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Wolfgang Sterneck
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Wolfgang Sterneck

DRUG-CHECKING:
"WIR WOLLEN WISSEN, WAS DRINNEN IST!"


"Wir wollen wissen, was drinnen ist!" - Diese Forderung können vermutlich alle unterschreiben, die illegalisierte Substanzen gebrauchen und ständig den Risiken von Verunreinigungen, Streckmitteln, falschen Deklarierungen und unklaren Dosierungen ausgesetzt sind. Unter den Bedingungen von Schwarzmarkt und Prohibition können Drug-Checking-Programme Gesundheit sichern und Leben retten, sowie Mündigkeit und Verantwortung stärken.


DIE TOXIZITÄT DER VERBOTE

Der Drogenschwarzmarkt ist das extreme Abbild einer völlig deregulierten kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Er ist organisatorisch in weiten Bereichen von Strukturen geprägt, die einzig am Ziel der Profitmaximierung ausgerichtet sind. Die Gesundheit der KonsumentInnen spielt oftmals nur hinsichtlich der Absatzsicherung eine Rolle. Der Schwarzmarkt ist dabei die direkte Folge einer Drogenpolitik, die den Menschen das Recht abspricht, selbstbestimmt und mündig auf der Basis von Informationen über ihr Verhältnis zu Drogen selbst zu entscheiden.

Die Politik der Repression und der Prohibition zielt offiziell auf die Zerschlagung des Drogenschwarzmarktes. Tatsächlich bildet sie jedoch durch die Illegalisierung einzelner Substanzen gerade erst die grundlegende Vorraussetzung für die Existenz dieses Marktes. Unzählige Beispiele in Geschichte und Gegenwart zeigen, dass ein Drogenmarkt nicht zerschlagen werden kann, wenn das Bedürfnis nach einer Droge gegeben ist. Verbote und Kriminalisierung führen vielmehr dazu, dass der Markt gesellschaftliche Nischen sucht, in denen er sich trotzdem ausbreiten kann.

Eine zentrale Problematik des Drogenschwarzmarktes ist die weitgehende Unklarheit über die tatsächliche Zusammensetzung der angebotenen Substanzen. Der Wirkstoffgehalt schwankt teilweise stark. Zudem ist in der Regel davon auszugehen, dass ein Großteil der auf dem Markt kursierenden Drogen zur Erhöhung des Profites mit Beimengungen gestreckt sind, die zum Teil einen stark gesundheitsschädlichen und in Extremfällen sogar lebensbedrohlichen Charakter haben.

In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Todesfällen im Zusammenhang mit Wirkstoffschwankungen beim Heroin, sowie zu schweren Gesundheitsgefährdungen durch stark toxische Zusammensetzungen von „Ecstasy“-Pillen oder Beimengungen in Kokain und Amphetaminen. Eine überregionale Aufmerksamkeit erlangten zudem Vergiftungen in Folge des Konsums von Marihuana, das mit Bleisulfid kontaminiert war. Das Wissen über die eigentlichen Inhaltsstoffe bzw. eine kontrollierte Herstellung und Vergabe dieser Substanzen hätte in diesen Fällen die Gesundheit bzw. das Leben der KonsumentInnen gesichert.


DRUG-CHECKING ALS ANTWORT

Vor diesem Hintergrund wurden Drug-Checking-Modelle entwickelt, in deren Rahmen Substanzen qualitativ und quantitativ analysiert, sowie Ergebnisse, Bewertungen und Warnungen zugänglich gemacht werden. Der Bereich der relevanten Substanzen beim Drug-Checking schließt unter anderem Cannabis, Kokain, Psychedelika und Heroin ein, wobei der Schwerpunkt bisheriger Drug-Checking-Angebote zumeist auf der Analyse von Ecstasy-Pillen lag. Perspektivisch wird die Nachfrage nach Analysen von Research Chemicals, Herbals und Cognitive Enhancern stark zunehmen, die zum Teil ohne gesicherte Kontrolle der Inhaltsstoffe im Internet angeboten werden.

