar zu einer 
              psychotischen Persönlichkeitsveränderung führen wie 
              von den VertreterInnen einer prohibitionistischen Drogenpolitik 
              bis heute immer wieder unterstellt wird. Aber auch die Annahme eines 
              mit dem Gebrauch von Psychedelika verbundenen Automatismus, der 
              geradlinig zu einer positiven Entwicklung führt, hat sich längst 
              als Illusion erwiesen. Eine differenzierte, von empirischen Untersuchungen 
              ausgehende Beschreibung des Wirkungsspektrums psychedelischer Substanzen 
              lieferte eine 1985 von Adolf Dittrich geleitete Studie, die sich 
              in ihren Ergebnissen tendenziell auf die Werke der drei beschriebenen 
              Künstler übertragen lässt. Hinsichtlich der Phänomenologie 
              außergewöhnlicher Bewusstseinszustände wurden 
              dabei nach einer Versuchsreihe mit 500 Probanden im wesentlichen 
              drei Erfahrungszustände unterschieden: Die sogenannte Ozeanische 
              Selbstentgrenzung beschreibt beglückende Erfahrungen 
              wie das Gefühl des Einsseins mit sich und der Welt. Die Angstvolle 
              Ichauflösung entspricht einem Horror-Trip, also den bedrohlichen 
              Aspekten wie der Angst vor einem Kontrollverlust, und der Zustand 
              der Visionären Umstrukturierung schließt 
              Veränderungen von Bedeutungsebenen, halluzinatorische Wahrnehmungen 
              und synästhetische Aspekte ein.
 
 KLINGENDE FARBEN
 
 Der psychedelischen Erfahrung entsprach es, dass in den sechziger 
              Jahren in vielfältiger Weise die Zweidimensionalität eines 
              Gemäldes verlassen und mit neuen Ausdrucksformen experimentiert 
              wurde. Es ging darum, nicht länger nur etwas passiv zu betrachten, 
              sondern sich selbst in einem Raum zu bewegen, dessen Form nicht 
              starr ist, sondern in fließender Bewegung. Derartige Ansätze 
              waren zweifellos nicht auf die psychedelische Bewegung, die in der 
              zweiten Hälfte des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erlebte, 
              beschränkt, oder ausschließlich auf den Gebrauch von 
              Psychedelika zurückzuführen. Sie wurzelten vielmehr in 
              einer übergreifenden soziokulturellen Strömung, die sich 
              in unterschiedlichen Bereichen verkrusteten Strukturen entgegenstellte 
              und zum Teil auch aufbrach. Der massenhafte Gebrauch von Psychedelika 
              war ein Ausdruck dieser Entwicklungen und prägte sie an einigen 
              Punkten zugleich nachhaltig.
 
 Ein verstärkt genutztes künstlerisches Element war der 
              Einsatz von Projektionen und besonderen Lichteffekten. KünstlerInnen 
              wie Don Snyder, Glenn McKay und insbesondere dem Duo Jackie Cassen 
              und Rudi Stern gelang es dadurch Aspekte der psychedelischen Erfahrung 
              eindrucksvoll widerzuspiegeln und gleichzeitig eine Umgebung zu 
              schaffen, die einen Trip als psychedelische Reise in einer positiven 
              Weise unterstützt. Farbe und Formen gingen dabei fließend 
              und pulsierend ineinander über, kaleidoskopartig wurde eine 
              andere Wirklichkeit beschrieben. Eingesetzt wurden dabei neben abstrakten 
              Motiven auch Dias mit Aufnahmen, die von schemenhaften Figuren bis 
              zu kosmischen Bildern oder Mikroorganismen reichten. KünstlerInnen, 
              die betont auf gesellschaftliche Zusammenhänge verwiesen, integrierten 
              auch Kriegsszenen oder Bilder von Demonstrationen. Vielbeachtet 
              waren die Psychedelic Celebrations bei denen Cassen und Stern Vorträge 
              von Timothy Leary visuell begleiteten. Das Publikum war komplett 
              high. Timothy saß da im Schneidersitz mit einem wunderbaren 
              Ausdruck. Wir richteten eine Projektion auf ihn und er begann über 
              Tune in, turn on, drop out zu sprechen und wir alle 
              begaben uns auf einen Trip in die Welt des magischen Theaters von 
              Hermann Hesses Steppenwolf. Wir verdunkelten den Raum und begannen 
              die verschiedenen Leinwände mit Projektionen zu bestrahlen, 
              einmal setzten wir hunderte Fotografien von schönen Frauen 
              ein, auf den Leinwänden spielten Gesichter, Münder und 
              Augen miteinander. (Rudi Stern). Unter dem Überbegriff 
              Mixed Media wurden diese Techniken insbesondere in Diskotheken 
              und auf Konzerten mit anderen Ausdrucksformen verbunden, um so die 
              Idee einer umschließenden künstlerischen bzw. psychedelischen 
              Erfahrung weiterzuentwickeln, die nachhaltig auf Sinne und Bewusstsein 
              einwirkt.
 
 Der zunehmende Einfluss fernöstlicher Religionsentwürfe 
              auf die psychedelische Bewegung, der nicht zuletzt auch von Leary 
              repräsentiert wurde, schlug sich im künstlerischen Bereich 
              insbesondere in den Werken des Projektes USCO (The Us Company) nieder. 
              Die Mitglieder der zeitweise kommuneartig in einer ehemaligen Kirche 
              zusammenlebenden Gruppe schufen unter anderem Installationen in 
              denen Buddha und hinduistische Gottheiten in psychedelischen Farben 
              dargestellt wurden. Umgeben wurden diese Motive von spirituellen 
              Symbolen und Lichteffekten, die den Zustand der Erleuchtung bzw. 
              positive Energiefelder symbolisierten. Die psychedelische Erfahrung 
              tiefer Zusammenhänge und einer Wirklichkeit die über das 
              Alltagsbewusstsein hinausgeht, korrespondierte dabei mit spirituellen 
              Erklärungsmustern. Bis heute machen zahllose Beispiele deutlich, 
              dass die Einordnung in religiöse Systeme die Auseinandersetzung 
              mit den teilweise äußerst schwer zu verarbeitenden Trip-Erlebnissen 
              erleichtert. Gleichzeitig nimmt sie ihnen aber wesentlich an Tiefe 
              indem sie der potenziell befreienden Auflösung von Grenzen 
              wieder einen Rahmen gibt. Diese können gerade im Zusammenhang 
              mit autoritär strukturierten Religionsmodellen oftmals zu einer 
              die eigene Entfaltung einschränkenden Mauer werden. Der Übergang 
              von der Suche nach Erkenntnis zur Flucht in eine spirituelle Scheinwelt 
              ist dabei fließend. Vor diesem Hintergrund ermöglichten 
              die Blumenkinder manch einem indischen Guru in seiner vorgeblichen 
              Losgelöstheit von irdischen Begierden ein Leben in Luxus.
 
 Der Einfluss psychedelischer Substanzen durchzog in den späten 
              sechziger Jahren nahezu alle Bereiche künstlerischen Ausdrucks. 
              Besonders deutlich war dies im Bereich der Pop- und Rock-Musik. 
              Unzählige Song-Texte waren deutlich LSD-getränkt und nicht 
              zuletzt die Beatles als herausragende Band der sechziger Jahre kreierten 
              mit Stücken wie Tomorrow never knows und A 
              day in the life psychedelische Klassiker. John Lennon bekannte 
              später einmal, dass er wohl tausend Trips eingeworfen habe. 
              Die Doors beschworen gleichzeitig den Schrei des Schmetterlings 
              und verkörperten dabei einen vergleichsweise düsteren, 
              dionysischen Weg in die andere Wirklichkeit. Jefferson Airplane 
              besangen die Abenteuer von Alice im Wunderland und Grateful 
              Dead zelebrierten bis in die neunziger Jahre ihre Auftritte als 
              betont gemeinschaftliche psychedelische Manifestation. Andere Gruppen 
              wie Pink Floyd schufen anfangs einen neuen Klangkosmos der bewusst 
              an psychoaktiven Erfahrungen ausgerichtet war. Einige Veranstaltungsorte 
              waren dabei im Stile eines psychedelischen Environments unter anderem 
              mit besonderen Lichtinstallationen und Bildprojekten ausgestattet. 
              Zwangsläufig spiegelten sich diese Entwicklungen auch in zahllosen 
              Schallplattencovern, wobei bis heute insbesondere die von Mati Klarwein 
              gestalteten Cover für Santana als Inbegriff psychedelischer 
              Cover-Kunst gelten. Im Bereich der Konzertplakate erlangten vor 
              allem die von Rick Griffin und Wes Wilson gestalteten Motive für 
              das Fillmore Auditorium in San Francisco Kultcharakter, wobei es 
              Wilson gelang Jugendstil-Einflüsse ausdrucksstark in einen 
              psychedelischen Kontext zu integrieren.
 
