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Wolfgang Sterneck
PARTIES, DROGEN UND DER TERROR
”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen
Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun,
eine wichtige Sache ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn
Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du
direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”
Mit diesen Worten verknüpfte der us-amerikanische Präsident
George Bush kürzlich medienwirksam den ”War on Terror”
mit dem ”War on Drugs”. Zu den direkten Folgen gehört
unter anderem eine weitere Verschärfung der repressiver Maßnahmen
gegen die Techno-Kultur. Diese reichen vom scheinbar skurrilen Verbot
von Glühlstäben auf Parties bis zu militärischen
Erstürmungen von Raves durch Sonderneinheiten.
In den USA erlangte die Techno-Bewegung erst zur Jahrtausendwende
eine Größe, die sich mit den Entwicklungen in den neunziger
Jahren in Westeuropa vergleichen lässt. Mit der wachsenden
Bedeutung der Kultur setzte auch hier eine Repressionskampagne ein.
Der von der us-amerikanischen Regierung proklamierte ”War
on Drugs” wurde auch auf die Techno-Kultur ausgeweitet, wobei
es dabei letztlich um die Kontrolle einer Jugendkultur geht, die
sich zunehmend außerhalb der vorgegebenen gesellschaftlichen
Normen bewegt. So wurden in einem landesweit Aufsehen erregenden
Prozess drei Veranstalter aus New Orleans wegen Verstoß gegen
das sogenannte ”Crackhouse Law” angeklagt. Dieses bezog
sich bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf leerstehende
Gebäude, die von Crack-Abhängigen bzw. Crack-DealerInnen
zum Drogenhandel genutzt wurden. Im Rahmen der von der Bundesbehörde
Drug Enforcement Administration in Zusammenarbeit mit dem lokalen
New Orleans Police Department initiierten ”Operation Rave
Review” wurde nun versucht das Crackhouse-Gesetz generell
auf Techno-Parties zu übertragen. Diesem Verständnis zufolge
sind Parties und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen
mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Entsprechend waren
die Veranstalter in New Orleans nicht persönlich wegen Besitz
oder Handel mit Drogen angeklagt, sondern wegen der Beihilfe zum
Handel durch die Veranstaltung einer Techno-Party. Der Prozess führte
zu einem Vergleich, die drei Angeklagten wurden freigesprochen,
die Veranstaltungsfirma jedoch zu einer Geldbuße von 100.000
Dollar verurteilt.
In einem weiteren Prozess der in einem direkten Zusammenhang mit
dem staatlichen Vorgehen gegen die Techno-Szene stand, klagte die
Bürgerrechtsvereinigung American Civil Liberties Union (ACLU)
gegen den Bundesstaat Louisiana. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen
angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch
von Glühlstäben zu untersagen, da diese Utensilien in
einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy zu sehen seinen.
Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen,
formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight
for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed
before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete
mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt
ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich
eines Verbotes von dekorativen Utensilien Druck auszuüben.
Mit welcher Vehemenz der Krieg gegen Drogen auch gegen die Techno-Kultur
geführt wird, zeigen die mit militärischen Mitteln durchgeführten
Razzien in Techno-Clubs und auf Raves. Beispielhaft ist der folgende
Auszug aus einer Beschreibung der Erstürmung einer Benefit-Party,
die zur Unterstützung der im Drogenbereich aufklärenden
Basisorganisation DanceSafe veranstaltet wurde. ”Es waren
etwa dreißig Polizeiwagen, zwei Feuerwehrautos, ein Gefängnisbus,
mehrere Wagen der Sondereinheiten, zwei Krankenwagen und ein Hubschrauber
im Einsatz. Damit stürmten sie die Party. Mehr als hundertfünfzig
Party-Gäste wurden umstellt. Mit dem Maschinengewehr im Anschlag
wurden sie zweieinhalb Stunden lang durchsucht, ihre Taschen, Schuhe,
Haare und auch die Autos. Ihnen wurde gesagt, wenn sie die Durchsuchung
verweigern kommen sie sofort in den Knast. Mehrere Raver wurden
durch Bisse von Polizeihunden verletzt ...”
Ein Höhepunkt des Protestes gegen derartige Maßnahmen
war das im Oktober 2001 von der Electronic Music Defense and Education
Found (em:def) initiierte ”We the People Freedom Festival”
an dem mehrere tausend Menschen teilnahmen. Das Festival war ein
Ausdruck der Kritik an den staatlichen Repressionsmaßnahmen,
es zeigte aber unterschwellig auch wie sehr die Techno-Kultur in
eine defensive Position gedrängt wurde und zum Teil einer inneren
Zensur entsprechend repressive staatliche Vorgaben übernimmt.
Bezeichnend hierfür ist der Umgang der VeranstalterInnen mit
der Drogenproblematik, der sich im Vorfeld auf den Hinweis reduzierte,
dass auf dem Festival hinsichtlich des Verhältnises zu Drogen
eine ”100% Null-Toleranz gegenüber Drogen” besteht.