Staatlich geförderte Drug-Checking-Programme werden derzeit unter anderem in der Schweiz, in Österreich und in Holland durchgeführt. Die Programme wurden inzwischen mehrfach im Rahmen verschiedener Studien wissenschaftlich ausgewertet und als erfolgreich bewertet. In Deutschland bestehen dagegen derzeitig keine öffentlichen Angebote, die eine qualitative und quantitative Analyse einer eingereichten Substanz ermöglichen.

Die beiden wesentlichen Zielsetzungen eines umfassenden Drug-Checking-Angebotes liegen in der Sicherung von Gesundheit und in der Förderung von Mündigkeit. Insbesondere der gesundheitsbewahrende Aspekt zeigt die herausragende Bedeutung und Notwendigkeit entsprechender Projekte.

Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass ein entsprechendes Programm nicht die Ursachen aufheben, sondern nur die Symptome behandeln kann. So lassen sich die grundlegenden Problematiken des Drogenschwarzmarktes weder durch soziale Angebote noch durch repressive Maßnahmen beseitigen. Notwendig ist vielmehr die Umsetzung eines regulierten Modells der Drogenvergabe, das von Mündigkeit, Selbstbestimmung und sozialer Verantwortung getragen ist.


ANALYSE-METHODEN

Hinsichtlich der Substanzanalyse beim Drug-Checking lassen sich im Wesentlichen drei Modelle unterscheiden. Im Rahmen des einfachen Marquis-Schnelltest wird eine Reagenz-Flüssigkeit auf eine Substanz geträufelt. Die daraufhin einsetzende Verfärbung lässt tendenziell einen ersten Rückschluss auf deren qualitative Zusammensetzung zu. Durch das eingeschränkte Spektrum können jedoch gegebenenfalls toxische Streckmittel nicht erkannt werden.

Der mobile Labortest ermöglicht auf großen Events eine zeitnahe umfassende Substanzanalyse vor Ort. In Österreich und in der Schweiz wird dazu die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPCL) genutzt. Dabei werden die Substanzen, die sich in einer Probe befinden, getrennt, im Detail identifiziert und quantifiziert.

Bei einem stationären Labortest wird in der Regel ebenfalls die HPCL genutzt. Zudem ist es durch die aufwendige GC/MS-Methode (Gaschromatograph gekoppelt mit Massenspektrometer) auch möglich Substanzen zu identifizieren, die nicht als Referenzsubstanz vorliegen.


VERANTWORTUNG STATT ENTMÜDIGUNG

Die Veröffentlichung detailierter Ergebnisse kann über das konkrete Konsumverhalten der einzelnen Person hinausgehend einen unmittelbaren Einfluss auf den Markt erlangen, da DealerInnen ihre gegebenenfalls als verunreinigt erkannte Substanzen nicht mehr an informierte DrogengebraucherInnen verkaufen können. Im Zuge der Nachfrage nach möglichst reinen Substanzen ist mittelfristig generell eine Qualitätsverbesserung zu erwarten.

Hierbei muss jedoch immer berücksichtigt werden, dass die Analyseergebnisse einer Probe nur begrenzt Rückschlüsse auf andere Substanzen zulassen. Bei leicht identifizierbaren Substanzen wie Ecstasy-Pillen ist eine weitgehende Übereinstimmung eines Analyse-Ergebnisses auf eine zeitnahe kursierende, ungetestete Pille mit identischen äußeren Merkmalen wahrscheinlich, wenn auch unter den Bedingungen des Schwarzmarktes nie gewährleistet. Insbesondere bei Drogen in Pulverform sind auf Grund der Darreichungsform in Bezug auf gleichzeitig kursierende Substanzen nur unter Vorbehalt tendenzielle Einschätzungen möglich.

Drug-Checking dient neben gesundheitlichen Aspekten auch zur Entwicklung bzw. zur Stärkung einer mündigen Haltung gegenüber psychoaktiven Substanzen, da die individuelle Nutzung der Ergebnisse immer auch zwangsläufig mit einer Auseinandersetzung mit der Drogenthematik (Wirkungsspektren, Dosierungen, Gefahren, Kontext des Konsums, Safer Use etc.) verbunden ist. Es setzt einen Gegenpol zu der in allen gesellschaftlichen Bereichen verbreiteten unreflektierten Konsumhaltung, die sich auch im Drogenbereich spiegelt. Die große Beachtung, die in der Regel Drug-Checking-Projekten zugemessen wird, sollte weit über die persönliche Ebene hinausgehend auch zum Anstoß zu einer Auseinandersetzung über den Drogenkonsum in der entsprechenden Szene genutzt werden.