 Das Londoner Oz-Magazin gehörte zu den herausragenden Underground-Magazinen 
              der Zeit. Insbesondere die Cover waren häufig psychedelisch 
              inspiriert und setzen sich experimentierfreudig mit den Utopien 
              und gesellschaftlichen Widersprüchen der Zeit auseinander. 
              Von einem Oz-Cover blickte ein verfremdeter Bob Dylan, der sich 
              als der von ihm selbst besungene Mr. Tambourine Man 
              auf einen Trip befindet. Auf einem anderen schweben zwei Frauen 
              in einer Badewanne durch ein psychedelisches Universum. Die beständige 
              Abbildung nackter Frauenkörper als Blickfang gehörte dabei 
              nicht nur bei Oz zu einer von Männern geprägten Normalität. 
              Oz bezog aber auch politisch klar Stellung. So symbolisierte auf 
              einem Titelbild ein roter verlaufener Farbfleck auf einem Schwarz-Weiß-Foto, 
              welches die Erschießung eines Gefangenen zeigt, den menschenverachtenden 
              Wahn des imperialistischen Vietnam-Krieges. Neben vergleichbaren 
              Zeitschriften wurde auch in den Underground-Comix von Robert Crumb 
              und Gilbert Shelton der Gebrauch von Drogen für die skurril 
              gezeichneten Figuren zu einer Selbstverständlichkeit. Mit einem 
              eigenwilligen Humor illustrierten die Storys einen freakigen Alltag, 
              wobei Trip-Erfahrungen oftmals ironisch persifliert wurden, indem 
              sich beispielsweise Gesichter Bild für Bild immer weiter auflösten. 
              Rückblickend ist der Zusammenhang mit persönlichen psychedelischen 
              Erfahrungen offensichtlich: Ich nahm diese abgedrehte Droge 
              und sie würfelte mein Hirn völlig durcheinander. Die Auswirkungen 
              hielten monatelang an. Ich gab jede fixierte, zusammenhängende 
              Vorstellung von dem auf, was ich gerade machte, und begann diese 
              Comic-Strips zu malen, die direkt aus dem Unterbewusstsein kamen. 
              All die Charaktere, die ich in den nächsten Jahren malte, entstanden 
              in dieser Phase in mir. (Robert Crumb).
 
 Psychedelische Erfahrungen fanden zwangsläufig auch im Bereich 
              des Films ihren Niederschlag. Das Spektrum reichte von den okkult-psychedelischen 
              Experimenten Kenneth Angers über die Bilderfluten eines Jud 
              Yalkut, der versuchte Trip-Erlebnisse visuell umzusetzen, bis zu 
              dem abgedrehten Pop-Art-Film Yellow Submarine oder Stanley 
              Kubricks Klassiker 2001 - A Space Odyssey der offensichtlich 
              von der Ästhetik der Zeit geprägt war. Wenn in einer Schlüsselszene 
              der Astronaut Dave in das Innere eines mysteriösen schwarzen 
              Monolithen blickt, dann gleicht seine Erkenntnis einer psychedelischen 
              Vision: Mein Gott, es ist voller Sterne! Auch das wichtigste 
              Theaterprojekt der sechziger Jahre, das Living Theatre, bezog sich 
              auf Psychedelika. Die Gruppe um Judith Malina und Julian Beck durchbrach 
              mit ihren Aufführungen die Barrieren zwischen SchauspielerInnen 
              und Publikum, beteiligte sich dabei mit eigenen Performance-Aktionen 
              an Friedensdemonstrationen und provozierte mit Liebesszenen in Fußgängerpassagen. 
              In einer berühmten Szene ihres Stückes Paradise 
              Now entkleideten sich die Akteure während sie verbal 
              repressive gesellschaftliche Strukturen angriffen und dabei beispielhaft 
              auch das Marihuana-Verbot aufführten. Wir waren gewillt 
              mit allem zu experimentieren, was zur Befreiung unseres Bewusstseins 
              beitragen kann. LSD trägt eine bestimmte messianische Vision 
              in sich, ein besonderes Verständnis der Bedeutung von Freiheit, 
              eine erotische Fantasie, eine politische Fantasie, eine soziale 
              Fantasie ...
 
 REVOLUTION AUF ACID
 
 Gerade in den späten sechziger Jahren offenbarte sich ein 
              weit über den gängigen Kunstbegriff hinausgehendes Verständnis 
              von psychedelischer Kunst als Lebensentwurf. Der Schriftsteller 
              Ken Kesey, der einst als Kopf der Merry Pranksters mit dem in psychedelischen 
              Farben bemalten Further-Bus durch die USA zog und die 
              sogenannten Acid-Tests als ritualhafte LSD-Partys organisierte, 
              sprach von LSD als Wegbereiter einer besseren Welt. Kesey zufolge 
              kann LSD jemanden dazu befähigen, das Leben zu einem Kunstwerk 
              zu machen, weit mehr als es ihn dazu befähigt mit Kunst das 
              Leben abzubilden. John Sinclair, der später als Manager der 
              einflussreichen Polit-Rock-Band MC5 auf Grund des Verschenkens von 
              zwei Joints zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sprach 
              schon 1964 von der Entwicklung bewusster Gemeinschaften von 
              KünstlerInnen und Liebenden, die zusammen leben und alles miteinander 
              teilen, die zusammen Dope rauchen, tanzen, ficken und gemeinsam 
              die Botschaft der Veränderung verbreiten. Derartige Visionen 
              bildeten die Grundlage der Yippies, dem radikalisierten Flügel 
              der Hippie-Kultur, im Sinne eines umfassenden Politikverständnisses, 
              welches die Eingrenzungen des Kunstbegriffs aufhob und ihn als Teil 
              einer gelebten Widerstandskultur neu definierte, die auch den Gebrauch 
              von Psychedelika einschloss: Unsere Politik ist unsere Musik, 
              unser Geruch, unsere Haut, unser Haar, sind unsere warmen Körper, 
              unsere Drogen, unsere Underground-Zeitungen; unsere Politik ist 
              unsere Energie, unsere Vision. (Jerry Rubin). Im viel beschworenen 
              Summer of Love des Jahres 1967 schienen derartige Träume 
              greifbar zu werden und nicht zuletzt das längst legendäre 
              Woodstock-Festival im folgenden Jahr machte zumindest in Ansätzen 
              deutlich, dass das psychedelische Utopia im Hier und Jetzt verwirklichbar 
              ist. Es ist kaum möglich dieses Gefühl einer friedlichen 
              Gemeinschaft von 400.000 Menschen zu beschreiben, in der alle irgendwie 
              high sind... (Abbie Hoffman).
 