Aufklärende Hinweise zum Drogenkonsum von Basisgruppen wie
DanceSafe waren dagegen weder auf der Webpage noch in der umfangreichen
Broschüre zum Festival zu finden. Die nach Außen vertretene
Grundhaltung der VeranstalterInnen setzte dagegen auf einen energischen,
aber betont friedlichen Protest, der allerdings in Anbetracht der
Repressionswelle an manchen Punkten geradezu naiv erscheint: ”Sie
werden jedes Mittel nutzen und dabei die Gesetze so auslegen wie
sie es gerade brauchen. Ihr Ziel ist es, uns unser Recht zu nehmen
friedlich zusammenzukommen, unsere Musik zu spielen und zu feiern.
Unsere Parties bedrohen sie mit Gewalt und Gefängnis - doch
das muß nicht das Ende sein. Es gibt noch immer Liebe, es
gibt in unserer Community noch immer Energie und Spirit. Wenn sie
uns mit geschlossenen Visieren angreifen, werden wir mit offenen,
zum Himmel gestreckten Armen antworten.”
Wie schon in Großbritannien in den neunziger Jahren führte
auch in den USA die repressive staatliche Politik zu einer Politisierung
der Techno-Kultur. Es entwickelte sich ein breites Spektrum von
Initiativen, das von gemäßigten Gruppen, die über
öffentlichkeitswirksame Maßnahmen einen politischen Wandel
einleiten wollen, bis zu gegenkulturellen Projekten, die sich den
staatlichen Vorgaben bewusst verweigern, reicht. So versucht beispielsweise
das Future Tribe Project aus Florida mit seiner Kampagne ”I
rave and I vote” Jugendliche anzuregen, sich an den Wahlen
zu beteiligen und dadurch einen politischen Umschwung zu bewirken.
Die Campaign for New Drug Policies erarbeitete einen detaillierten
Maßnahmenkatalog, der dazu beitragen soll in den Medien das
Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität
zu einem Bild einer Jugendbewegung zu wandeln, die auf auf Werten
wie Gemeinschaft und Gewaltlosigkeit basiert und sich über
wohltätige Projekte auch sozial engagiert. Mitglieder von DanceSafe
betonen daneben die Bedeutung einer selbstorganisierten objektiven
Aufklärung über Drogen und die Notwendigkeit von übergreifenden
Forschungsprojekten. Einen radikaleren Ansatz vertreten die ”Reclaim
the Streets”-Gruppen, welche die repressive Politik nicht
als punktuelle Erscheinung, sondern als Bestandteil eines autoritären
Systems verstehen und auch direkte militante Aktionsformen nicht
ausschließen. Andere Gruppen wie Moontribe versuchen dagegen
vorrangig den Underground zu stärken und dabei insbesondere
über die Veranstaltung von unangemeldeten Parties soziale Freiräume
zu schaffen, welche sich der Kontrolle durch staatliche Institutionen
weitgehend entziehen.
Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hat sich die
Situation für die Techno-Kultur in den USA noch weiter verschärft.
So wurde inzwischen der ”Krieg gegen den Terror” offiziell
mit dem ”Krieg gegen Drogen” verknüpft. In diesem
Sinne veranstaltete die Bundesbehörde Drug Enforcement Administration
unter dem Titel ”Zielscheibe Amerika: Drogenhändler,
Terroristen und unsere Kinder” ein richtungweisendes Symposium
zum sogenannten ”Narko-Terrorismus”. Auf der Internet-Seite
der staatlichen Anti-Drogen-Kampagne wird in mehreren Beiträgen
wie auch in einem speziell zur Thematik erstellten Quiz ausgeführt,
dass jeder Jugendliche der Drogen kauft damit auch den internationalen
Terrorismus unterstützt. Entsprechend wandte sich Präsident
George Bush im Februar 2002 mit einem pathetischen Appell an die
amerikanische Jugend und forderte einen Verzicht auf Drogen als
Beitrag zum Krieg gegen den Terror.” In diesem Zusammenhang
sind auch in Bezug auf die Techno-Kultur weitere repressive Maßnahmen
geplant. In der Diskussion steht derzeit mit dem ”Ecstasy
Prevention Act” ein neues landesweites Gesetz, welches sich
gegen den Konsum von Ecstasy bzw. weitergehend gegen die Techno-Kultur
als Ganzes richtet. Es sieht die Bereitstellung von 22 Millionen
Dollar unter anderem für Öffentlichkeitskampagnen, sowie
für die Verbesserung polizeilicher Verfolgungsmaßnahmen
vor und beinhaltet wesentliche Einschränkungen der Möglichkeiten
Parties und Raves zu veranstalten.
(2002)
www.sterneck.net
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