Sofern ein Drug-Checking-Projekt nicht nur auf Substanzen blickt, sondern den Fokus auf soziokulturelle Aspekte erweitert, kann es zudem Impulse geben, um Entwicklungen zu hinterfragen, soziale Verantwortung zu übernehmen und Veränderungsprozesse zu initiieren. Entscheidend dabei ist, dass das Projekt in die entsprechenden Szenen integriert ist und nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird. Eine zentrale Rolle nehmen entsprechend Szeneprojekte und Initiativ-Gruppen ein, die in den Subkulturen verankert sind und Entwicklungen angemessen einschätzen können.

Wesentlich sollte auch sein, dass ein Drug-Checking-Projekt Möglichkeiten der Diskussion und der Mitwirkung bietet. Zudem eröffnet eine Zusammenarbeit mit szenenahen Projekten, die unabhängig vom Drogenbereich kreative Entfaltung und kritisches Engagement fördern, neue Möglichkeiten. Ein Drug-Checking-Projekt kann dadurch, weit über den Aspekt der Schadensminderung hinausgehend, Gesundheit in einem ganzheitlichen sozialen Sinne fördern.


STUDIEN UND SCHEUKLAPPEN

In den letzten Jahren wurden mehrere umfassende Studien durchgeführt, die Drug-Checking-Projekte aus der Perspektive der Drogenhilfe wissenschaftlich auswerteten. Für eine Fachtagung wurden 2008 von Rüdiger Schmolke die wichtigsten internationalen Studien verglichen. Seine Analyse schließt mit der zusammenfassenden Feststellung: „Drug-Checking ist ein effektives Instrument der Gesundheitsförderung“. Im Einzelnen lassen sich unter anderem übereinstimmend folgende Ergebnisse feststellen:

„- Erleichterter Zugang: Mit Drug-Checking werden bislang nicht Erreichte angesprochen.
- Den Informationsstellen wird eine höhere Vertrauenswürdigkeit und Akzeptanz zugesprochen.
- Verbesserte Risikokommunikation.
- Informationszuwachs über substanzgebundene Risiken und gesundheitsbewusstes Verhalten.
- Inanspruchnahme führt zur Risikoreduzierung beim Gebrauch.“

Es besteht keine seriöse wissenschaftliche Studie, welche die gesundheitsfördernden Aspekte von Drug-Checking-Programmen in Frage stellt. Dennoch werden Drug-Checking-Programme zum Teil kontrovers diskutiert bzw. ihre Bedeutung bestritten. Zum Teil wird aus der Argumentation eine mangelnde Kenntnis über die konkrete Ausrichtung der Programme deutlich.

So wird oftmals unterstellt, dass die Testergebnisse Drogen verharmlosen oder sie gar als unbedenklich charakterisieren. Dies würde jedoch dem Grundverständnis eines seriösen Drug-Checking-Programms widersprechen. Tatsächlich informieren die bestehenden Programme differenziert über die Ergebnisse und warnen gegebenenfalls ausdrücklich vor der Gefährlichkeit bestimmter Substanzen. Zu einer Verharmlosung kommt es genauso wenig wie zu einer Dämonisierung.

Die Gegenargumente sind meist am Ziel der Abstinenz ausgerichtet und berücksichtigen nicht angemessen die direkte gesundheitssichernde oder gar lebensrettende Wirkung des Drug-Checkings. So basierte auch 2009 die ablehnende Positionierung des Bundesministeriums für Gesundheit auf einer ideologischen Grundhaltung: „Die Bundesregierung warnt vor dem Konsum illegaler Substanzen und lehnt deshalb insbesondere alle Maßnahmen mit dem Potential zur unmittelbaren und aktiven Förderung des illegalen Konsums von Drogen ab.“

In Deutschland werden umfassende Drug-Checking-Angebote immer wieder von Szeneorganisationen, Initiativ-Gruppen und Einrichtungen der Drogenhilfe gefordert. Vorangetrieben wurde die Auseinandersetzung mehrfach von Mitgliedern des Sonics-Netzwerkes, dem idealistische Projekte wie der Autonome Drogeninfostand, Eclipse, Eve & Rave, die Drug Scouts und Alice-Project angehören. Die Notwendigkeit entsprechender Angebote wird jedoch oftmals von einer breiteren Öffentlichkeit erst dann wahrgenommen, wenn es zu Todesfällen gekommen ist.