 Doch langfristig überlebten derartige kulturrevolutionären 
              Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens als Kunstwerk nur in 
              einigen gesellschaftlichen Nischen. Auch wenn die gegenkulturellen 
              Bewegungen der späten sechziger Jahre viele Bereiche nachhaltig 
              veränderten, darunter das Verhältnis zur Sexualität, 
              das Verständnis der Erziehung und nicht zuletzt den Umgang 
              mit Autoritäten, so scheiterten sie als Ganzes in ihrem umfassenden 
              Ziel einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung. Das System 
              reagierte zum einen mit repressiven Maßnahmen, die sich in 
              den Versuchen niederschlugen einflussreiche Organisationen der Gegenkultur 
              bzw. darüber hinausgehend die Praxis eines anderen Lebens zu 
              zerschlagen. Der ohnehin repressive Charakter der Drogenpolitik 
              wurde dabei durch das Verbot von LSD weiter verschärft. Zugleich 
              setzte der Prozess der Vereinnahmung und Entschärfung kritischer 
              Inhalte im Zuge der Kommerzialisierung weiter Teile der Bewegungen 
              ein. Bezeichnender Weise empfahl schon 1968 sogar das Wall Street 
              Magazine in einen Leitartikel seinen LeserInnen Nennen Sie 
              ihre Ware psychedelisch und sie verkauft sich rasend. Die 
              vormals zutiefst verurteilte Jugendkultur war inzwischen in ihrem 
              kommerziellen Potenzial als neuer Absatzmarkt erkannt worden. Die 
              farbenfrohe psychedelisch inspirierte Kleidung wurde genauso wie 
              entsprechende Musikveröffentlichungen zu einer auf das Klischee 
              reduzierten, industriell produzierten Massenware. Bis heute lebt 
              Haight-Ashbury, das einstige Zentrum der Hippie-Bewegung im Herzen 
              von San Francisco, von der profitablen Ausschlachtung des psychedelischen 
              Mythos. Das System, das selbst seine Antithese zu einer Ware macht, 
              hatte sich in seiner verschlingenden Dynamik einmal mehr als stärker 
              erwiesen.
 
 Es war jedoch nicht nur der Druck von außen der die psychedelische 
              Bewegung wie auch die Gegenkultur der späten sechziger Jahre 
              als Ganzes scheitern ließ. Ein beträchtlicher Teil derer, 
              die daran glaubten, dass LSD die Welt befreien würde, verlor 
              sich später in persönlichen Widersprüchen. Der Gebrauch 
              von Psychedelika macht die andere Welt nur sichtbar, sich darin 
              zu bewegen und die Erfahrungen über einen längeren Zeitraum 
              im eigenen Alltag zu integrieren oder gar eine soziale Alternative 
              zu entwickeln, setzt wesentlich mehr voraus als das Einwerfen eines 
              Trips oder das Verfassen eines Flugblattes. So ließen sich 
              immer mehr der einstigen Blumenkinder und Polit-AktivistInnen auf 
              Kompromisse mit dem ehemals bekämpften System ein. Wir 
              sind die vor denen uns unsere Eltern gewarnt haben lautete 
              der längst sprichwörtliche Titel eines zeitgenössischen 
              Buches über die Gegenkultur der späten sechziger Jahre. 
              Wir gehören nun zu denen, die wir einst bekämpften 
              hätte es rund zwei Jahrzehnte später vielfach heißen 
              können.
 
 PSYCHEDELIC TRANCE
 
 Zu einem Revival psychedelisch beeinflusster Ausdrucksformen 
              kam es seit den neunziger Jahren im Rahmen der Techno-Kultur, wobei 
              der Gebrauch von LSD und psychoaktiven psilocybinhaltigen Pilzen 
              insbesondere in der Psychedelic-Trance-Szene verankert ist. Deren 
              Entwicklung wurzelt im indischen Goa, das seit den siebziger Jahren 
              als Treffpunkt für Freaks und AussteigerInnen aus der ganzen 
              Welt gilt. In den späten achtziger Jahren öffnete sich 
              diese Szene zunehmend der aufkommenden Techno-Musik. Es entstand 
              ein eigenständiger musikalischer Stil, sowie eine besondere 
              Kultur, die bis heute sowohl stark von spirituellen wie auch von 
              psychedelischen Elementen der Hippie-Bewegung beeinflusst ist. Kennzeichnend 
              für zahlreiche Psychedelic-Trance-Partys sind neben der Musik 
              auch vielfältige visuelle und künstlerische Elemente, 
              wobei das Gestaltungskonzept in dieser Hinsicht an die Mixed-Media-Shows 
              der späten sechziger Jahre anknüpfte. Charakteristisch 
              sind pulsierende Diaprojektionen und fluoreszierende Gemälde 
              mit zumeist trippigen oder spirituellen Motiven. Zum Teil werden 
              auch entsprechende Video-Projektionen und großflächige 
              Lichteffekte eingesetzt, um eine entsprechende Atmosphäre zu 
              gestalten und gegebenenfalls dadurch die PsychonautInnen auf ihren 
              Reisen in den Weltraum des eigenen Bewusstseins zu begleiten. Eine 
              gute Party wird vielfach gleichermaßen als ein riesiges Trance-Ritual 
              wie auch als ein buntes Happening verstanden, in dem die Grenzen 
              von Kunst und Leben aufgehoben sind. Die Leute sind alle phantasievoll 
              in bunten Farben gekleidet. Sie stellen immer wieder verschiedene 
              Charaktere dar. Es ist eine Zusammenkunft verschiedener Realitäten. 
              Die ursprünglichen tiefen Energien sind ein Teil eines Kreises, 
              der von den SchamanInnen der alten Stammeskulturen über die 
              Hexen und ihrer Magie bis zu den Hippies und ihrem Ruf nach Frieden, 
              Freiheit und Liebe reicht. (Pavan W. Ananta).
 
 In ihrer Gesamtheit wurde die Techno-Kultur jedoch noch schneller 
              kommerziell vereinnahmt als die Jugendbewegungen zuvor. Alternative 
              Ansätze wurden bald in den Underground verdrängt, während 
              auch in weiten Teilen der Psychedelic-Trance-Szene eine völlig 
              entpolitisierte, konsumorientierte Haltung und ein unreflektierter 
              Drogengebrauch zu einer Normalität wurden. Dennoch spiegeln 
              immer wieder Underground-Partys und Free-Raves in ihrer betont gegenkulturellen 
              und zum Teil offensichtlich psychedelisch ausgerichteten Praxis 
              eine Verbindung von Kultur, Politik und Leben. Entsprechend beschrieb 
              das Sonics-Cybertribe-Netzwerk in einer Selbstdarstellung das Bestreben 
              Räume zu entwickelten als ein zentrales Ziel seiner 
              Mitglieder: Räume in denen wir gemeinschaftlich tanzen, 
              lachen und lieben. Räume die für kreative Entfaltung und 
              Ekstase stehen. Räume in denen wir im Alltag gleichberechtigt 
              Neues entwickeln. Räume mit denen wir uns widersetzen. Räume 
              als phantasievolles Experiment. Räume als Ausdruck von Veränderung.
 
 Eine besondere Bedeutung erlangte in der Techno-Kultur auf vielen 
              Partys und Raves der Chill-Out-Bereich. Im Gegensatz zum Tanzbereich 
              steht der Chill-Out für eine Räumlichkeit die Entspannung 
              und Erholung ermöglicht und gegebenenfalls auch ein Setting 
              bietet, welches einen vergleichsweise risikoarmen Drogenkonsum ermöglicht. 
              Ein guter Chill-Out bietet Sitz- und Liegegelegenheiten, ist zumeist 
              visuell besonders ansprechend gestaltet und entspricht vielfach 
              dadurch einem psychedelischen Environment. Von diesem Ansatz ausgehend 
              konzentrierte sich Hans Cousto im Rahmen der von ihm konzipierten 
              Orpheus-Brain-Box auf die Intensivierung der momentanen Erfahrung 
              innerhalb eines von besonderen optischen und akustischen Stimulationen 
              bestimmten psychoaktiven Erlebnisraumes. Die von Cousto als ein 
              dionysischer High-Tech-Tempel beschriebene Installation 
              ist als großflächiges Zelt angelegt, das zahlreiche Sitz- 
              und Liegegelegenheiten bietet und von besonderen Diaprojektionen 
              und Lichtinstallationen beleuchtet wird. Cousto verbindet dabei 
              Erkenntnisse der Bewusstseinsforschung mit Erfahrungen aus dem Bereich 
              der Synästhesie und Experimenten psychedelischer Kunst- und 
              Musikprojekte. Zu Beginn einer Session wird eine Atmosphäre 
              geschaffen, die für ruhige Entspannung und gelassene Aufmerksamkeit 
              sorgt, danach sollen die vielschichtigen visuellen und akustischen 
              Einflüsse die bildhafte Vorstellung der anwesenden Personen 
              fördern, um dann in einen trancehaften Zustand überzuleiten. 
              Nach einem sanften Ausklang wird die Möglichkeit gegeben sich 
              auszuruhen und die Erlebnisse zu reflektieren.
 