DRUG-CHECKING IN EUROPA

Ein umfassendes Drug-Checking wird derzeit in Deutschland nicht öffentlich angeboten. Eine modifizierte, wesentlich eingeschränkte Analyse ist im Rahmen einiger Apotheken möglich. Diese führen kostenpflichtige Untersuchungen durch und informieren allgemein über die vorrangig erkannte Substanz, jedoch nicht differenziert über Reinheit, Beimengungen und Wirkstoffgehalt.

Dagegen bestehen in mehreren europäischen Ländern legale und zum Teil mit öffentlichen Mitteln geförderte Drug-Checking-Projekte. So bietet beispielsweise die Jugendberatung Streetwork seit 2001 Drug-Checking im Auftrag der Stadt Zürich an. Dazu gehört ein mobiles Angebot auf jährlich rund zehn großen Party-Events. Daneben ist es möglich stationär im Züricher Drogeninformationszentrum Substanzen zur Analyse abzugeben. In den Niederlanden besteht ein weit verzweigtes Drug-Checking-Angebot, das bereits 1992 aufgebaut wurde. Koordiniert wird es vom Trimbos-Institut, das großteils vom Niederländischen Ministerium für Gesundheit finanziert wird. Inzwischen sind in rund dreißig Städten Stellen zur Abgabe von Substanzen eingerichtet.

In Spanien führt Energy Control in der Party-Szene Substanzanalysen durch. Vor Ort bietet die Initiativ-Gruppe Schnelltests an, um eine erste tendenzielle Einordnung zu ermöglichen. Daneben werden Laboranalysen durchgeführt, deren quantitative und qualitative Ergebnisse veröffentlicht werden. In Österreich finanzieren die Stadt Wien und das Bundesministerium für Gesundheit das Projekt ChEck iT!, das bereits seit 1997 Analysen durchführt. Den Schwerpunkt bilden Drug-Checking-Angebote auf großen Events.


SCHRITTE DER VERÄNDERUNG

Unter den Bedingungen von Schwarzmarkt und Prohibition sind Drug-Checking-Programme notwendige Instrumente der Gesundheitsförderung, die im Kontext vernetzter Angebote zu sehen ist. An den zu Grunde liegenden strukturellen Problematiken ändern sie jedoch nichts. Das Ziel einer nachhaltigen Drogen- und Gesundheitspolitik muss weit über derartige Angebote hinausreichen.

Die Zielsetzung kann dabei nicht in einem Staat liegen, der auf vermeintliche Schwächen oder mögliche Problematiken im Zusammenhang mit einem Gebrauch von psychoaktiven Substanzen insbesondere mit Verboten und Repression reagiert. Vielmehr sollte es zu den gesellschaftlichen Zielen gehören, diese Problematiken auf ein Minimum zu reduzieren bzw. positive Potentiale und Strukturen zu stärken, welche im Idealfall die Problematiken erst gar nicht aufkommen lassen.

So gehört in allen sozialen Bereichen die Entwicklung von Bedingungen, in denen die Menschen befähigt sind, mündig über ihr Leben und ihre Handlungen selbst zu bestimmen, zu den grundlegenden Aufgaben von Gesellschaft und Staat. Eine erwachsene Person, die auf der Basis von sachlichen Informationen bewusst und verantwortungsvoll entscheiden kann, bedarf keiner staatlichen Regelung, die vorgibt, ob sie ein Maß Bier trinken oder sich einen Joint anstecken darf. Bis ein derartiger Zustand erreicht ist, sind Drug-Checking-Programme eine gesundheitspolitische Notwendigkeit, welche generell Mündigkeit und Gesundheit fördern, sowie im Einzelfall Leben retten kann.

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