 DIE WELT IM WASSERTROPEN
 
 Eine immer wieder aufbrechende Diskussion besteht hinsichtlich 
              des Verhältnisses zwischen dem Gebrauch von Psychedelika und 
              künstlerischer Kreativität. Charakteristisch ist eine 
              in den Tagebüchern von Anais Nin wiedergegebene Kontroverse 
              zwischen der Schriftstellerin und Aldous Huxley, die fernab von 
              oberflächlichen Verurteilungen oder Beschönigungen des 
              Drogenkonsums, zwei zentrale Positionen der Diskussion vertraten. 
              Beide hatten in den fünfziger Jahren prägende Erfahrungen 
              mit psychedelischen Substanzen gemacht und sich literarisch damit 
              auseinandergesetzt. Nin ging allerdings davon aus, dass es möglich 
              ist, die durch Meskalin und LSD eröffneten inneren Räume 
              auch ohne den Gebrauch von Drogen zu betreten. Wir sind alle 
              nicht auf Drogen angewiesen, wenn wir richtig angeleitet und dazu 
              erzogen wären Musik, Malerei, Dichtung, Meditation und Träume 
              zu verstehen. Huxley widersprach, indem er sinngemäß 
              darauf verwies, dass Nin einen Zugang zu ihrem Unterbewusstsein 
              besitzt, der den meisten Menschen nicht gegeben ist und diese deshalb 
              Werkzeuge wie Psychedelika benötigen. Neben der inhaltlichen 
              Differenz spiegelten die beiden Positionen auch die unterschiedlichen 
              Persönlichkeiten wider. Im Gegensatz zu Nin war Huxley ein 
              intellektuell geprägter und äußerst kontrollierter 
              Mensch, dem seine Experimente mit Meskalin ermöglichten loszulassen 
              und einen neuen Zugang zu sich selbst zu finden. Noch entschiedener 
              als Huxley betonten Robert Master und Jean Houston, dass es kaum 
              möglich ist ohne den Gebrauch von Drogen eine Erfahrung zu 
              durchleben die mit einer psychedelischen vergleichbar ist. Einzig 
              wahren Mystikern seien derartige Wahrnehmungen und die damit verbundenen 
              Erkenntnisse vorbehalten. Der Beatnik-Poet Allen Ginsberg stellte 
              derartigen Positionen seine eigene Lebenserfahrung gegenüber 
              indem er darauf verwies, dass die veränderten Bewusstseinszustände 
              die er durch Meditationen und Yoga erlangt hatte, durchaus den Zuständen 
              glichen, in die er durch den Gebrauch von Psychedelika eintauchte.
 
 Von Seiten der akademisch geprägten Museumskultur wird den 
              psychedelischen Kunstströmungen bis heute oftmals der Kunstbegriff 
              abgesprochen, sofern sie überhaupt als solche wahrgenommen 
              werden. Ohnehin war der Begriff der Psychedelischen Kunst lange 
              weitgehend auf die späten sechziger Jahre begrenzt. Mit der 
              Auflösung der psychedelischen Bewegung fand auch die Psychedelische 
              Kunst in einer größeren öffentlichen Wahrnehmung 
              wie im eigenen Selbstverständnis als eine eigenständige 
              Strömung ein Ende. Gleichzeitig vermieden auch KünstlerInnen 
              die psychoaktive Substanzen nutzten,von ihrem Gebrauch zu sprechen, 
              um sich nicht einer Kriminalisierung bzw. einer gesellschaftlichen 
              Stigmatisierung auszusetzen. Der Begriff psychedelisch, 
              der sich frei als die Psyche offenbarend übersetzen 
              lässt wurde 1956 von dem Psychiater und Bewusstseinsforscher 
              Humphry Osmond in einem Briefwechsel mit Aldous Huxley entwickelt, 
              als die beiden nach einer unbelasteten Bezeichnung für psychoaktive 
              Drogen suchten. Auch wenn der Begriff über diese Definition 
              auf Erfahrungen begrenzt ist, die durch die entsprechenden Substanzen 
              erzeugt werden, so lässt sich von einem psychedelischen Empfinden 
              sprechen, welches ohne Drogen durch andere Techniken der Bewusstseinsveränderung 
              oder auch direkt aus dem Wahrnehmungsvermögen einer Person 
              heraus entstehen kann. Gerade hinsichtlich einer kategorisierenden 
              Beschreibung psychedelischer Kunst lässt dieses Verständnis 
              einen notwendigen Spielraum.
 
 Ein weiterer beschreibender Ansatz ist der Begriff der Visionären 
              Kunst, der sich von seinem übergreifenden Verständnis 
              ausgehend nicht auf eine äußere Form bezieht, sondern 
              auf das Erleben einer Vision, die in einem Kunstwerk dargestellt 
              wird. Die visionäre Kunst verdankt ihre Existenz kurzzeitigen 
              Ein- und Ausblicken ihrer Schöpfer in übersinnliche Dimensionen; 
              Erkenntnissen zu den elementaren Menschheitsfragen: Woher 
              kommen wir?, Wer sind wir? und Wohin gehen 
              wir? Wie solche Visionen, die in Bilder, Ornamente oder Objekte 
              gebannt wurden, zustande gekommen sind, ist dabei relativ unerheblich. 
              Eine solche Malerei ist nicht an bestimmte Stile, Epochen oder Kulturen 
              gebunden.(...) (Claudia Müller-Ebeling). Die Bezeichnung 
              ist dort schlüssig, wo sie sich klar auf einen Bewusstseinsprozess 
              bezieht. Auch ermöglicht sie eine sinnige Einbeziehung von 
              Künstlern wie Hieronymus Bosch und William Blake, die in ihren 
              visionären Werken oft in einen schwammigen Zusammenhang mit 
              der Psychedelischen Kunst gestellt werden, ohne jedoch nachweislich 
              psychoaktive Substanzen genutzt zu haben. Längst ist die Bezeichnung 
              Visionäre Kunst jedoch zu einem Überbegriff geworden, 
              der kitschig-esoterische Gemälde genauso einschließt 
              wie Darstellungen psychedelischer Erlebnisse oder auch Computergraphiken, 
              die vorrangig auf optische Effekte ausgerichtet sind. Ein Blick 
              in die größte Internet-Galerie Visionärer Kunst 
              auf der Arts-Seite von erowid.org verdeutlicht dies nachhaltig. 
              Zudem lässt sich der Begriff im Grunde nur auf einer universellen 
              Ebene sinnvoll einsetzen, in der eine visionäre Erfahrung losgelöst 
              von den umgebenden Bedingungen betrachtet wird. Tatsächlich 
              entsteht keine Vision in einem luftleeren Raum. Sie selbst und ihre 
              Interpretation bzw. schon die Definition als eine Vision ist immer 
              eng mit der entsprechenden Persönlichkeit, mit bestimmten Glaubensystemen 
              und auch mit dem soziokulturellen Umfeld verbunden. So werden beispielsweise 
              die Erfahrungen von klinisch toten Menschen, die später wieder 
              ins Leben zurückgeholt wurden, mit ihren visionären Wahrnehmungen 
              von langen Gängen und Lichterscheinungen von christlicher Seite 
              als Beleg für ein Leben nach dem Tod oder gar für die 
              Existenz eines Himmelreiches gedeutet. Eine esoterische Betrachtung 
              könnte sie dagegen im Sinne eines Reinkarnationsprozesses als 
              Übergang in ein folgendes Leben erklären. Ein medizinisch 
              oder biochemisch ausgebildeter Wissenschaftler wird diese Vision 
              allerdings eher in einen Zusammenhang mit vergleichbaren Erlebnissen 
              in Folge eines Sauerstoffmangels oder einer Epilepsie stellen. Während 
              sicher viele PsychonautInnen in Anklang an die Forschungen des Psychologen 
              Karl Jansen darauf verweisen würden, dass die Injektion einer 
              bestimmten Menge Ketamin die charakteristischen Aspekte einer Nahtoderfahrung 
              reproduzieren kann, ohne notwendiger Weise die entsprechende Person 
              körperlich in einen todesartigen Zustand zu versetzen.
 
 Ein anderer zumeist nicht beachteter Zugang zu einem Verständnis 
              psychedelischer Kunst liegt in der Abkehr von der Konzentration 
              auf den Kunstgegenstand zugunsten einer Betrachtung des Prozesses 
              der Wahrnehmung an sich. Die psychedelische Erfahrung verändert 
              nicht den Gegenstand der Betrachtung, vielmehr verändert sich 
              die Wahrnehmung des Betrachtenden. Entsprechend wandelt sich weder 
              die viel beschriebene Blume, deren Ausdruck im Gegensatz zur flüchtigen 
              Wahrnehmung des Alltags nun plötzlich in ihrer erblühenden 
              Schönheit erkannt wird, noch der Wassertropfen in dem sich 
              für den Betrachtenden während seiner psychedelischen Reise 
              die Welt widerspiegelt. Und so ist es auch nicht das Kunstwerk sondern 
              die Betrachtungsweise, die über die äußere Beschreibung 
              hinausgehend eine tiefere, als psychedelisch empfundene Ebene eröffnet. 
              Das Grundproblem welches dabei deutlich wird, lässt sich jedoch 
              in seiner Wurzel nicht durch den Gebrauch psychoaktiver Substanzen 
              lösen. Das Ziel sollte weit darüber hinausgehend in einer 
              eigenständigen Wiederbelebung einer bewussten Wahrnehmung liegen. 
              Im Wesen der Pflanzen offenbart sich die gleiche geheimnisvolle, 
              unerschöpfliche, ewige Lebenskraft, die auch uns hervorgebracht 
              hat. Es geht hier jedoch nicht um eine sentimentale Naturschwärmerei. 
              Was heute Not tut, ist ein elementares Wiedererleben der Einheit 
              alles Lebendigen, ein umfassendes Wirklichkeitsbewusstsein, das 
              sich spontan immer seltener entfaltet, je mehr die ursprüngliche 
              Flora und Fauna einer toten technischen Umwelt weichen muss. 
              (Albert Hofmann).
 
 PSYCHOAKTIVE REALITÄTEN
 
 Längst bestehen vielfältige Ansätze der künstlerischen 
              Aufarbeitung psychedelischer Erfahrungen und Betrachtungsweisen. 
              Die im Folgenden vorgestellten KünstlerInnen stehen zumindest 
              in Teilbereichen beispielhaft für bestimmte Tendenzen der Gegenwart 
              im Bereich der bildnerischen Kunst. Ihre Werke sind dabei aber keineswegs 
              ein durchgängig direkter oder indirekter Ausdruck psychedelischer 
              Erfahrungen. Zum Teil entsprechen die dargestellten Motive vielmehr 
              Chiffren, die sich auf psychedelische Erfahrungen übertragen 
              lassen, aber auch für andere Erlebnisse und Zustände stehen 
              können.
 
 Mit einem zumeist humorvoll-ironischen Unterton setzt sich der Japanische 
              Künstler Naoto Hattori mit all dem auseinander, was in 
              meinem Kopf vor sich geht. Meine Bilder sind meine Leidenschaften, 
              meine Wünsche oder auch nur meine verdrehten Gedanken. 
              Viele Bilder haben dabei einen psychedelischen Bezug. So stellt 
              Hattori einen Jesus dar, der mit einer Leiter vom Kreuz herabgestiegen 
              nun glücklich in den Armen eines Fliegenpilzes liegt. In seiner 
              Variation der Mona Lisa, dem wohl berühmtesten Bild der Welt, 
              blickt diese die BetrachterInnen in einem verpeilten Gesichtsausdruck 
              mit zwei Mündern an. In einem anderen Motiv schiebt der ehemalige 
              US-amerikanische Präsident Nixon breit grinsend eine Studie 
              über die Verträglichkeit von Marihuana in den Reißwolf. 
              Mehrfach greift Hattori zudem mit dem verzerrten Gesicht, aus dem 
              an langen Nervensträngen die Augen treten, ein geradezu klassisches 
              psychedelisches Motiv auf, welches die psychischen Zustände 
              und Reizüberflutungen während eines Horror-Trips wiedergibt. 
              Eine ganze Menge Leute halten meine Bilder für seltsam 
              und verrückt, aber ich finde sie schön. Es ist meine Art 
              zu meditieren, ich atme meine Gedanken auf die Leinwand aus. 
 
 In Form und Inhalt geradezu beispielhaft für verschiedene zentrale 
              Elemente der psychedelischen Malerei ist die Magic Mushrooms-Reihe 
              von Fred Weidmann. Die in ausdrucksstarken Farben gestalteten Gemälde 
              sind geprägt von teilweise ornamenthaften Strukturen, fließend 
              ineinander übergehenden Formen und vielfältigen Details. 
              Inhaltlich zeigen sie verschiedene Aspekte der kulturellen Bedeutung 
              psychoaktiver Pilze und der mit ihnen verbundenen Visionen. Weidmann 
              selbst sagt dazu: Pilze, die unser Bewusstsein beeinflussen 
              sind Kulturfolger des Menschen, echte Symbioten. Sie korrigieren 
              unsere Überzeugungen. Bezeichnend für die fortbestehende 
              Stigmatisierung psychedelischer Erfahrungen bzw. entsprechender 
              künstlerischer Ausdrucksformen waren die Reaktionen auf die 
              Veröffentlichung der Bilder in einem Kalender: Mit diesem 
              Kalender habe ich mir wirklich geschadet. Die Kunsthistoriker wollen 
              jemanden, der einmal Magic Mushrooms oder Muschis gemalt hat, gar 
              nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Allerdings weiß ich nicht, 
              ob man auf deren Meinung wirklich so viel Wert legen sollte...
 
 Wie sehr gerade in der Zeit des War on Drugs der Gebrauch 
              psychoaktiver Substanzen auch in einem künstlerischen Kontext 
              stigmatisiert ist, macht beispielhaft die Biographie von Keith Haring 
              deutlich. Der 1990 verstorbene Künstler erlangte durch seine 
              minimalistischen Graffities und Gemälde wie auch durch seinen 
              Einsatz gegen die Tabuisierung von AIDS weltweite Anerkennung. In 
              kaum einer der zahlreichen Veröffentlichungen über Haring 
              wird jedoch erwähnt, dass der Künstler selbst eine psychedelische 
              Erfahrung als eine Initiation für seine kreative Entwicklung 
              ansah. Mein erstes LSD-Erlebnis hatte ich mit fünfzehn, 
              die anschließenden Trips nahm ich auf den Feldern in der Umgebung 
              der Kleinstadt in Pennsylvania, wo ich aufgewachsen bin. Die Zeichnung, 
              die ich während des ersten Trips machte, wurde zum Keim aller 
              folgenden Arbeiten und hat sich zu einer ganzen ästhetischen 
              Weltanschauung (und Arbeitsweise) entwickelt.
 
 Einen Reichtum an Details offenbaren auch die Gemälde von Markus 
              Fleck. In teilweise von Mandalas beeinflussten Strukturen tummeln 
              sich miteinander verwobene fratzenhafte Wesen aus einer anderen 
              Welt, die letztlich doch im Inneren des Künstlers und möglicherweise 
              auch im Innern der BetrachterInnen beheimatet. Fleck spricht von 
              seinen Gemälden wie auch von seinen zumeist düster anmutenden 
              Zeichnungen in zahlreichen Notizbüchern als ein Trip 
              durch geistigen Müll oder irgendwelche hochtrabende Erkenntnisse. 
              Surreal, irreal. Gemalt in allen Techniken, in allen geistigen Zustandslagen. 
              Mit einem ironischen Unterton verweist er darauf, dass der Ursprung 
              der Bilder keineswegs immer den Erwartungen der BetrachterInnen 
              entspricht. Zum Teil sind die Motive von vergleichsweise banal erscheinenden 
              Zusammenhängen geprägt: Hier habe ich gerade an 
              die fucking Hausordnung gedacht, die ich noch machen muss... 
              Im von ihm mit aufgebauten Hanauer Kulturprojekt Matrax gestaltete 
              Fleck unter anderem die Männertoilette als ein komplett bemaltes 
              spaceiges Environment. Nervenbahnen und zelluläre Organismen 
              gehen in einen kosmischen Cyberspace über, wobei in angedeuteten 
              Computer-Bildschirmen ältere Gemälde von Fleck zu erkennen 
              sind. Regelmäßig lässt sich der Künstler im 
              Café des Projektes direkt von der Atmosphäre inspirieren 
              und setzt diese beim Live-Painting direkt in seinen Bildern um.
 
 Eine völlig andere Welt beschreibt Stevee Postman in seinen 
              Motiven, die er ausgehend von bearbeiteten Fotografien am Computer 
              kreiert. Vielfach stehen sinnliche nackte Männer im Zentrum 
              der farbenfrohen Bilder, umgeben von spirituellen und psychedelischen 
              Symbolen, wie auch von Blumen und Schmetterlingen. Deutlich ist 
              der Bezug zu der in Kalifornien verwurzelten schwulen Subkultur 
              der Radical Faeries, die sich in ihrem mystisch-erotischen Ansatz 
              zwischen Selbstentfaltung, Party und Verklärung bewegt. Ich 
              möchte mit meiner Kunst die Technologie mit dem Organischen 
              und dem Heiligen in einer Art Techno-Paganismus vereinen. 
              Bei der Kreation seines vielbeachteten Cosmic Tribe-Tarots 
              wurde Postman, seinen Beschreibungen zufolge, selbst zum Teil 
              eines größeren Bildes aus dem er intuitiv seine 
              Ideen bezog. Wenn ich das Vertrauen habe, mich zum richtigen 
              Zeitpunkt zu öffnen, dann kommt alles von alleine. In 
              der für Postman typischen symbolhaften und pathetischen Weise, 
              die sich oftmals an der Grenze zum Kitsch bewegt, zeigt das von 
              ihm gestaltete Plakat für die Konferenz Mind States 2001 
              mehrere aus den Stielen einer Pflanze aufblühende Hände. 
              In der Tradition spirituell geprägter psychedelischer Kunst 
              entweicht aus ihnen als Blüte ein Gehirn aus dessen Zentrum 
              wiederum das Licht der Erkenntnis und Erleuchtung strahlt.
 
 Der Berliner Künstler Gerhard Seyfried wurde in den siebziger 
              Jahren durch seine Comix bekannt, die auf eine sehr humorvolle Weise 
              gesellschaftliche Missstände wie auch Eigenarten der linken 
              Szene karikierten. Später beschrieb er in mehreren Hanf-Cartoons 
              ironisch den Alltag von KifferInnen und kritisierte die bestehende 
              Drogenpolitik. So geht Seyfried sarkastisch in einer Zeichnung auf 
              die zunehmend verbreitete Praxis polizeilich verordneter Urinkontrollen 
              zur Ermittlung von Drogenwerten ein, die nun beim Harnleiter 
              unter Videoüberwachung durchgeführt werden müssen. 
              In einem anderen Cartoon verfolgt ein Freak mit einem Joint im Mundwinkel 
              das Fernsehprogramm in dem davon gesprochen wird, dass Kiffen gleichgültig 
              macht. Seine lapidare Antwort lautet Na und?. Zu den 
              bekanntesten Motiven Seyfrieds gehört daneben eine Darstellung 
              von Jesus, der seinen ehrfürchtig aufblickenden Jüngern 
              im Stile eines Dealers Stoff anbietet: Tag Leute, 
              braucht ihr was: Speed, Acid, Gras?
 
 Im Mittelpunkt der autobiographisch beeinflussten Comix von Pete 
              Loveday stehen die zum Teil ganz banalen, dann aber auch sehr skurrilen 
              und abenteuerlichen Erlebnisse des Freaks Russell. Dieser fühlt 
              sich in der Kneipe in seiner Nachbarschaft genauso wohl wie bei 
              den umherreisenden New-Age-Travellers oder bei den Techno-Hippies 
              mit ihren rauschhaften Trance-Partys. In den meist ironisch-humorvollen 
              bis sarkastischen Anekdoten nehmen dabei immer wieder Drogen eine 
              handlungsbestimmende Rolle ein. So wird beispielsweise im Alptraum 
              eines Kiffers dieser selbst in einen überdimensionalen Joint 
              eingerollt und gerade noch rechtzeitig geweckt, bevor er angeraucht 
              wird. Eine andere Geschichte beschreibt die Suche nach dem idealen 
              Zeltplatz auf einem großen Festival. Der ursprünglich 
              idyllisch anmutende Ort erweist sich später aber als ein zentraler, 
              überlauter Durchgangsbereich. Im Dunkel der Nacht erübrigen 
              sich dann ohnehin alle Überlegungen, wenn nach zahllosen Joints 
              und unablässigem Bierkonsum niemand mehr sein eigenes Zelt 
              findet.
 
 Das Hanfblatt als Symbol der Bewegung zur Cannabis-Legalisierung 
              lässt sich auf unzähligen Veröffentlichungen zur 
              Thematik finden. Nicht selten erscheint es, von Glanz und erstrahlendem 
              Licht umgeben, als verheißungsvoller Verweis auf eine bessere 
              Welt. Eine symbolhafte Berechtigung haben derartige Motive im Zusammenhang 
              mit den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die von der 
              Bedeutung als psychoaktive Droge über den medizinischen Gebrauch 
              als Medikament bis etwa zur ökologisch sinnvollen Verwendung 
              als alternativer Rohstoff für die Papierherstellung reichen. 
              Derartige Darstellungen stehen jedoch auch für eine Tendenz 
              in der Hanfbewegung, die gesellschaftliche Widersprüche vorrangig 
              auf das Verhältnis zum Konsum psychoaktiver Substanzen reduziert 
              und unterschwellig davon ausgeht, dass in einer bekifften Welt automatisch 
              alles gut wird. Auf die Spitze getrieben spiegelt sich ein derartiger 
              Ansatz in dem Motiv eines über Headshops vertriebenen T-Shirts, 
              auf dem als Symbol ein gelber David-Stern abgedruckt ist. In diesem 
              befindet sich wiederum das Hanfzeichen und in altdeutscher Schrift 
              das Wort Kiffer. Die Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens 
              während der faschistischen Terrorherrschaft wird dadurch in 
              einen direkten Bezug zur Situation von KifferInnen im heutigen Deutschland 
              gestellt. Zweifellos herrscht derzeit eine weitgehend repressive 
              Drogenpolitik, doch sie ist in keinster Weise auch nur im Ansatz 
              mit dem Holocaust zu vergleichen, dem mehrere Millionen Menschen 
              in den Konzentrationslagern zum Opfer fielen. Vielmehr verharmlost 
              letztlich ein derartiger Bezug, so lustig oder ironisch 
              er auch gemeint sein mag, völlig die Barbarei des Faschismus.
 
 DER SCHWARZE REGENBOGEN
 
 Die psychedelische Erfahrung kennt viele Ausdrucksformen, die 
              je nach Persönlichkeit, Umfeld, Substanz und Dosierung von 
              konkreten Visionen über die Auflösung der Welt in ihre 
              atomaren Bestandteile bis zu einem völlig veränderten 
              Wirklichkeitsverständnis reichen kann. So beschreibt die Künstlerin 
              3T vakil weitgehend gegenstandslos in zumeist dunkelrot gehaltenen 
              Bildern die abstrakten Wahrnehmungsebenen ihrer Ketamin-Erfahrungen. 
              Es geht dabei nicht um eine konkrete Botschaft oder eine mit Worten 
              fassbare Vision, sondern um eine völlig verändernde Ebene 
              der Erfahrung und Realität. Im Vordergrund der Bilder steht 
              eine Struktur in der Linien schlauchartig ohne erkennbare Systematik 
              miteinander verbunden sind, wobei sich die Struktur unscharf im 
              Hintergrund zu spiegeln scheint.
 
 Geradezu klassisch sind in diesem Sinne die Zeichnungen des französischen 
              Schriftstellers und Malers Henri Michaux, die in den fünfziger 
              und sechziger Jahren im Zusammenhang mit seinen Meskalin-Erfahrungen 
              entstanden. Zumeist sind es äußerst abstrakte Gebilde, 
              oftmals furchenartige Strukturen oder Strich- und Punktornamente, 
              die das ganze Blatt ausfüllen. Die Welt dort ist ein 
              anderes Bewusstsein. Wenn Sie dann zum Beispiel hier auf den Erdboden 
              sehen, dann haben Sie hunderte, tausende von Punkten vor sich. Die 
              Zersplitterung der Zeit durch das Meskalin ermöglicht es alle 
              einzeln zu empfinden, jeden in seiner Individualität.
 
 Auch in den Bildern von M-L gehen Farben und Formen fließend 
              ineinander über, ohne einen konkreten Gegenstand abzubilden. 
              Auch wenn sie nicht in einem direkten psychoaktiven Kontext wurzeln, 
              geben sie eine psychedelische Erfahrungsebene wieder, in der sich 
              die ansonsten wahrgenommenen Strukturen auflösen und die Welt 
              nur noch in Energiefeldern und molekularen Zusammenhängen erfahren 
              wird. Die Entstehung der Bilder selbst geht nur zum Teil auf einen 
              bewussten Akt zurück, in ihrem Ergebnis sind sie nur eingeschränkt 
              voraussehbar. Etwas Glasfarbe auf ein leeres Dia geträufelt. 
              Ein wenig Kleber dazu, ein paar Salzkörner oder irgendwas Kleines 
              (Haare, Fusseln, Pflanzenteile) und der Zufall entscheidet über 
              das Bild. - Stell dir eine von der Sonne bestrahlte Wand vor, auf 
              der sich dann quasi als Live-Act das Bild herausschält...
 
 Während das klassische psychedelische Bild die bunten Farben 
              des Regenbogens beschwört, so erscheint dieser im übertragenden 
              Sinne in den Gemälden Nik Fiends in dunklen bedrückenden 
              Tönen. Fiend gehörte in den achtziger Jahren als Kopf 
              von Alien Sex Fiend zu den herausragenden Persönlichkeiten 
              der Independent-Musik. Der inhaltliche Bezugspunkt der Veröffentlichungen 
              lag zumeist in der Auseinandersetzung mit extremen psychischen Zuständen 
              und dabei teilweise auch mit psychedelischen Erfahrungen. Album-Titel 
              wie Whos been sleeping in my brain oder Acid 
              Bath machen dies in ihrer Symbolik genauso deutlich wie die 
              Bühnenshow des zum Teil offensichtlich tripenden Sängers. 
              Die Thematik prägte auch die Gemälde Nik Fiends in denen 
              in alptraumhaften Bilderwelten immer wieder verzerrte, leidende 
              oder bedrohliche Figuren auftauchen. Stärker von einem schwarzen 
              Humor getragen sind dagegen die Comic-artigen Zeichnungen Nick Fiends. 
              Sie beschreiben als Reisen durch die innere Schattenwelt tiefgreifende 
              Zerrissenheiten und Zerfallsprozesse.
 
 Die Bilderreihe Feurio von Cédric Lerouley ist 
              ein Chiffre für einen extremen psychischen Zustand und dabei 
              auch für einen verstörenden Horrortrip, ohne dass sich 
              der Künstler direkt darauf bezieht. Der nackte ungeschützte 
              Körper ist verzerrt dargestellt, das Gesicht auf einigen Bildern 
              von der Hand verdeckt, in anderen voller Schmerz oder mit einem 
              schreienden Ausdruck dargestellt. Die Aufnahmen selbst wurden als 
              prozesshafter Ausdruck dieses Zustandes mit ätzenden chemischen 
              Stoffen bearbeitet, teilweise auch zerkratzt und angebrannt.
 
 Der in Los Angeles lebende Danger leitet mit Koma/Amok-Books einen 
              der wohl skurrilsten Buchvertriebe der Welt. Seine vielschichtigen, 
              meist intuitiv zusammengesetzten Collagen beschäftigen sich 
              mit Obskuritäten und Abgründen des Lebens. Eine Ausnahme 
              hinsichtlich einer klaren psychedelischen Thematik bildet eine ausdrucksstarke 
              titellose Collage in der assoziativ über die Motive wie auch 
              durch den Kontrast der Signalfarben eine Reise in die Tiefen der 
              Psyche beschrieben wird. Im Zentrum steht eine Figur, die ein weißes, 
              die Reinheit verkörperndes Hochzeitskleid trägt. Ihr Gesicht 
              ist mit einem Tuch verhüllt, welches in seinem leuchtenden 
              Rot Lust und Versuchung symbolisiert. In diesem Gegensatz wird sie 
              von psychoaktiven Pilzen und Peyote-Kakteen umgeben, die vor einem 
              düsteren Hintergrund ihren Weg beschützend wie bedrohend 
              umranden.
 
 Zahlreiche Bilder des in Berlin lebenden Künstlers Der Träumer 
              zeigen Sex als eine die Grenzen des Körpers und im weiterführenden 
              Sinne auch des Bewusstseins überschreitende Erfahrung. Stilisierte 
              Körper mit zum Teil überdimensionierten Geschlechtsorganen 
              gehen zusammen in einem ekstatischen Orgasmus auf, der in einem 
              umgebenden Meer wellenförmig ineinander übergehender Formen 
              und Farben seine Entsprechung findet. Teilweise erscheint die Lust 
              jedoch auch als erdrückende Gier. Die Sehnsucht nach der sexuellen 
              Befriedigung offenbart sich dann in geifernden Blicken als Zwang, 
              selbst im Orgasmus wirken in einigen Gemälden gerade die männlichen 
              Figuren einsam und unerlöst. In seinen Computerworx 
              spielt der Träumer in Collagen und kaleidoskopartigen Bildern 
              mit den Codes der Porno-Industrie. Wenn in einigen collagenhaften 
              Graphiken zahllose erregte Glieder in weit geöffnete spermaverschmierte 
              Münder dringen, dann erscheinen diese Motive in einer ambivalenten 
              Weise als potenziell anregende Schlüsselreize, offenbaren aber 
              auch die Reduzierung der abgebildeten Frauen auf identitätslose 
              Lustobjekte. Den Ausführungen des Träumers zufolge wurzelt 
              die intensive künstlerische Auseinandersetzung mit den sexuellen 
              Realitäten in einer erotischen LSD-Vision. Ein organisches 
              Wesen führte ihn dabei zu einem gewaltigen Berg aus verschlungen 
              Leibern. Wesen aus allen Welten waren in diesem Berg in ewiger Lust 
              und Ekstase verschmolzen. Ich wurde für ein Wesen ausgetauscht, 
              von dem Fleischberg absorbiert und erlebte Jahrzehnte Orgasmen. 
              Nach dem Trip bewegte sich mein gesamtes künstlerisches Streben 
              fortan in eine Richtung: Ich wollte diesen Fleischberg, diese Verschmelzung 
              von Leibern visuell umsetzen. Seinem Lebensverständnis 
              zufolge markierte diese Vision eine Lebensetappe, die dann eine 
              künstlerische Umsetzung fand, bis sie irgendwann von einer 
              neuen Etappe abgelöst wurde. Wie immer in meinem Leben, 
              wird mir Etwas sagen, wann das Bild reif ist gepflückt zu werden.
 
 Insbesondere in den sechziger Jahren wurden in der mit Psychedelika 
              arbeitenden Psychotherapie (Psycholyse) die beteiligten Personen 
              dazu angeregt ihre Empfindungen auf LSD in Bildern auszudrücken, 
              die später besprochen wurden. Eine Testperson hatte beispielsweise 
              das Gefühl, die abstrakten Bilder erinnerten an die weiche, 
              warme und sinnliche Welt des gesättigten Säuglings. Eine 
              solche Situation stellt einen Übergang von der abstrakten zur 
              psychodynamischen Ebene des LSD-Erlebnisses dar. Die Emotionen, 
              welche die abstrakten inneren Bilder modifizieren und färben, 
              gehören zum relevanten biographischen Material des Erlebenden. 
              (Stanislav Grof). Die meisten von Psychedelika beeinflussten Kunstwerke 
              entstehen jedoch nicht direkt während einer derartigen Erfahrung. 
              Dies liegt in der Regel an der gerade bei höheren Dosierungen 
              beeinträchtigten Feinmotorik, wesentlicher ist jedoch vielfach 
              das Gefühl einen Teil des Potenzials der Erfahrung zu verschenken, 
              wenn die Konzentration auf einen künstlerischen Vorgang den 
              inneren Fluss unterbricht. Die Lebendigkeit meiner Bilder 
              auf Droge konnte sehr anstrengend werden. Ein regelrechter Kampf 
              mit den Wesen, die durch mich auf die Leinwand flossen. Ich zog 
              es vor, diese Wesen in mir zu beobachten, und später zu porträtieren. 
              (Der Träumer).
 
 DIE BEFREITE VISION
 
 Einen immensen Einfluss hatte die psychedelische Bewegung der 
              späten sechziger Jahre langfristig auf die Entwicklung der 
              Cyber-Kultur, auch wenn die einstige subversive Ausrichtung zumeist 
              neoliberalen Zwängen weichen musste. Vermutlich wären 
              die virtuellen Realitäten des Cyberspace wie beispielsweise 
              auch viele Graphikprogramme ohne psychedelische Bewusstseinsveränderungen, 
              die zu einem mehrdimensionalen Denken führten, nicht entstanden. 
              Mehrere Spezialisten, die an den Entwicklungen beteiligt waren, 
              verweisen bis heute auf derartige Zusammenhänge in ihrer Biographie. 
              Gerade die Graphikprogramme eröffneten in ihren scheinbar kaum 
              begrenzten Möglichkeiten neue Ansätze psychoaktiv erzeugte 
              Visionen künstlerisch wiederzugeben. Sie machten aber auch 
              deutlich, dass ein Computer allein nicht ausreicht, sondern individuelle 
              Kreativität, Phantasie und selbstverständlich auch die 
              Bereitschaft die Bedienung eines derartigen Programms zu erlernen, 
              unverzichtbare Voraussetzungen sind. Zudem wirken bis heute viele 
              Computerbilder in ihrer Perfektion steril oder kalt. Sie können 
              dadurch eine visionäre Erfahrung zwar über Motive vermitteln, 
              aber meist nur begrenzt über den Gesamtausdruck oder gar über 
              eine tiefe Emotion. Eine neue Perspektive eröffnete das Verständnis 
              von Fraktalen als komplexe Strukturen, deren Entsprechungen sich 
              selbst in ihren kleinsten Einheiten wiederfinden und sich bis ins 
              Unendliche vervielfältigen lassen. In ihrer Symbolik als endlose 
              Einheit von ineinander übergehenden Teilbereichen stehen die 
              Fraktale in einem engen strukturellen Verhältnis zu visionären 
              Ganzheitserfahrungen.
 
 Die Idee des Cybertribes als ein gegenkulturelles Netzwerk von dezentral 
              organisierten kleinen Gemeinschaften, die sich auf das Wissen alter 
              Kulturen ebenso wie auf die Entwicklungen der Gegenwart beziehen, 
              fand auch in künstlerischen Darstellungen eine Entsprechung. 
              So stehen in einer Computergraphik von trigger.ch (Claude Steiner 
              und Nadia Honarchian) eine psychoaktive Pflanze, ein rituell bemalter 
              Totenkopf und ein Musikcomputer in einem verbindenden Zusammenhang, 
              während eine Cyber-Matrix in die kosmische Unendlichkeit übergeht. 
              Die Computerarbeiten von Tush Gun nehmen Bezug auf die Barrelful 
              of Monkeys, einer cybertribeartigen, australischen Gruppe. Ein Bild 
              zeigt in einem bewussten Gegensatz ein psychedelisch-buntes Zeltlager 
              und ein riesiges futuristisches Gebäude in einer apokalyptischen 
              Landschaft. Andere Graphiken sind vom Widerstand gegen die menschenverachtenden 
              Auswüchse der sogenannten Globalisierung getragen. Eine Gruppe 
              von DemonstrantInnen, die in ihren Gesichtern im Bezug zum Namen 
              der Gruppe als Affen zu erkennen sind, steht dabei Panzern gegenüber. 
              Verwurzelt ist das Konzept des Cybertribes in einigen Projekten 
              der Techno-Kultur und der Psychedelic-Trance-Szene. Die Atmosphäre 
              entsprechender Underground-Partys kommt besonders ausdrucksvoll 
              in den Fotos der Fotografin Hadley Kincade zur Geltung. Mit Überblendungen, 
              speziellen Belichtungszeiten und experimentierfreudigen Einstellungen 
              hält sie eine derartige Nacht in Bildern fest, die trotz ihrer 
              Statik die Dynamik trancehafter und psychedelischer Zustände 
              in einem gegenkulturellen Kontext wiedergeben.
 
 Eine Kunstform für sich bilden seit jeher die Acid-Trips selbst. 
              Die mit LSD beträufelten perforierten Papierstücke werden 
              immer wieder mit Motiven bedruckt, die in ihrer Gesamtheit einer 
              Beschreibung verschiedener Ebenen der LSD-Erfahrung in ihren künstlerischen 
              Bezügen entsprechen. Allerdings fanden die dunklen Seiten der 
              Erfahrung kaum eine Entsprechung, oftmals erscheint das Gefahrenpotenzial 
              durch allzu unbeschwerte Zeichnungen geradezu verharmlost. Berühmt 
              wurden die besonderen Editionen zu den Tourneen der Grateful Dead 
              oder die sogenannten Hofmann-Trips, die zum fünfzigsten Jahrestag 
              der Entdeckung von LSD erschien. Dargestellt ist eine Zeichnung 
              von Albert Hofmann, der während einer legendären Fahrradfahrt 
              erstmals die Wirkung von LSD erlebte. Daneben gab es Trips mit Abbildungen 
              der energetischen Gemälden von Alex Grey, den freakigen Figuren 
              von Robert Crumb oder auch mit dem betripten Druiden Miraculix aus 
              den Asterix-Comics. Vielfach zu finden sind zudem spirituelle Symbole, 
              farbenfrohe Ornamente oder Augen als klassisches psychedelisches 
              Motiv. Wie kaum eine andere Darstellung auf den Papier-Trips symbolisieren 
              jedoch die Zeichnungen zu den Abenteuern von Lewis Carrolls Alice 
              im Wunderland den Übergang in eine andere Wirklichkeit. 
              Der Spiegel, den Alice durchschreitet, führt aber letztlich 
              in eine Welt die sie breits in sich trägt, wie auch Psychedelika 
              nichts von außen in eine Person hineintragen, sondern nur 
              Türen in bereits bestehende innere Räume öffnen. 
              In diesem Sinne können sie, wie beschrieben, gleichermaßen 
              in Abgründe und Visionen führen, und dabei auch eine zuvor 
              verschüttete Kreativität freisetzen, was die Arbeiten 
              zahlreicher KünstlerInnen nachhaltig belegen. In welcher Form 
              dieses Potenzial genutzt wird, entscheiden jedoch selbstverständlich 
              nicht psychoaktive Substanzen, sondern wechselwirkend die umgebenden 
              Bedingungen und vor allem die entsprechende Person selbst. Die Vision 
              der anderen Welt kann dabei erst dann über den Moment hinaus 
              zur persönlichen und weitergehend zur gesellschaftlichen Realität 
              werden, wenn als einer der ersten Schritte bewusst wird, dass sie 
              schon jetzt in uns auf ihre Befreiung wartet.
 
 Wolfgang Sterneck
 
 Literatur (Auswahl): - Amaringo, Pablo; Luna, Luis Eduardo / 
              Ayahuasca Visions (1991). - Clottes, Jean; Lewis-Williams, David 
              / Les Chamanes de la Préhistoire (1996). - Dittrich, Adolf; 
              Scharfetter, Christian / Phänomenologie außergewöhnlicher 
              Bewusstseinszustände (1987). - Giger, H. R. / ARh+ (1991). 
              - Grey, Alex / The Mission of Art (1998). - Hofmann, Albert / LSD 
              - Mein Sorgenkind (1979). - Huxley, Aldous / Doors of Perception 
              (1954). - Huxley, Aldous / Heaven and Hell (1956). - MAPS (Ed.) 
              / Psychedelics and Creativity (2000). - Masters, Robert; Houston, 
              Jean (Ed.) / Psychedelic Art (1968). - Müller-Ebeling, Claudia 
              / Visionäre Kunst (1993). - Ott, Jonathan / Ayahuasca Analoge 
              (1994). - Rätsch, Christian (Hg.) / Das Tor zu inneren Räumen 
              (1992). - Sterneck, Wolfgang (Hrsg.) / Cybertribe-Visionen (1995).
 www.sterneck.net
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